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Usbekistan will sich wieder in den Welthandel einklinken
Usbekistan liegt als alte Handelsnation an der Seidenstraße und will von der Globalisierung profitieren. Mit Reformen und Abkommen ebnet die Regierung neuen Geschäften den Weg.
06.07.2023
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Der Ruf Usbekistans als Wirtschaftsstandort hat sich rasant gewandelt. Der Republik im Herzen Zentralasiens ist es innerhalb weniger Jahre gelungen, ihre Wirtschaft stärker marktorientiert auszurichten und die Kooperation mit dem Ausland auf eine neue Stufe zu stellen. Usbekistan gilt heute als eines der reformfreudigsten Länder der Welt und hat gute Chancen, sich noch mehr als bisher in das internationale Wirtschaftsgeschehen einzubringen.
Eines der zentralen Elemente der Ende 2016/Anfang 2017 auf den Weg gebrachten Wirtschaftsreformen ist und bleibt eine umfassende Marktöffnung. Die usbekische Regierung betrachtet die Integration in die Weltwirtschaft als Voraussetzung für eine stabile und nachhaltige sozioökonomische Entwicklung. Der zunehmend liberalisierte Handel steht in starkem Kontrast zu dem mehr als zwei Jahrzehnte praktizierten Protektionismus. Massive Handelshemmnisse und ausgeprägte planwirtschaftliche Praktiken gehören der Vergangenheit an und belasten den Außenhandel nicht mehr.
Usbekistan setzt auf Globalisierung und Freihandel
Das Land an der Seidenstraße will sich wieder in den weltweiten Handel einklinken, indem es noch bestehende Barrieren für das internationale Geschäft abbaut sowie neue Handelsvereinbarungen und Produktionskooperationen mit dem Ausland abschließt. Nicht zuletzt bereitet Usbekistan intensiv den Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) vor.
Freihandelsabkommen mit acht Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sowie den beiden UdSSR-Nachfolgerepubliken Georgien und Turkmenistan ermöglichen zollfreie Lieferungen für einen Großteil der Warengruppen. Der Anteil dieser Staaten am jährlichen Ex- und Import Usbekistans beträgt jeweils etwa 30 bis 40 Prozent.
Das Freihandelsregime treibt auch den Ausbau regionaler Transportkorridore und die grenzüberschreitende Industriekooperation an. Am 8. Juni 2023 unterzeichneten die Regierungschefs der GUS-Staaten eine Vereinbarung über den Freihandel im Dienstleistungsgewerbe. Damit entfallen bisherige Beschränkungen in solchen Sektoren wie Bauwirtschaft, Transport, Finanzen, Gesundheit, Tourismus und Beratungswesen.
Die Regierung hat in jüngster Zeit beschlossen,
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Breit gefächerte Handelsbeziehungen statt Abhängigkeit
Mit rund 50 Ländern, darunter allen EU-Mitgliedsstaaten, bestehen Vereinbarungen über die Gewährung der Meistbegünstigung. Von bilateralen Meistbegünstigungsklauseln profitieren aktuell etwa ein Drittel der Ausfuhren und etwa die Hälfte der Importe Usbekistans. Der in den letzten Jahren gestiegene deutsch-usbekische Handel ist Ausdruck des bilateral vereinbarten Meistbegünstigungsprinzips. Die gegenseitigen Lieferungen legten nach usbekischen Angaben von rund 500 Millionen US-Dollar (US$; 2016) auf 1,2 Milliarden US$ (2022) zu. Auf Deutschland entfielen somit zuletzt 26 Prozent des Außenhandelsumsatzes Usbekistans mit allen Ländern der EU.
Der Abschluss von Freihandels- oder Meistbegünstigungsabkommen mit weiteren Ländern wird vorbereitet oder erwogen, darunter mit Südkorea, Singapur und Pakistan. Im März 2023 trat eine Vereinbarung über den Präferenzhandel zwischen Usbekistan und der Türkei in Kraft. Das Dokument erstreckt sich über zwölf usbekische Produktgruppen (vorwiegend landwirtschaftliche Güter) und zwölf türkische Produktgruppen (hauptsächlich Industrieerzeugnisse).
Chancen für mehr Handel mit der EU stehen gut
Usbekistan profitiert seit dem 10. April 2021 als Handelspartner der EU von besonderen Zollpräferenzen im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems Plus (APS+). Die vollständige Aussetzung von Zöllen für zwei Drittel der unter das APS+ fallenden Produktlinien ermöglicht dem Land, seine Exporte stärker zu differenzieren. Marktkenner halten es für möglich, dass die jährlichen Lieferungen unter dem Präferenzsystem auf bis zu 1 Milliarde US$ ausgeweitet werden können. Bis 2020 betrug das entsprechende jährliche Liefervolumen kaum mehr als 100 Millionen US$.
Neue Meilensteine für den geplanten Beitritt zur WTO
Der Beitritt Usbekistans zur Welthandelsorganisation rückt näher. Anfang Juni 2023 hat die Regierung einen neuen Aktionsplan für den Beitrittsprozess verabschiedet und die Kompetenzen der interministeriellen Kommission und der Verhandlungsgruppe für die Vorbereitungsarbeiten gestärkt. In den Fachministerien sollen spezielle Unterabteilungen und im Präsidialamt ein Vertreter für Fragen des WTO-Beitritts die Verhandlungsverfahren begleiten. Ab 1. Juli 2023 dürfen in Usbekistan keine Rechtsdokumente mehr erarbeitet werden, die nicht dem Regelwerk der WTO entsprechen.
Die Absicht Usbekistans, der WTO beizutreten, hat eine lange Historie. Das Land stellte bereits 1994 ein Beitrittsgesuch und hat noch in jenem Jahr eine Arbeitsgruppe für den Beitrittsprozess gegründet. Das Projekt wurde jedoch im Jahr 2005 eingefroren. Hauptgründe waren ausbleibende Reformen im Außenhandel und ein intransparentes Wechselkurssystem. Erst mit dem Reformstart gelangte das Thema wieder auf die wirtschaftspolitische Agenda. In der mittelfristigen Strategie für die sozioökonomische Entwicklung des Landes im Zeitraum 2022 bis 2026 genießen die Beitrittsverhandlungen hohe Priorität.
Kennziffer | 2022 | Zielmarke für 2030 |
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Bruttoinlandsprodukt (in Mrd. US$) | 80,4 | 160,0 |
BIP pro Einwohner (in US$) | 2.256 | 4.000 |
Exporte von Waren und Dienstleistungen (in Mrd. US$) | 19,3 | 45,0 |