Special | Türkei | LkSG | Umsetzungshilfe Risikoanalyse
Anforderungen des LkSG und Auswirkungen auf Unternehmen
Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Türkei unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
15.09.2023
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. In den Anwendungsbereich fallen Unternehmen ab 3.000 Arbeitnehmern. Für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern gilt das Gesetz ab dem 1. Januar 2024.
Mit dem LkSG werden die Unternehmen verpflichtet, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Der gesetzliche Sorgfaltspflichtenkatalog umfasst dabei folgende Elemente:
- Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse
- Abgabe einer Grundsatzerklärung
- Verankerung von Präventionsmaßnahmen
- Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen
- Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
- Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bietet in Fragen und Antworten zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz weiterführende Informationen.
Grundsätzlich sollen auch Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte übernehmen. Bereits seit 2016 gilt der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), der entsprechende Erwartungen an alle in Deutschland ansässigen Unternehmen formuliert. Das LkSG orientiert sich weitgehend an den Sorgfaltsvorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die zwar nicht den gesetzlichen Sorgfaltspflichten des LkSG unterliegen, können trotzdem mit den Anforderungen des Gesetzes in Berührung kommen. Dies ist dann der Fall, wenn ein KMU als Zulieferer von Waren und Dienstleistungen für ein anderes Unternehmen fungiert, das wiederum den LkSG-Pflichten unterliegt. Das KMU gilt dann als unmittelbarer Zulieferer. Unmittelbare Zulieferer, bei denen ein Risiko vermutet wird, müssen von dem verpflichteten Unternehmen in seine konkrete Risikoanalyse und gegebenenfalls in Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie in die Einrichtung seines Beschwerdeverfahrens einbezogen werden.
Die Handreichung des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern bietet KMU eine Hilfestellung, die mit den Anforderungen des LkSG konfrontiert werden.
Am 24. Februar 2022 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten vorgelegt, der teilweise über das deutsche LkSG hinausgeht. Am 1. Dezember 2022 der Rat der EU seine Verhandlungsposition (allgemeine Ausrichtung) zur Richtlinie festgelegt. Am 1. Juni 2023 hat das EU-Parlament seine Position beschlossen (Parlamentsentwurf). Derzeit laufen nun die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen den drei Institutionen über die finale Version der Richtlinie.
Im Rahmen der deutschen Außenwirtschaftsförderinstrumente nimmt die Berücksichtigung von Menschenrechten einen hohen Stellenwert ein. Bei der Vergabe von Investitions- und Exportkreditgarantien werden menschenrechtliche Aspekte entsprechend nationaler und internationaler Regelwerke geprüft. Künftig werden keine neuen Bundesdeckungen mehr für Exporteure übernommen, die solch schwerwiegende Verstöße gegen das LkSG begangen haben, dass sie von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen sind (§ 22 LkSG).
Das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert als zuständige Prüfbehörde, ob die betroffenen Unternehmen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten angemessen erfüllen.
Zu den konkreten Aufgaben gehören:
- zu überprüfen, ob Unternehmen ihrer Berichtspflicht nachkommen
- die Durchführung von Kontrollen
- Verstöße festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern
- die Verhängung von Zwangs- und Bußgeldern
Auswirkungen des LkSG auf Handels- und Investitionstätigkeiten deutscher Unternehmen in Bezug auf die Türkei
Unternehmen sind verpflichtet, im Rahmen des Risikomanagements eine Risikoanalyse zur Ermittlung der entsprechenden Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie beim unmittelbaren Zulieferer (sogenannte regelmäßige Risikoanalyse) und in bestimmten Fällen auch beim mittelbaren Zulieferer (sogenannte anlassbezogene Risikoanalyse) zu ermitteln. Der eigene Geschäftsbereich umfasst dabei jede Tätigkeit zur Herstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen, unabhängig davon, ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wird. Insofern sind die weltweiten Tätigkeiten in sämtlichen Betriebsstätten, Fabriken, Lagern und Büros zu betrachten. Auch bei konzernangehörigen Unternehmen kann der Geschäftsbereich des Tochterunternehmens unter bestimmten Voraussetzungen zum Geschäftsbereich des Mutterunternehmens gehören (vgl. § 2 Abs. 6 LkSG).
Zur (anlassbezogenen) Risikoanalyse und Prävention in der gesamten Lieferkette, also auch bei mittelbaren Zulieferern (mit denen keine Vertragsbeziehung besteht), sind Unternehmen nur dann verpflichtet, wenn sie substantiierte Kenntnis über mögliche Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette haben. Diese besteht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Pflicht möglich erscheinen lassen. Tatsächliche Anhaltspunkte sind zum Beispiel Medienberichte, Beschwerden, Vorfälle in der Vergangenheit, Zugehörigkeit eines mittelbaren Zulieferers zu einer besonders risikobehafteten Branche etc.
Insbesondere globale Lieferketten bestehen oft aus einer Vielzahl von mittelbaren Zulieferern, die zudem häufig in Entwicklungs- und Schwellenländern ansässig sind. Hier kann es sich anbieten, entsprechende Teile der Lieferkette bereits in die jährliche Risikoanalyse zu integrieren.
Gute Arbeitsbedingungen sind in der Türkei in hochproduktiven und international ausgerichteten, großen Unternehmen weithin Standard, aber außerhalb dieser Gruppe längst nicht in allen Unternehmen. Viele Unternehmen in der Türkei sind vor allem im informellen Sektor aktiv. Hier dürften die Risiken bei der Einhaltung von Standards deutlich höher sein, als bei Unternehmen, die bereits jetzt eng in internationale Lieferketten eingebunden sind. Ein nicht unerheblicher Teil der Beschäftigten in der Türkei arbeitet ohne ausreichenden Zugang zu grundlegenden Arbeitnehmerrechten, ohne soziale Sicherung, zum Mindestlohn oder auch unter dem Mindestlohn. Armut und Abhängigkeiten begünstigen Ausbeutung.
Stärker anfällig für Missstände im Sinne des hier betrachteten § 2 Abs. 2 Nr. 1-8 LkSG dürften insbesondere die Landwirtschaft (Ernte und einfache Verarbeitung), in weiten Teilen einfache Dienstleistungen (Gastronomie, Logistik, Einzelhandel), Bereiche der Textilwirtschaft und Lederverarbeitung sowie arbeitsintensive Produktionen mit Schwerpunkten in der Rohstoffgewinnung sein. Einzelne Fälle werden auch aus der Abfallverwertung wie der Aufbereitung von Kunststoffabfällen berichtet. In Bezug auf Arbeits- und Gesundheitsschutz gelten Berg- und Schiffsbau, die Metallindustrie sowie die Baubranche als besonders gefährdet.
Die türkische Regierung nimmt ihre Verantwortung ernst, es gibt im Wesentlichen die notwendigen Regelungen, jedoch sind die Kapazitäten zur Durchsetzung, etwa in Form nicht angekündigter Inspektionen, begrenzt.
Die Lieferbeziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind rege. Die Türkei verfügt über eine breit aufgestellte Industriebasis und die Einbindung des Landes in internationale Lieferketten ist hoch. Durch die geographische Nähe zur EU ist die Türkei für deutsche Unternehmen ein wichtiger Beschaffungsmarkt und Produktionsstandort. Dies hat sich durch Bestrebungen im Nearshoring infolge der Coronapandemie noch verstärkt. Zudem besteht zwischen der Türkei und der EU eine Zollunion. Deutschland ist wertmäßig der größte Abnehmer türkischer Produkte weltweit.
Zahlreiche deutsche Unternehmen haben in der Türkei einen Produktionsstandort aufgebaut. Die türkische Statistik registriert über 7.900 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung, die zusammen mehr als 70.000 Menschen beschäftigen. Darunter neben großen Unternehmen wie Siemens, Bosch oder Hugo Boss auch viele Mittelständler. Die produzierenden deutschen Unternehmen sind in der Regel auf den Export ausgerichtet. Viele liefern ihre Erzeugnisse in die EU, auch nach Deutschland.
Deutsche Unternehmen, die enge Beziehungen zu Lieferanten aus der Türkei pflegen oder eigene Niederlassungen in der Türkei haben, sind nach hiesiger Erkenntnis sorgfältig. Arbeitsbedingungen und Entgelte sind in diesen Unternehmen im lokalen Vergleich gemeinhin überdurchschnittlich. Angesichts komplexer Lieferketten ist jedoch nicht auszuschließen, dass auch bei Zulieferbetrieben von deutschen Unternehmen, besonders bei mittelbaren, Menschenrechtsverletzungen vorkommen.
Das Handelsvolumen von Deutschland und der Türkei betrug 2022 rund 52 Milliarden Euro. Deutschland importiert vor allem halbfertige und fertige Erzeugnisse.
Produkt | 2022 (Anteil in Prozent) |
---|---|
Textilien/Bekleidung | 24,3 |
Kfz und -Teile | 16,4 |
Maschinen | 11,9 |
Nahrungsmittel | 6,6 |
Elektrotechnik | 5,4 |
Metallwaren | 6,0 |
Chemische Erzeugnisse | 4,2 |
NE-Metalle | 4,7 |
Kautschukerzeugnisse | 2,8 |
Möbel und -teile | 2,4 |
Sonstige | 15,3 |
Die nachfolgende Tabelle zeigt den Import von Produkten, die deutsche Unternehmen aus der Türkei beziehen, die mit einem Risiko eines Verstoßes gegen einen oder mehrere der in § 2 Abs. 2 Nr. 1-8 LkSG aufgeführten Verbotstatbestände behaftet sein können: Kinderarbeitsverbot, Verbot der schlimmsten Formen von Kinderarbeit, Verbot von Zwangsarbeit, Verbot aller Formen von Sklaverei, Verbot der Missachtung von Arbeitsschutz, Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit, Verbot der Ungleichbehandlung in Beschäftigung, Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns.
Produktgruppe | Produkt | 2022 (in Millionen US$) |
---|---|---|
Nahrungsmittel | Gemüse und Früchte | 1.326 |
davon Haselnüsse | 282 | |
Rohstoffe | Metallurgische Erzeugnisse und Metallabfälle | 132 |
Spinnstoffe und ihre Abfälle (Baumwolle etc.) | 104 | |
Bor | 139 | |
Kork und Holz | 31 | |
Textilien/Bekleidung | Bekleidung und Bekleidungszubehör | 5.009 |
Garne, Gewebe, fertiggestellte Spinnstofferzeugnisse (Bettwäsche, Handtücher etc.) | 1.297 | |
Schuhe | 127 | |
Bearbeitete Waren | Eisen und Stahl | 490 |
NE-Metalle | 1.218 | |
Metallwaren, a.n.g. | 1.554 | |
Kautschukwaren | 729 | |
Leder, Lederwaren | 23 |