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Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik | US-Einfuhrzölle

Tschechien sucht Alternativen zum US-Markt

Tschechien treibt nur wenig direkten Handel mit den USA. Dennoch würde die Einführung hoher Zölle für EU-Waren die Volkswirtschaft schwächen.

Von Gerit Schulze | Prag

Mit einer Exportquote von 57 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist die Tschechische Republik stark vom internationalen Handel abhängig. Von höheren Zöllen und einer Eintrübung der Weltkonjunktur wären besonders Branchen betroffen, die eng in globale Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Denn viele tschechische Vorprodukte werden in deutschen Endprodukten verbaut, die anschießend in die USA exportiert werden.

Das gilt vor allem für Hersteller von Kfz-Teilen. Viele globale Original Equipment Manufacturers (OEM) betreiben zwischen Plzeň und Ostrava große Fabriken und wären von US-Zöllen auf europäische Pkw betroffen.

Nur wenige Waren gehen direkt in die USA

Über 80 Prozent der tschechischen Warenexporte gehen in die Europäische Union, knapp 30 Prozent allein nach Deutschland. Die USA sind als direkter Exportmarkt weniger bedeutend und machten 2024 nur 2,7 Prozent der Warenexporte aus.

Sollte US-Präsident Donald Trump tatsächlich hohe Strafzölle für EU-Produkte einführen, könnte das Wachstum des BIP in Tschechien 2025 um 0,6 bis 0,7 Prozentpunkte niedriger ausfallen, schätzt das Finanzministerium. Das würde eine Belastung für die Volkswirtschaft von etwas weniger als 3 Milliarden Euro bedeuten.

Für bestimmte Warengruppen sind die USA aber ein durchaus wichtiger Handelspartner, insbesondere für Produkte mit hoher Wertschöpfung. Zum Beispiel gehen 57 Prozent der Turbo-Strahl- und Propellertriebwerke allein in die USA.

Für diese tschechischen Produkte ist der US-Markt besonders wichtigWarengruppen mit hohem Anteil am Gesamtexport (2024)
Produkt

US-Anteil an den Gesamtexporten in %

Exportwert in Mio. Euro

Opiumalkaloide und deren Derivate

90

20

Teile von Turbo-Strahl- oder Propellertriebwerken

57

300

Revolver und Pistolen

45

48

Bagger und Schaufellader

40

280

Cellulosenitrate

40

31

Gasturbinen

38

38

Klein- und Ultraleichtflugzeuge

37

23

Elektronenmikroskope

21

280

Kunstdärme

20

83

Quelle: Eurostat 2025

Namhafte US-Konzerne haben in Tschechien eigene Produktionsstätten und beliefern von hier zum Teil auch ihren Heimatmarkt: Onsemi produziert Halbleiter, General Electric (GE) Flugzeugmotoren, Honeywell Steuerungselektronik, Johnson Controls Autobatterien, Thermo Fisher Elektronenmikroskope und Caterpillar Baumaschinen.

Trotz des verhältnismäßig kleinen Handelsvolumens mit den USA erzielt Tschechien erhebliche Überschüsse. Im Jahr 2024 betrug der Positivsaldo 3,1 Milliarden Euro. Das Plus entfällt vor allem auf Maschinen und Nachrichtentechnik.

Tschechien: Produkte mit dem höchsten Überschuss im US-HandelAngaben für 2024
Produkt (SITC-Warencode)

Exportüberschuss in Mio. Euro

Elektrische Maschinen (77)

604

Arbeitsmaschinen für besondere Zwecke (72)

425

Sonstige Maschinen wie Pumpen, Hebe- und Fördertechnik, Wälzlager (74)

370

Geräte für Nachrichtentechnik, Telekommunikation (76)

352

Kautschukwaren, darunter Reifen (62)

266

Mess-, Prüf- und Kontrollgeräte, darunter Mikroskope (87)

264

Verschiedene bearbeitete Waren, darunter Waffen und Munition (89)

250

Quelle: Eurostat 2025

Nach Trumps Zolldrohungen teilten einige tschechische Unternehmen mit, ihr Geschäftsmodell überdenken zu müssen. Der Hersteller von Elektronik und synthetischen Kristallen, Crytur aus Turnov, rechnet mit einem Rückgang der Exporte in die USA um ein Fünftel. Müslihersteller Emco, der glutenfreie Riegel an den Einzelhändler Walmart in den USA verkauft, müsste die Preise erhöhen und die Margen senken. Der Hersteller von Hochdruckzylindern, Cylinders Holding aus Ostrava, sorgt sich laut Medienberichten um die Reaktionen der lokalen Kunden in den USA. Das Unternehmen kündigte ebenfalls an, die Preise dort anheben zu müssen.

Wie wichtig der US-Markt für einzelne Firmen sein kann, zeigt 2N Telekomunikace aus Prag. Das Unternehmen stellt digitale Gegensprechanlagen her und hat gerade einen Großauftrag von Amazon an Land gezogen. Weltweit sollen die Tschechen alle Rechenzentren des Onlinehändlers mit ihrer Technologie ausstatten. Schon zuvor hatte 2N Telekomunikace Schulen im Bundesstaat New York mit Sicherheitstechnik beliefert.

Sorge vor wachsender Konkurrenz aus China

Zu den indirekten Auswirkungen der US-Zölle in Tschechien gehört die wachsende Konkurrenz durch chinesische Produkte. Sollten die USA als Absatzmarkt wegfallen, werden viele Hersteller aus dem Reich der Mitte ihre überschüssige Produktion in Europa anbieten. Darunter könnte die tschechische Automobilindustrie leiden, die ihre Fahrzeuge bislang vorrangig in der EU verkauft.

Auch Gegenzölle der EU auf Importe aus den USA könnten die tschechische Wirtschaft negativ belasten. Industrieminister Lukáš Vlček verweist unter anderem auf die LNG-Einfuhren, die inzwischen zu 80 Prozent aus den Vereinigten Staaten kommen. Auch bei Flugzeugkomponenten, Gasturbinen und Datenverarbeitungsmaschinen ist das Land stark von US-Produkten abhängig.

Unternehmen suchen neue Märkte in Asien und Afrika

Um den Auswirkungen der US-Zölle zu begegnen, diskutieren tschechische Unternehmen verschiedene Anpassungsstrategien. Dazu gehört die Diversifizierung der Exportmärkte Richtung Asien oder Südamerika. Diese Märkte sind jedoch herausfordernd für kleinere, kapitalschwache Firmen.

Roman Renda, Analyst bei der tschechischen Wirtschaftskammer HK ČR, sagte der Zeitung E15: "Die Einführung oder Ausweitung der US-Zölle wird die tschechischen Exporteure zwingen, sich nach neuen Märkten für ihre Produktion umzusehen." Er sieht Alternativen in Regionen wie Südostasien, Lateinamerika, im Nahen Osten und in Afrika. Dort wachse die Nachfrage nach Industrietechnologien, medizinischen Geräten und intelligenten Lösungen.

Zwar seien die Eintrittshürden auf solchen neuen Märkten hoch (Sprache, Rechtssystem, Zertifizierung, kulturelle Besonderheiten), dafür könnten höhere Margen erzielt werden, meint der Experte der Wirtschaftskammer. Tschechien sei in der Lage, Waren zu "vernünftigen" Preisen in hoher Qualität anzubieten.

Von der Regierung wünschen sich die Unternehmen dafür mehr Unterstützung. Dazu zählen Instrumente der Außenwirtschaftsförderung, die auch in Deutschland bekannt sind: organisierte Geschäftsanbahnungsreisen, Teilnahme an Messen und Exportversicherungen.

Einige Industriezweige wie Automotive und Elektronik, die unter der aktuellen Nachfrageschwäche leiden, wollen zum Teil auf Rüstungswirtschaft umschwenken. Auch der deutsche Markt bleibt im Fokus. Vor allem das geplante Sondervermögen Infrastruktur weckt bei tschechischen Unternehmen Hoffnungen auf neue Aufträge beim großen Nachbarn.

Mehr Investitionen in Nordamerika geplant

Und den US-Markt ganz aufgeben wird die tschechische Wirtschaft trotz der aktuellen Zolldrohungen ohnehin nicht. Dafür sei der Markt zu wichtig. Das bestätigte Otto Daněk, Vizevorsitzender des Verbands der Exporteure gegenüber Germany Trade & Invest: "Den US-Markt jetzt zu verlassen, halte ich für verfrüht."

Eine Reihe tschechischer Unternehmen erwägt eher das Gegenteil. Angesichts steigender Einfuhrzölle wollen sie Produktionsstätten in die USA verlagern oder ihre Standorte dort ausbauen.

Folgende tschechische Firmen erwägen den Bau von Produktionsstätten in den USA
Czechoslovak Group (CSG)Das Rüstungsunternehmen hatte 2024 einen der größten US-Hersteller von Kleinkalibermunition für 2 Mrd. Euro gekauft (The Kinetic Group). Künftig will CSG auch großkalibrige Munition direkt in den USA produzieren.
LinetHersteller von Krankenhausbetten, würde bei Einführung von hohen Zöllen nur noch einfache Vorprodukte in die USA liefern und die Komplettierung mit hoher Wertschöpfung vor Ort vornehmen.
WikovProduziert Industriegetriebe und Wasserturbinen; sucht Übernahmeziel in den USA als Eintrittskarte in den lokalen Markt.
BranoKfz-Zulieferer, u.a. für Tesla; will in angemieteter Fabrik im US-Bundesstaat Georgia produzieren.
PBS GroupTriebwerkshersteller, plant Produktionsstart in den USA und sucht geeigneten Standort.
Koh-i-noorKfz-Zulieferer, will Position in den USA stärken und dafür Unternehmen aufkaufen oder eigene Produktion eröffnen.
BednarHersteller von Landmaschinen, will Vertrieb in den USA stärken.
GZ MediaProduziert Schallplatten, macht ein Drittel seines Umsatzes in Nordamerika. Hat in den USA bereits zwei Presswerke und will die Produktion dort ausbauen.
Quelle: Presseberichte 2025; Unternehmensangaben 2025; Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

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