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Taiwan weitet Käufe von Halbleiterausrüstungen aus
Die lokalen Hersteller von Microchips erweitern ihre Produktionskapazitäten, vor allem für kleinste Strukturgrößen. Dies erhöht die Nachfrage nach Vorprodukten und Maschinen.
14.09.2022
Von Alexander Hirschle | Taipei
Taiwan wird 2022 voraussichtlich wieder zum größten Käufer von Halbleiterausrüstungen weltweit avancieren. Nach Schätzungen des Fachverbandes Semi werden die Ausgaben der lokalen Chiphersteller für Halbleiterfabrikausrüstungen ("Wafer Fab Equipment") um 52 Prozent auf 34 Milliarden US-Dollar (US$) stark zulegen. Die Käufe werden angekurbelt durch die robuste Nachfrage nach Halbleitern für Kfz und Geräte im Segment High-Performance Computing (HPC). Die Firmen der Insel würden damit im Ranking wieder klar vor Südkorea liegen, in China sollen die Investitionen in Ausrüstung sogar sinken.
Taiwan kauft fast ein Drittel der Ausrüstungen
Mehr als 50 Prozent der erworbenen Ausrüstungen gehen in den Bereich Auftragsfertigung, gefolgt von Speicherchips mit 33 Prozent. Taiwan wird 2022 übergreifend über alles Segmente für fast 30 Prozent der weltweiten Käufe in diesem Bereich verantwortlich zeichnen. Dies ist durch die massiven Investitionen taiwanischer Firmen in Kapazitätserweiterungen zu erklären.
Branchenkenner gehen davon aus, dass die Schätzungen für Taiwan sogar noch recht konservativ sind. Außerdem ist zu bedenken, dass Prozess-Equipment und Ausrüstungen nur 50 bis 75 Prozent der Kosten einer Fab ausmachen. Der restliche Teil entfällt auf zahlreiche andere Produkte und Dienstleistungen wie unter anderem Wasser- und Reinstwasserversorgung, Abwasserbehandlung, Kühlung, Gebäudetechnik, Reinraumtechnologie, Vakuumpumpen sowie Gas- und Chemieversorgung. Der Bedarf in diesen Bereichen führt zu zahlreichen Geschäftschancen für deutsche Firmen, die schon heute stark in der taiwanischen Halbleiterlieferkette aktiv sind.
TSMC stockt Investitionen auf
Als wichtigster Motor des Sektors auf der Insel gilt weiterhin Branchengigant TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing), der sein Investitionsbudget für 2022 von zuvor 40 Milliarden US$ noch einmal um 10 Prozent auf 44 Milliarden US$ nach oben geschraubt hat. Mitte diesen Jahres ließ TSMC verlauten, auch für 2023 mit Kapitalausgaben von rund 40 Milliarden US$ zu planen.
Die vorgesehene Summe ist damit doppelt so hoch wie TSMC im Schnitt der letzten drei Jahre ausgegeben hatte. Die Investitionen sind möglich, weil die Kassen der Taiwaner voll sind. Der Umsatz des Unternehmens wird sich 2022 voraussichtlich um 30 Prozent erhöhen, nach einer Steigerung von 25 Prozent im Vorjahr.
Mit den Geldern sollen vor allem die Produktionskapazitäten für 2-, 3-, 5- und 7-Nanometer-Chips ausgeweitet werden. Die Produktion der 3-Nanometer-Chips beginnt im Herbst diesen Jahres, die Herstellung der 2-Nanometer-Strukturen soll voraussichtlich 2025 in Hsinchu starten. TSMC ist damit bei den kleinsten Strukturgrößen sehr gut im Wettbewerb positioniert. Apple hat Medienberichten zufolge angekündigt, ab 2023 als erster auf die 3-Nanometer Chips von TSMC zurückzugreifen.
Nachfrage nach Microchips weiterhin hoch
Diese Wachstumsphase dürfte nach Einschätzung von Unternehmensverantwortlichen auch nicht durch aktuelle Herausforderungen wie etwa den global zu beobachtenden Inflationsdruck abgebremst werden. Denn die rückläufige Nachfrage nach Konsumerzeugnissen wie Smartphones oder PCs würde durch den Bedarf im Bereich elektrische Fahrzeuge überkompensiert. Die Fabriken seien für den Rest des Jahres voll ausgelastet, so die Stimmen von Unternehmensvertretern in der lokalen Presse.
Derweil liegen die TSMC-Projekte in den USA und Japan im Soll. Das Joint-Venture mit Sony soll ab Ende 2024 in Südjapan mit der Produktion von 28-Nanometer-Chips beginnen. In den USA seien die Produktionskosten zwar höher als erwartet, aber immer noch beherrschbar und die künftige Profitabilität der Fab in Arizona gewährleistet.
In den USA sollen ebenfalls ab 2024 5-Nanometer-Chips vom Band laufen. Im zweiten Halbjahr wird TSMC mit dem Bau der Fab in Kaohsiung in Südtaiwan beginnen, wo auch 2024 der Produktionsstart erfolgen soll. Dort sollen künftig 12-Inch-Wafer mit 7- und 28-Nanometer-Chips hergestellt werden. Auch der Hersteller UMC (United Microelectronics Corp) wird seine Kapitalausgaben 2022 auf 3,6 Milliarden US$ verdoppeln.
Die Investitionen taiwanischer Chiphersteller in Drittländern dürften eher noch zunehmen, auch in Europa ist eine Fabrik im Gespräch. Gründe sind Lieferprobleme, weshalb Regierungen lokale Produktionsstätten fördern und die Spannungen in der Taiwan-Straße.
Halbleiter kurbeln Exporte an
Die Vertreter des Fachverbands Semi gehen davon aus, dass der langfristige Aufwärtstrend des Chip-Sektors trotz temporärer Inventaranpassungen weiter anhalten wird. Die globalen Produktionskapazitäten sollen im laufenden Jahr um 8 Prozent ausgeweitet werden, für 2023 rechnet Semi mit einem weiteren Wachstum von 6 Prozent.
Für Taiwan sind das gute Nachrichten, denn Chips gelten als der zentrale Konjunkturmotor auf der Insel. Im 1. Halbjahr 2022 stiegen die Ausfuhren des Segments um fast 31 Prozent und hievten die gesamten Exporte um 19 Prozent nach oben. Mittlerweile zeichnen Halbleiter für knapp 38 Prozent der taiwanischen Ausfuhren verantwortlich.
Abhängigkeit bereitet Sorgen
Diese zunehmende Abhängigkeit von nur einer Produktgruppe bereitet lokalen Beobachtern aber auch Sorgen. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt der mit 23 Millionen ohnehin geringen Bevölkerung sind Fachkräfte zunehmend knapp. Gemäß des Arbeitsvermittlungsportals "104 Job Bank" stieg der Nachfrageüberhang nach Arbeitskräften im 1. Quartal 2022 um fast 40 Prozent.
Auch zahlen die Halbleiterfirmen hohe Löhne, nach der Elektronik- und Computerindustrie bekommen die Anstellten dort mit im Schnitt 1.823 US$ pro Monat die zweihöchsten Saläre auf der Insel. Dies lässt viele Arbeitnehmer aus anderen Sektoren in das lukrative Halbleitersegment abwandern. Dieser Trend wird sich fortsetzen, denn zahlreiche Branchenfirmen wie TSMC, UMC, Mediatec oder ASE haben zuletzt massive Rekrutierungsprogramme gestartet.