Wirtschaftsumfeld | Taiwan | FDI
Direktinvestitionen steigen auf 15-Jahreshoch
Taiwan bleibt als Standort für ausländische Firmen attraktiv. Nach hohen Investitionszuflüssen im vergangenen Jahr schwächt sich die Dynamik in den ersten Monaten 2023 jedoch ab.
25.05.2023
Von Alexander Hirschle | Taipei
Die ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) schossen in Taiwan 2022 wertmäßig um 78 Prozent in die Höhe. Die Investitionsbehörde (Investment Commission) hatte im vergangenen Jahr ausländische Projekte im Wert von 13,3 Milliarden US-Dollar (US$) genehmigt. Das ist das höchste Ergebnis seit 2008 und die dritthöchste jemals registrierte Summe.
Nach Angaben der Behörde war der hohe Zuwachs in erster Linie auf große Vorhaben im Bereich "grüne" Energien und insbesondere im Offshore-Windsektor zurückzuführen. Aber auch die Investitionen bei Dienstleistungen zogen deutlich an. Die Gesamtzahl der Vorhaben fiel im Gegenzug leicht um 5,3 Prozent auf 2.566 Projekte.
Das übergreifend gute Ergebnis der ausländischen Engagements im Jahr 2022 ist in Teilen darauf zurückzuführen, dass sich die taiwanische Wirtschaft in den vergangenen Jahren als sehr krisenresistent erwiesen hat. So stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) trotz der weltweiten Coronakrise zwischen 2020 und 2022 weiter an. 2021 verbuchte das Land mit einem Wachstum von mehr als 6 Prozent sogar ein Zehnjahreshoch.
Allerdings hat die Dynamik des Wirtschaftswachstums seit Herbst vergangenen Jahres stark nachgelassen. Zudem drehten die lokalen Ausfuhren ins Minus. Im ersten Quartal 2023 litten auch die Direktinvestitionen unter diesem Negativtrend: Die Zahl der Projekte ging gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um fast 5 Prozent zurück. Wertmäßig ließen die ausländischen Engagements sogar um knapp 8 Prozent nach.
Investitionen aus Japan und Europa schießen nach oben
Nach Ländern betrachtet schossen im Gesamtjahr 2022 vor allem die Engagements japanischer Firmen in Taiwan wertmäßig um 133 Prozent in die Höhe. Die Investitionen aus den USA gingen hingegen um mehr als 40 Prozent zurück. Auf der anderen Seite zogen die FDI aus Europa massiv um 212 Prozent auf 5,4 Milliarden US$ an. Dies entsprach rund 40 Prozent aller 2022 in Taiwan getätigten Investitionen. Der Wert der chinesischen Investitionen in Taiwan stieg 2022 um fast 67 Prozent auf 39 Millionen US$, während die Zahl der Projekte um 6 Prozent auf 46 Vorhaben fiel.
Die taiwanische Regierung versucht seit Jahren, die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen der sogenannten "New Southbound Policy" mit den Regionen Süd- und Südostasien sowie Ozeanien zu forcieren. Investitionen aus diesen Ländern erhöhten sich 2022 signifikant um 107 Prozent auf 2,1 Milliarden US$. Die umfangreichsten Summen kamen dabei aus Singapur, Thailand und Australien.
Taiwan will sich als "Digital Hub" positionieren
Die taiwanische Regierung will die Insel künftig verstärkt als Schaltzentrale der internationalen Lieferketten positionieren. Die Regierung plant, die Insel als globales Zentrum für die digitale Transformation auszubauen und hofft auf eine große Welle von Auslandsinvestitionen. Die Chancen stehen grundsätzlich nicht schlecht, dass internationale Firmen Taiwan verstärkt als Plattform für ihre Engagements wählen – vor allem auch vor dem Hintergrund des Handelskonflikts zwischen China und den USA. US-Firmen wie Qualcomm, Google, Microsoft oder Entegris haben in den vergangenen Jahren größere Engagements auf der Insel umgesetzt oder angekündigt.
Taiwan punktet vor allem im Elektronikbereich mit guten Standortfaktoren. Auf der Insel findet sich auf engstem Raum eine intensive Verflechtung zwischen Universitäten, renommierten Wissenschaftsparks mit vielen Start-ups und Privatfirmen. Aber auch Investoren aus anderen Sektoren können von niedrigen Betriebskosten, relativ moderaten Löhnen, gut ausgebildeten Beschäftigten sowie einer hervorragenden Infrastruktur profitieren. Darüber hinaus finden internationale Firmen in Taiwan eine relativ hohe Rechtssicherheit, Patentschutz sowie ein hohes Niveau an Sicherheit im Alltag vor.
Als Nachteil könnte sich die zunehmend angespannte Beziehung zu China erweisen. So rutschte Taiwan als Standort in der jüngsten Ausgabe des sogenannten Beri-Reports (US Business Environment Risk Intelligence) um acht Ränge auf Platz 14 ab. Das taiwanische Wirtschaftsministerium MOEA (Ministry of Economic Affairs) führte die schlechtere Platzierung auf die seit Herbst 2022 spürbaren politischen Spannungen zurück, so die lokalen Medien.
Aktivitäten deutscher Firmen bisher wenig beeinträchtigt
Das German Trade Office in Taipei (GTO; AHK Taiwan) führt seit September 2022 regelmäßig Umfragen unter deutschen Unternehmen in Taiwan durch, um die Auswirkungen der bilateralen Spannungen auf deren geschäftliche Aktivitäten zu analysieren. Dabei kristallisiert sich heraus, dass der Konflikt zwischen Taiwan und China vor allem in den Mutterhäusern wahrgenommen wird. "Konkrete Auswirkungen der bilateralen Spannungen auf die geschäftlichen Perspektiven deutscher Firmen in Taiwan oder deren Investitionsabsichten lassen sich allerdings nicht erkennen", so das Fazit von GTO-Geschäftsführer Axel Limberg.
EU größter Investor in Taiwan
In den vergangenen Jahren gab es seitens deutscher Firmen umfangreiche Aktivitäten vor allem in den Sektoren Offshore-Wind und Halbleiter. Allerdings sanken die Investitionen 2022 wertmäßig um 60 Prozent auf nur noch 100 Millionen US$. Die Zahl der Projekte ging um 30 Prozent auf 21 Vorhaben zurück. Deutschland hat seit 1952 kumuliert rund 4,5 Milliarden US$ in Taiwan investiert. Das entspricht 2,2 Prozent aller seither auf der Insel getätigten Direktinvestitionen.
Europäische Firmen zeichneten mit fast 68 Milliarden US$ sogar für ein Drittel aller Investitionen in Taiwan verantwortlich. Die größten einzelnen Herkunftsländer in den vergangenen 70 Jahren waren die Niederlande (Anteil: 18 Prozent), vor Japan (13 Prozent) und den USA (12 Prozent). Auf den weiteren Plätzen folgten das Vereinigte Königreich (6 Prozent), Hongkong und Singapur (jeweils 5 Prozent). Darüber hinaus entfielen auf die britischen Überseegebiete fast 20 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen auf der Insel.
Investoren | seit 1952 kumuliert | 2022 | Veränderung 2022/2021 |
---|---|---|---|
Britische Überseegebiete in der Karibik | 40.003 | 2.502 | 22,6 |
Niederlande | 37.454 | 903 | 21,3 |
Japan | 25.668 | 1.699 | 133,2 |
USA | 25.084 | 398 | -43,5 |
Großbritannien | 11.553 | 533 | 60,5 |
Hongkong | 9.309 | 365 | 18,8 |
Singapur | 9.229 | 486 | 16,0 |
Samoa | 6.508 | 409 | 10,8 |
Deutschland | 4.510 | 100 | -60,2 |
Australien | 3.992 | 1.143 | 1.021,9 |
Gesamt | 203.795 | 13.299 | 78,0 |