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Wirtschaft drängt die Regierung zu mehr Engagement
Für die Automobilnation Tschechien ist eine sichere Versorgung mit Mikroprozessoren enorm wichtig. Deshalb fordern Wirtschaftsverbände mehr Unterstützung für neue Werke im Land.
14.08.2023
Von Gerit Schulze | Prag
Auf die Fahrzeugbranche entfällt ein Fünftel der Exporte und der Industrieproduktion in Tschechien. Wenn dieser Wirtschaftszweig ins Stocken gerät, gefährdet das die Konjunktur. Das zeigte sich besonders drastisch 2021. Nach Angaben des Verbandes AutoSAP konnten damals wegen des Chipmangels rund 250.000 Autos in Tschechien nicht produziert werden. Damit seien der Branche Umsätze von 4,7 Milliarden Euro verloren gegangen.
Autoindustrie braucht Milliarden Chips pro Jahr
In einem modernen Auto stecken rund 1.500 Computerchips. Bei einer Jahresproduktion von derzeit 1,2 Millionen Fahrzeugen in Tschechien ergibt sich ein Milliardenmarkt. Entsprechend steigen die Importe von Halbleiterprodukten steil an.
Deutschland ist wichtiger Lieferant von Halbleitern
Auf Deutschland und die Niederlande entfällt über die Hälfte der Chipimporte. Durch die geplanten Fabriken von Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden dürfte die Bedeutung deutscher Chipfabriken für Tschechiens Industrie noch zunehmen.
Wegen der hohen Abhängigkeit der tschechischen Industrie von Halbleiterimporten drängen Wirtschaftsverbände die Politik in Prag dazu, aktiver die Produktion von Mikrochips zu unterstützen. "Für die Tschechische Republik eröffnet sich eine einzigartige Gelegenheit, sich den europäischen Halbleiterinitiativen anzuschließen", schrieb die Wirtschaftskammer (HK) im Mai 2023 in einer Erklärung zur Förderung der Halbleiterbranche. Die digitale Transformation bringe neue Anwendungsmöglichkeiten für Halbleiterprodukte mit sich, heißt es in dem Brief. Dazu zählten das autonome Fahren, das Internet der Dinge, Konnektivität über die mobilen Netze 5G und 6G, Quantencomputer, Weltraumtechnik und Sicherheitstechnologien.
Ausbildung von Fachkräften muss verbessert werden
Wenn Tschechien sich in die Wertschöpfungskette bei der Halbleiterfertigung eingliedere, könne das die Entwicklung anderer Industriezweige beschleunigen, betont die Wirtschaftskammer. Dafür seien aber weitere Schritte notwendig: der Ausbau von Forschung und Entwicklung sowie schnellere Kommerzialisierung der Forschungsergebnisse, die Verbesserung der technischen Ausbildung und Talenteförderung und die Unterstützung der branchenübergreifenden Kooperation und Austausch mit anderen europäischen Regionen.
Quelle: Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik (HK) 2023 |
Tschechiens Regierung hat das Thema auf dem Schirm. Das Ministerium für Industrie und Handel (MPO) bereitet derzeit eine Nationale Halbleiterstrategie vor, die im 1. Halbjahr 2024 vorgestellt werden soll. "Chips werden eine große Rolle bei den Veränderungen in der Automobilbranche spielen. Deshalb müssen wir uns gut vorbereiten", sagte Minister Jozef Síkela laut einer Mitteilung seines Hauses.
Síkela sieht im europäischen Chips Act viele Vorteile für Tschechien: Gewinnung von Forschungsmitteln, Aufbau eines Kompetenzzentrums, neue Investition in die Chipproduktion, Kooperation mit anderen europäischen Ländern beim Aufbau der Lieferketten.
Kooperationen mit Sachsen und Bayern
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit funktioniert schon: Südmähren ist als Zentrum der tschechischen Halbleiterindustrie Mitglied der Allianz europäischer Halbleiter-Regionen. Diese wurde im Frühjahr 2023 auf Initiative des Freistaats Sachsen ins Leben gerufen. Neben dem Silicon Saxony gehören die niederländische Provinz Nordbrabant, das belgische Flandern und Bayern dazu. Insgesamt hat die Allianz 13 Mitglieder.
Die Nähe zu Ostdeutschland könnte Tschechien bei seinen Halbleiterambitionen helfen. Intel baut in Magdeburg eine riesige Chipfabrik, und der taiwanesische Gigant TSMC investiert zusammen mit Bosch und anderen Partnern voraussichtlich 10 Milliarden Euro in Dresden. Für solche Werke könnten tschechische Unternehmen wichtige Zulieferer werden.