Branchen | Taiwan | Elektronik
Halbleiterproduktion in Taiwan geht zurück
Die taiwanischen Chiphersteller leiden unter der weltweit rückläufigen Nachfrage nach Elektronikerzeugnissen. Dennoch laufen weiterhin zahlreiche Expansionsprojekte.
20.09.2023
Von Alexander Hirschle | Taipei
Taiwan muss 2023 erstmals seit langem die Produktion von Halbleitern zurückfahren. Nach Angaben des renommierten Forschungsinstituts Industrial Technology Research Institute (Itri) wird der Output der taiwanischen Halbleiterschmieden im laufenden Jahr um 12,7 Prozent sinken.
Bei der Herstellung von Wafern erwartet das Institut ein Minus von 11,3 Prozent. Mit einem Produktionsanteil von rund 56 Prozent ist dies das mit Abstand wichtigste Segment. Auch für die anderen Segmente wie Speicherchips, IC-Packaging und IC-Testing sowie IC-Design rechnet Itri mit zweistelligen Produktionsrückgängen.
Weltweit schwache Nachfrage belastet Chipindustrie
Die Umsatzeinbußen sind in erster Linie auf die weltweit hohen Inflationsraten und die Zinspolitik der Notenbanken zurückzuführen, die die Nachfrage nach elektronischen Konsumgütern einbrechen lassen. Branchengigant TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing) musste beispielsweise im Juli seine Umsatzprognose für 2023 von minus 4 bis 6 Prozent auf nunmehr minus 10 Prozent nach unten revidieren.
Insgesamt soll die Chipproduktion auf der Insel 2023 rund 136 Milliarden US-Dollar (US$) erreichen. Dies entspricht immer noch 15 Prozent der Wirtschaftsleistung Taiwans. Angesichts der geplanten Investitionen wird sich an der enormen Bedeutung des Sektors für die taiwanische Wirtschaft wenig ändern. In der Vergangenheit waren kritische Stimmen an der Dominanz der Halbleiterindustrie aufgekommen: Sie sauge zu viele Kapazitäten aus anderen Branchen ab, so der Vorwurf.
Den Kritikern zum Trotz verabschiedete die taiwanische Regierung Anfang August diesen Jahres einige Zusätze zum sogenannten "Industrial Innovative Act" (auch bekannt unter dem Namen "New Taiwan Chips Act"). Diese umfassen zusätzliche Fördermaßnahmen vor allem für Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung. Dazu zählen unter anderem Steuererleichterungen für die Anschaffung von Maschinen oder Ausrüstungen.
TSMC eröffnet riesiges Forschungszentrum
Trotz temporärer Bremsspuren werden globale Megatrends wie künstliche Intelligenz und Elektromobilität die Nachfrage nach Chips weiter antreiben. Im Jahr 2024 wird Taiwan nach Schätzungen des Branchenverbandes Semi mit 23 Milliarden US$ wieder der weltweit größte Abnehmer von Halbleiterausrüstungen sein, was einer Steigerung von 4 Prozent entspricht.
Und auch im Spätsommer 2023 ist weiterhin viel Bewegung in der taiwanischen Chipindustrie. So erhielt der niederländische Hersteller von hochwertigen Halbleiterausrüstungen ASML Medienberichten zufolge Ende August für seine 300 Millionen US$ schwere Investition in New Taipei grünes Licht vom taiwanischen Wirtschaftsministerium. Mit dem Bau der Fabrik will ASML noch im laufenden Jahr beginnen. Der Produktionsbeginn ist für 2026 geplant.
An der Spitze der Aktivitäten steht nach wie vor Branchenführer TSMC. Das Unternehmen hat Mitte 2023 ein reines Forschungszentrum in Hsinchu eröffnet, das einer Fläche von 42 Fußballfeldern entspricht. Rund 7.000 Ingenieure sollen dort arbeiten. Bisher waren die Forschungsaktivitäten von TSMC direkt an die Produktionsstandorte angedockt.
Ein Schwerpunkt soll unter anderem auf der Entwicklung von 2-Nanometer-Chips und noch fortschrittlicheren Technologien liegen. Beobachter sehen darin ein klares Statement von TSMC, die modernsten Technologien weiterhin auf der Insel zu entwickeln. Bereits 2022 hatte das Unternehmen zum vierten Mal in Folge die meisten Patente in Taiwan angemeldet.
2-Nanometer-Fabs geplant
TSMC will 2025 in der Fabrik "Fab 20" in Hsinchu mit der Massenproduktion von 2-Nanometer-Chips beginnen. Darüber hinaus plant es, Mitte 2024 in Taichung mit dem Bau einer zweiten 2-Nanometer-Fab zu starten. Hier sollen künftig 4.500 Beschäftigte einen jährlichen Produktionswert von 15 Milliarden US$ erwirtschaften.
Im Juni 2023 eröffnete TSMC eine neue Fabrik für "Packaging and Testing" im Zhunan Science Park in der Stadt Miaoli. Es handelt sich um die größte Backend- und erste vollautomatisierte (all-in-one automated) Fab des Unternehmens. Die Fabrik wird eine Produktionskapazität von 1 Millionen 12-Inch-Wafern pro Jahr erreichen und soll die nächste Generation mobiler Geräte und anderer KI-Applikationen unterstützen.
KI-Boom kurbelt Halbleiternachfrage an
TSMC profitiert nach Einschätzung von Branchenexperten vom derzeitigen KI-Boom und gilt weltweit als dominierender Hersteller von KI-Chips. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Mark Liu, unterstrich Anfang September im Rahmen der Messe Semicon Taiwan die Bedeutung künstlicher Intelligenz für die Halbleiterbranche. KI sei auf neue Entwicklungen bei Halbleitern angewiesen und stelle demzufolge eine riesige Chance für die Chipindustrie dar.
Die Messe Semicon Taiwan gilt als wichtigstes Branchenevent auf der Insel und fand vom 6. bis 8. September 2023 im Nangang Exhibition Center in Taipei statt. Nach Angaben des ausrichtenden Fachverbands SEMI handelte es sich mit 3.000 Ständen und fast 1.000 Ausstellern um die größte Ausgabe der vor 28 Jahren erstmals veranstalteten Messe.
Auch das Deutsche Wirtschaftsbüro Taipei (AHK) hat in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Sachsen einen gut besuchten Gemeinschaftsstand mit acht deutschen Firmen organisiert. TSMC hatte bereits im August Pläne zum Bau einer Fabrik in Dresden veröffentlicht. Die Investition hierfür soll sich auf rund 10 Milliarden Euro belaufen. TSMC setzt das Projekt gemeinsam mit den Firmen Bosch, Infineon and NXP um. Der Baubeginn ist für das 2. Halbjahr 2024 geplant, die Produktion soll Ende 2027 aufgenommen werden.