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Deutsche Kfz-Zulieferer setzen weiter auf Tunesien

Tunesien bleibt ein attraktiver Standort für Automobilzulieferer. Deutsche Unternehmen erweitern nicht nur ihre Werke, sondern investieren auch in IT und Entwicklung vor Ort. 

Von Verena Matschoß | Tunis

Obwohl in Tunesien kaum Autos produziert werden, ist das Land für Kfz-Hersteller ein wichtiger Stein im globalen Lieferkettenmosaik. Die Zulieferer fertigen vor allem für den Bedarf der europäischen Automobilindustrie. Dabei handelt es sich vor allem um Bordelektronik, Karosserie- und Motorteile, Cockpitelemente und Sitze. Vor allem ist Tunesien aber für Deutschland, nach Rumänien, das wichtigste Herkunftsland von Kabelsätzen. Auf dem afrikanischen Kontinent ist das Land der mit Abstand größte Lieferant von Zulieferteilen für die deutsche Automobilindustrie.  

DRÄXLMAIER blickt beispielsweise auf eine lange Geschichte in Tunesien zurück. Denn seinen ersten Standort außerhalb Deutschlands hat der Produzent von Kabelsätzen 1974 in Sousse, der drittgrößten Stadt Tunesiens, eröffnet. Seitdem hat sich das Unternehmen ständig erweitert und schließlich im März 2023 sein fünftes Produktionswerk in Jemmal im Gouvernorat Monastir in Betrieb genommen. 

DRÄXLMAIER und Marquardt expandieren

Und die Pläne gehen weiter: Neben der Produktion gründet DRÄXLMAIER einen neuen Entwicklungs-, Forschungs- und IT-Standort in Sousse. Im sogenannten "Sousse-Hub" sollen ab Anfang 2025 über 1.000 Fachkräfte beschäftigt werden. Die Grundsteinlegung für das Hub fand im März 2023 statt. In Tunesien betreibt die DRÄXLMAIER Gruppe bereits vier Excellence Center mit den Schwerpunkten IT, Design, Software Engineering und Technisches Produktmanagement. 

Auch Marquardt, ein deutscher Hersteller von mechatronischen Schalt- und Bediensystemen, ist bereits seit Jahrzehnten in Tunesien aktiv. In den 1990er-Jahren nutzte das Unternehmen den Standort vor allem zur Lohnveredelung. Mit ihrem neuen Geschäftsführer, Noureddine Yakoubi, kam immer mehr Wertschöpfungstiefe in das tunesische Werk.

Heute stellt Marquardt im Westen von Tunis Schalter und Sensoren für den Industriebedarf her. Deutsche Premiumautomarken werden von Tunis aus mit Bedienelementen für den Fahrzeuginnenraum beliefert. Im Mai 2023 startete der Bau eines zweiten Werks im Industriegebiet Neopark El Fejja in Mornaguia im Süden von Tunis. Im April 2024 soll das 32.000 Quadratmeter große Werksgebäude stehen. Yakoubi schätzt, dass dadurch über 1.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Investitionen liegen bei etwa 60 Millionen Euro.

Fachkräfte sind verfügbar

Deutsche Unternehmen entscheiden sich vor allem wegen der geografischen Nähe zur EU, den attraktiven Produktionskosten und der Verfügbarkeit von Arbeitskräften für den Standort Tunesien. Yakoubi lobt zudem die gut ausgebildeten Ingenieure.

Steffen Jürgens, Länderchef von DRÄXLMAIER für Tunesien, berichtet aber auch von Problemen: "Die Anforderungen an Fachkräfte im Automobilsektor steigen ständig. Hier kommen die tunesischen Hochschulen alleine nicht mehr hinterher". Sowohl DRÄXLMAIER als auch Marquardt bieten deshalb in Kooperation mit der technischen Hochschule in Sousse eine duale Ausbildung an. Entscheidend sei es dann wiederum, die Fachkräfte langfristig an das Unternehmen zu binden.

Deutsche Kfz-Zulieferer in Tunesien

Unternehmen

Produktgruppe

Mitarbeiterzahl

Standorte (Gouvernorat)

Leoni Wiring Systems

Kabelbäume

23.000

Sousse, Bizerte, Monastir

Dräxlmaier

Kabelbäume, Innendesignelemente

10.000

Fünf Werke in den Gouvernoraten Sousse, Siliana, Monastir und Mahdia; Entwicklungs-, Forschungs- und Informationstechnologie-Zentrum entsteht in Sousse

Kromberg & Schubert 

Kabelbäume

ca. 4.000

Produktionswerk in Béja, Forschungs- und Entwicklungseinheit am Parc El Ghazala (Ariana)

Kaschke Components

induktive Bauteile 

2.200

Nabeul, Zaghouan

Marquardt Automotive

elektronische Komponenten

2.000

Tunis, neue Fabrik im Gouvernorat Manouba im Bau

Quelle: Tunesische Investitionsagentur FIPA 2023, GTAI-Recherchen

Hafen von Radès ist ein Flaschenhals

Ein weiteres Problem ist die Logistik und Infrastruktur im Land. Denn die Kabelsätze werden über den Hafen von Radès nach Europa verschifft. Dieser liegt in der Nähe von Tunis, hat allerdings schon lange seine Kapazitätsgrenze erreicht. Es kommt zu langen Wartezeiten bei der Containerabfertigung. Zudem ist die Energie- und Wasserversorgung vor allem an ländlicheren Standorten unzuverlässig. Und auch das politische und wirtschaftliche Umfeld ist schwieriger geworden. All dies sind Gründe, warum sich laut Yakoubi immer weniger neue Investoren für Tunesien entscheiden. Die, die bereits hier sind, hielten aber am Standort fest

Marquardt und DRÄXLMAIER sind daher auch nicht die einzigen deutschen Zulieferer mit Projektvorhaben. Der Hersteller von Kabelsätzen, Kromberg & Schubert, hat ebenfalls angekündigt, sein Werk im nordtunesischen Béja um 14.000 Quadratmeter zu erweitern. Nach Angaben des Generaldirektors Wissem Badri werden so 2.500 neue Arbeitsplätze geschaffen. LEONI ist bereits seit Ende der 1970er Jahre im Land und gilt inzwischen als größter privater Arbeitgeber Tunesiens, mit mehr als 20.000 Mitarbeitenden an vier Standorten.

Importe aus Tunesien legen zu

Die Kfz-Zulieferindustrie ist die wichtigste Branche des deutschen Engagements in Tunesien. Die Werke in Tunesien fertigen vor allem für den Bedarf der Automobilhersteller in Europa. Wichtigstes Exportprodukt sind dabei Zündkabelsätze. Im Jahr 2022 haben deutsche Unternehmen Kabelbäume im Wert von über 650 Millionen Euro aus Tunesien importiert. Kfz-Teile sind die mit Abstand wichtigste Produktgruppe im deutsch-tunesischen Handel. 

Deutsche Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile aus Tunesien (in Millionen Euro, Veränderung in Prozent)

2019

2020

2021

2022

Veränderung 2022/2021

SITC 778.3 Kfz-Elektrik

11,8

9,4

13,3

16,0

20,2

SITC 784 Fahrgestelle, Karosserien, Stoßstangen etc.

49,4

42,2

55,4

73,6

32,8

SITC 773.13 Zündkabelsätze

520,4

438,6

522,6

659,2

26,1

Summe

581,6

490,2

591,4

748,9

26,6

Quelle: Eurostat 2023

Schätzungsweise 280 Kfz-Zulieferer sind in Tunesien aktiv, über 60 Prozent davon mit ausländischer Beteiligung. Neben deutschen Firmen investieren vor allem Unternehmen aus Frankreich und Italien in dem nordafrikanischen Land. Der Sektor konzentriert sich an den Küstenregionen zwischen Sousse und Bizerte. Insgesamt beschäftigen die Autozulieferer rund 90.000 Personen.

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