Special | Zentralasien | Global Gateway
Global Gateway nimmt in Zentralasien Gestalt an
Die Leuchtturmprojekte der EU-Initiative in Zentralasien sind ambitioniert. Finanzielle Zusagen der EU gibt es schon, doch die Umsetzung läuft schleppend. (Stand: 20.08.2024)
Von Lisa Flatten, Edda Schlager | Bonn, Berlin
Mit sieben Leuchtturmprojekten will die EU im Rahmen von Global Gateway die Infrastrukturentwicklung in Zentralasien unterstützen. Vier Flagship-Projekte wurden 2023 nominiert, drei weitere 2024. Weltweit verfolgt die EU über 200 Leuchtturmprojekte in den Bereichen Transport, Klima und Energie, Digitales, Gesundheit und Bildung.
EU fördert Ausbau von Verkehrskorridoren
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hat 2023 im Auftrag der EU in einer Studie das Potenzial des Transkaspischen oder Mittleren Korridors zwischen Zentralasien und Europa bewertet. Die EBRD-Studie ist Grundlage des Leuchtturmprojekts Nachhaltige Transportkonnektivität, mit dem die EU den Ausbau der Transportinfrastruktur in Zentralasien fördert. Mehr als 30 potenzielle Projekte mit einem Investitionsumfang von rund 18,5 Milliarden Euro identifiziert die Studie. Die Vorhaben könnten – falls umgesetzt – die Konnektivität der zentralasiatischen Länder untereinander und ihre Anbindung an europäische Transportnetze verbessern.
Der Studie folgte eine Investorenkonferenz im Januar 2024 in Brüssel, bei der die EU Zentralasien 10 Milliarden Euro zusagte. Die Mittel setzen sich aus bereits laufenden und geplanten Investitionen zusammen. Sie finanzieren unter anderem eine Koordinationsplattform. Sie soll die Zusammenarbeit zwischen der EU und den fünf zentralasiatischen Partnerländern verbessern, um die Entwicklung des Mittleren Korridors auf Kurs zu halten. Die Plattform hat am 12. Juni 2024 ihre Arbeit aufgenommen.
Team Europe will Hochleistungsinternet mit Satelliten bereitstellen
Im Rahmen einer sogenannten Team-Europe-Initiative (TEI) wird die EU die digitale Infrastruktur in Zentralasien ausbauen. Ein Ziel ist die Verbesserung des Zugangs zu sicherem Internet durch Satellitenverbindungen. Dafür sollen Bodenstationen mit integrierten Internetknoten und grünen Datenzentren in Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan mit bereits bestehender Breitbandinfrastruktur verbunden werden. Zudem werden die Länder dabei unterstützt, ihr jeweiliges rechtliches und regulatorisches Umfeld modernen Erfordernissen anzupassen.
Für das Hochleistungsinternet in Zentralasien will die EU 55 Millionen Euro an Zuschüssen investieren. Eine erste Tranche von 20 Millionen Euro wird voraussichtlich Ende 2024 freigegeben. Eine Gruppe europäischer Organisationen unter Leitung von Expertise France soll die zentralasiatischen Länder gesetzgeberisch beraten. Die weiteren 35 Millionen Euro, finanziert durch die Europäische Investitionsbank (EIB), sind für den Bau der Bodenstationen vorgesehen. Hierzu führen EU und EIB Gespräche. Geplant sind außerdem EIB-Kredite für das Betreiberunternehmen. Gute Chancen rechnet sich das Luxemburger Unternehmen SES aus, das seit mehreren Jahren in die Vorbereitung des Projekts involviert ist.
Zwei Leuchtturmprojekte zum Thema Rohstoffe
Die EU hat Zentralasien außerdem als Lieferanten für kritische Rohstoffe ins Auge gefasst. Dafür gibt es zwei Global-Gateway-Flagships: eines mit Kasachstan und eines mit allen fünf Ländern Zentralasien. Beide Vorhaben zielen darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen der EU und den relevanten zentralasiatischen Ländern bei kritischen Rohstoffen zu verstärken und die Widerstandsfähigkeit der Rohstoff- und Batterieversorgungsketten durch technische Vorbereitungsarbeiten zu erhöhen.
Die im Jahr 2022 geschlossene strategische Partnerschaft mit Kasachstan zu Rohstoffen, Batterien und grünem Wasserstoff wurde 2023 als Leuchtturmprojekt für Global Gateway nominiert. Teil dessen ist das Projekt Hyrasia One der deutschen Svevind Energy Group, die mit ihrer kasachischen Tochter Hyrasia Energy am Kaspischen Meer ab 2030 pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff beziehungsweise 11 Millionen Tonnen grünen Ammoniak erzeugen will.
Mit dem 2024 zu Global Gateway hinzugefügten Leuchtturmprojekt zu kritischen Rohstoffen will die EU ihr Engagement im Bereich Rohstoffe auf ganz Zentralasien ausdehnen. Alle Partnerländer in Zentralasien sollen technische Hilfe sowie Investitionen für die Expoloration und Produktion von kritischen Rohstoffen nach internationalen Standards erhalten. Basis dieser Aktivitäten ist ein neues regionales EU-Programm für Wohlstand in Zentralasien, für das die EU insgesamt 14 Millionen Euro eingeplant hat. Davon sind 3 Millionen Euro für kritische Rohstoffe vorgesehen.
Zwei Leuchtturmprojekte zu Wasser, Energie und Klimawandel
Die TEI Wasser, Energie und Klimawandel stellt insgesamt 800 Millionen Euro – davon 200 Millionen Euro von der EU selbst finanziert – für die nachhaltige Nutzung von Wasser- und Energieressourcen, für Versorgungsnetze und zur Bewältigung von Umweltproblemen zur Verfügung. Sie ist das derzeit umfangreichste Paket im Rahmen von Global Gateway in Zentralasien und beinhaltet zwei als Leuchttürme ausgewiesene Projekte: die Unterstützung Tadschikistans beim Ausbau des Wasserkraftwerkes Rogun und die Unterstützung Usbekistan bei der nachhaltigen Wiederherstellung geschädigter Flächen am Aralsee.
Im Rahmen der TEI Wasser, Energie und Klimawandel hat die EU hat bisher 20 Millionen Euro bereitgestellt. Davon werden 8 Millionen Euro von der Weltbank im Wasser- und Energieprogramm für Zentralasien verwaltet und weitere 12 Millionen Euro von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Diese übernimmt auch das Sekretariat der gesamten TEI.
Finanzierungsinstrumente als übergreifendes Leuchtturmprojekt
In Zentralasien setzt die EU ein bereits für andere EU-Partnerregionen genutztes Finanzierungsinstrument ein: Investitionsfazilitäten zur Kombination von Mitteln der EU sowie anderer öffentlicher und privater Quellen für die grüne und digitale Transformation. Dieser Ansatz sogenannter "blended finance" soll die Bereitstellung von Mitteln vor Ort vorantreiben und so die EU-Anschubfinanzierung in Form von Zuschüssen ergänzen. Teil dessen ist auch der Europäische Fonds für nachhaltige Entwicklung Plus (EFSD+).
Einen Teil der Finanzierung für Global-Gateway-Vorhaben in Zentralasien stellt die EU mit ihrem Instrument Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (NDICI – Global Europe) zur Verfügung. Über die dort vorgesehenen Mehrjahresrichtprogramme (Multiannual Indicative Programmes, MIP) stehen den Ländern in Zentralasien von 2021 bis 2024 rund 300 Millionen Euro an Fördermitteln zu.