Branche kompakt | Türkei | Kfz-Industrie
Branchenstruktur
Mit einem Fokus auf Elektromobilität will die Türkei ihre Wettbewerbsfähigkeit in der EU erhalten. Die Konkurrenz aus China um Kunden im In- und Ausland nimmt zu.
02.04.2024
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Die Kfz-Industrie in der Türkei ist in hohem Maße auf den Export ausgerichtet. Mehr als zwei Drittel der lokalen Produktion von Autos und leichten Nutzfahrzeugen sowie von Bussen gingen im Jahr 2023 in den Export (70 Prozent beziehungsweise 72 Prozent). Bei Lkw betrug dieser Anteil 41 Prozent. Der wichtigste Exportmarkt ist die EU, wobei Deutschland der größte Absatzmarkt für die Autohersteller in der Türkei ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Nachfrage nach Kfz in wichtigen Exportmärkten entwickeln wird. Eine eingetrübte Konjunktur in der EU oder Nordamerika könnte möglicherweise Auswirkungen auf die türkische Produktion haben. Zudem baut China seine Präsenz in der Türkei aus. Gleichzeitig hat sich der Wettbewerb der Türkei mit China um Kunden für Kfz und Kfz-Teile in der EU verschärft.
Produktion von Pkw floriert, Nutzfahrzeuge hingegen sinken
Die Produktion von Pkw stieg im Jahr 2023 um 18 Prozent auf 952.667 Stück. Die Herstellung von Nutzfahrzeugen ging hingegen um 5 Prozent auf 515.726 Stück zurück. Dies meldet der türkische Verband der Automobilindustrie OSD (Otomotiv Sanayi Dernegi).
Die Kapazitätsauslastung in der Automobilindustrie lag im Jahr 2023 bei etwa 74 Prozent (2022: 70 Prozent). Dabei erreichte sie bei schweren Lastwagen mit 91 Prozent den höchsten Wert, während sie bei Bussen im Midi-Segment mit 54 Prozent am niedrigsten war. Für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge betrug die Auslastung exakt den errechneten Durchschnittswert von 74 Prozent, während sie bei Zugmaschinen bei 75 Prozent lag.
Typ | 2021 | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|---|---|
Pkw | 782.835 | 810.889 | 952.667 | 17,5 |
Nfz | 493.305 | 541.759 | 515.726 | -4,8 |
Minibusse | 46.870 | 46.897 | 50.941 | 8,6 |
Midibusse | 2.216 | 3.335 | 4.664 | 39,9 |
Busse | 5.567 | 8.346 | 10.862 | 30,1 |
Kleintransporter, Pick-ups | 400.078 | 436.611 | 397.015 | -9,1 |
Lkw bis 12 t | 3.922 | 5.026 | 5.432 | 8,1 |
Lkw über 12 t | 34.652 | 41.544 | 46.812 | 12,7 |
Insgesamt | 1.276.140 | 1.352.648 | 1.468.393 | 8,6 |
Wichtiger Produktionsstandort für die Automobilindustrie
In den vergangenen beiden Jahrzehnten haben sich viele internationale Kfz-Hersteller in der Türkei angesiedelt. Jährlich werden rund 1 Million Fahrzeuge gefertigt. Gleichzeitig ist eine diversifizierte Zulieferindustrie entstanden. Für die deutsche Automobilindustrie ist die Türkei ein wichtiger Beschaffungsmarkt. Dazu tragen die Nähe zur EU mit kurzen Lieferzeiten, die Fähigkeit zu schnellen Produktionsanpassungen und die gut aufgestellte Produktion maßgeblich bei. In der Türkei fertigen große deutsche Unternehmen, darunter Mercedes-Benz, MAN und Bosch sowie internationale Autobauer wie Ford, Fiat, Hyundai, Renault und Toyota.
In der Türkei produzieren Branchenschätzungen zufolge fast 300 Zulieferunternehmen, die meisten davon im Nordwesten des Landes. Zu den bedeutenden Herstellern zählen unter anderem Autoliv, Beycelik Gestamp, Bosch, Brisa, CMS, Delphi, Federal Mogul, Good Year, Maxion Inci, Petlas und Pirelli.
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Batteriefabrik, Autoproduktion und Ersatzteilwerk von Skywell | 1.600 *) | In Planung | Elektro-Fahrzeugproduktion von 150.000 Stück/Jahr |
Ege Endüstri | 50 | In Planung | Ersatzteile für konventionelle und Elektro-Nutzfahrzeuge |
Exporte legen kräftig zu
Die Exporte von Pkw und von Kfz-Teilen verzeichneten laut OSD im Jahr 2023 jeweils einen Anstieg um 16 Prozent. Im Gegensatz dazu entwickelten sich die Ausfuhren von Nutzfahrzeugen rückläufig mit einem Minus von 11 Prozent.
Typ | 2021 | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|---|---|
Pkw | 565.370 | 571.218 | 663.090 | 16,1 |
Nfz | 371.645 | 398.906 | 355.157 | -11,0 |
Minibusse | 37.741 | 36.016 | 31.421 | -12,8 |
Midibusse | 987 | 1.040 | 1.671 | 60,7 |
Busse | 4.750 | 6.579 | 9.447 | 43,6 |
Kleintransporter, | 310.874 | 355.148 | 291.052 | -13,2 |
Lkw | 17.293 | 20.123 | 21.566 | 7,2 |
Insgesamt | 937.015 | 970.124 | 1.018.247 | 5 |
Warengruppe | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|---|
Reifen | 1.767 | 1.725 | -2,4 |
Sicherheitsglas | 234 | 263 | 12,2 |
Motoren | 233 | 254 | 8,8 |
Batterien | 548 | 483 | -11,9 |
Sonstige Teile und Komponenten | 10.045 | 11.362 | 13,1 |
Kfz-Teile insgesamt | 18.673 | 21.612 | 15,7 |
Der Fachverband der türkischen Zulieferindustrie Taysad gibt keine Informationen über den Wert der Inlandsproduktion oder die Fertigungskapazitäten preis. Die Branche ist stark von Exporten abhängig, daher könnten die Entwicklungen bei den Exporten von Fahrzeugteilen Hinweise auf die Produktionslage bieten.
Anstieg bei deutschen Kfz-Teile-Lieferungen
Die Kfz-Industrie in der Türkei ist stark in internationale Lieferketten eingebunden, sowohl in Bezug auf die Exporte als auch die Importe. Deutschland ist ein wichtiges Lieferland. Laut dem türkischen Statistikamt TÜIK (Türkiye İstatistik Kurumu) stieg die Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile und -Komponenten im Jahr 2023 um 17 Prozent auf 11,9 Milliarden US-Dollar (US$) an. Die deutschen Lieferungen verzeichneten einen Anstieg um 16 Prozent auf 2,2 Milliarden US$.
| 2023 | Veränderung 2023/2022 | aus Deutschland 2023 | aus Deutschland Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|---|---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 734,2 | 16,9 | 46,4 | 7,7 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 6.886,7 | 17,2 | 1.524,7 | 15,6 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 507,4 | 32,2 | 5,4 | 10,2 |
SITC 713.2 Motoren | 3.817,9 | 14,7 | 605,2 | 18,6 |
Summe | 11.946,2 | 16,9 | 2.181,7 | 16,2 |
China ist der große Konkurrent der Türkei in der EU
In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 konnte die Türkei zwar stärker zulegen als China, blieb dennoch deutlich zurück: Die EU-Importe von Kfz und Kfz-Teilen aus China stiegen um 13 Prozent auf 19 Milliarden Euro, während die aus der Türkei um 64 Prozent auf 14 Milliarden Euro anwuchsen. Informationen zu den Marktanteilen im Jahr 2023 liegen noch nicht vor. Während die Türkei zwischen 2018 und 2022 kontinuierlich Marktanteile an den Importen der EU-27 aus Drittländern verlor (Marktanteil 2018: 17 Prozent, 2022: 14 Prozent), hat China seine Marktanteile mehr als verdoppelt (2018: 8 Prozent; 2022: 20 Prozent). Im Jahr 2022 war China mit einem Warenwert von knapp 24 Milliarden Euro laut Eurostat der mit Abstand größte Lieferant von Kfz- und Kfz-Teilen in die EU, während die Türkei auf dem zweiten Platz mit 16 Milliarden Euro rangierte.
...und chinesische Automarken bauen ihre Präsenz in der Türkei aus
China hat sich nicht nur auf den Auslandsmärkten zu einem bedeutenden Konkurrenten entwickelt, sondern gewinnt auch im Inland Marktanteile. Mit dem Markteintritt des Elektroautoherstellers BYD im Jahr 2023 stieg die Anzahl der chinesischen Automarken in der Türkei auf neun (BYD, Chery, DFSK, Honggi, Leapmotor, MG, Seres, Skywell, Voyah). Die umsatzstärkste chinesische Marke ist Chery. Laut Medienberichten planen chinesische Marken Investitionen in Batterie- und Autowerke sowie Fertigungsanlagen für Kfz-Teile in der Türkei. Ein entscheidender Faktor bei der Wahl des Standorts Türkei dürfte für die chinesischen Investoren der Zugang zum europäischen Markt sein.