Wirtschaftsumfeld | Türkei | Investitionsklima
Das türkische Investitionsklima verliert an Strahlkraft
Die Attraktivität des Standorts lässt nach: Innenpolitische Spannungen, wirtschaftliche Unsicherheiten und steigende Lohnkosten belasten das Investitionsklima.
16.04.2025
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Die Türkei bietet gute Voraussetzungen als Produktionsstandort. Zahlreiche deutsche Unternehmen haben sich in der Türkei angesiedelt. Neue Investitionen kommen jedoch seit geraumer Zeit nur zögerlich ins Land. Häufig werden wirtschaftliche und politische Unsicherheiten als Investitionshindernisse genannt.
Innenpolitische Spannungen gehören seit Langem zu den Schwächen des Standorts Türkei. Im März 2025 haben sie sich durch die Inhaftierung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu verschärft. Auch die Unberechenbarkeit politischer Entscheidungen bleibt ein Risiko. Quasi über Nacht können sich die Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit ändern – wie etwa 2022, als die türkische Zentralbank beschloss, dass Unternehmen 40 Prozent ihrer Exporterlöse in Euro und US-Dollar in türkische Lira umtauschen müssen. Der nach der Wiederwahl Präsident Erdoğans im Juni 2023 ernannte Finanzminister Mehmet Şimşek hat sich einer verlässlichen Geldpolitik verschrieben – auch, um Investoren zurückzugewinnen.
Gestiegene Arbeitskosten fordern die Geschäftstätigkeit
Unabhängig davon steht die Türkei vor einer weiteren Herausforderung: Steigende Lohnkosten schwächen die Wettbewerbsfähigkeit. Der Mindestlohn liegt inzwischen über dem Niveau in Bulgarien und nähert sich dem Rumäniens an. Infolge der hohen Inflation wurde er mehrfach kräftig erhöht. Auf Eurobasis konnten die Lohnsteigerungen zunächst durch Abwertungen der türkischen Lira ausgeglichen werden – teils sanken die Löhne für ausländische Unternehmen sogar. Seit 2023 ist das jedoch anders: Die Löhne sind auch in Euro gerechnet deutlich gestiegen. Der aktuell gültige Mindestlohn beträgt umgerechnet rund 660 Euro (Stand: 3. April 2025) und hat sich damit gegenüber den rund 289 Euro im Jahr 2022 mehr als verdoppelt.
Herbst-Umfrage: Geschäftslage solide, Investitionsbereitschaft begrenzt
Die Deutsch-Türkische Handelskammer (AHK) hat im Herbst 2024 zuletzt ihre regelmäßige Umfrage unter Vertretern von Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in der Türkei durchgeführt. Angesichts der aktuellen innenpolitischen Lage würde das Stimmungsbild heute womöglich anders ausfallen. Zum Zeitpunkt der Erhebung war die Unternehmerschaft überwiegend vorsichtig optimistisch. Die Hälfte der befragten Firmen beurteilte ihre Geschäftslage trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen als gut.
Als größte Risiken für die Geschäftsentwicklung nannten die Unternehmen den Wechselkurs, die regulatorischen Rahmenbedingungen und die Arbeitskosten. Ein Viertel der Firmen plante höhere Investitionen – ebenso viele geringere, und nur 13 Prozent gaben an, keine Investitionen zu beabsichtigen.
Traditionsreiche Investitionen aus Deutschland
Deutschland gehört regelmäßig zu den wichtigsten Herkunftsländern ausländischer Investitionen in die Türkei. Laut dem Handelsministerium kamen in den ersten drei Quartalen 2024 die größten Kapitalzuflüsse aus den Niederlanden, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Deutschland, Frankreich und Katar. Mit 58 Prozent floss der Großteil der Investitionen in den Dienstleistungssektor, gefolgt von der Industrie mit 30 Prozent.
Laut türkischer Statistik sind heute über 8.000 deutsche Unternehmen in der Türkei aktiv. Insbesondere kleine und mittlere (KMU), aber auch große Konzerne, erschließen den türkischen Markt gemeinsam mit einem einheimischen Partner. Für KMU bietet die Türkei ein attraktives Unternehmensumfeld: Wie in Deutschland zählt der weitaus größte Teil der Firmen zu dieser Kategorie, sodass zahlreiche potenzielle Partner auf Augenhöhe zur Verfügung stehen.
Unternehmen | Branche | Standorte |
---|---|---|
Bosch | Automobilzulieferer, Elektronik | Bursa, Manisa, Istanbul, u.a. |
Mercedes-Benz Türk | Nutzfahrzeuge | Lkw- und Busproduktion; Aksaray, Istanbul |
MAN Türkiye | Nutzfahrzeuge | Busproduktion; Ankara |
Siemens | Industrie, Energie, Medizintechnik | Istanbul, Gebze, u.a. |
Bayer | Pharma, Agrarwirtschaft | Istanbul, Gebze, u.a. |
Investitionsförderung: Ausländische Investitionen werden gleichgestellt
Investoren aus dem Ausland benötigen keine besondere Genehmigung und unterliegen denselben Gründungs- und Förderregeln wie einheimische Unternehmen.
Die Türkei unterstützt Investitionsprojekte unter anderem durch Steuervergünstigungen, Zollbefreiungen, Sozialversicherungs- und Investitionszuschüsse. Die Förderhöhe richtet sich nach Region, Branche und Projektart – besonders gefördert sind technologieorientierte oder großvolumige Vorhaben. Investitionen in Freihandelszonen und organisierte Industriegebiete bieten zusätzliche steuerliche Erleichterungen und Infrastrukturvorteile. Einen Überblick über die Fördermaßnahmen bietet der Investitionsleitfaden der türkischen Investitionsbehörde. Investitionsvorhaben werden von der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer in Zusammenarbeit mit den türkischen staatlichen Investitionsagenturen unterstützt.
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.