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Wirtschaftsausblick | Tunesien

Tunesische Wirtschaft wächst auch 2025 nur moderat

Das Jahr 2024 ist von einer leichten Erholung geprägt, die Aussichten für die kommenden Jahre bleiben verhalten. Größere Strukturreformen scheinen nicht anzustehen.

Von Verena Matschoß | Tunis

Top-Thema: Staat verschuldet sich immer mehr im Inland

Mit der Wiederwahl von Kais Saied zum tunesischen Präsidenten ist keine Änderung der wirtschaftlichen Prioritäten in Sicht. Zwar bemüht sich die Regierung, das Wachstum der Staatsausgaben einzudämmen. Subventionen und Gehälter der Staatsbediensteten machen aber weiterhin den Großteil der Ausgaben aus. Im 1. Halbjahr 2024 entfielen nur rund 8 Prozent der Haushaltsausgaben auf Investitionen. Größere Strukturreformen sind nicht zu erwarten.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt das tunesische Haushaltsdefizit für 2024 auf knapp 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Bei der Finanzierung des Staatshaushalts verfolgt die politische Führung das Prinzip "compter sur soi", das heißt, sie will nur in geringem Umfang Kredite bei ausländischen Regierungen oder Geberbanken aufnehmen. Der Staat greift zunehmend auf den inländischen Finanzsektor (einschließlich der Zentralbank) zurück, um seinen Finanzierungsbedarf zu decken.

In der 1. Jahreshälfte 2024 betrug die Inlandsverschuldung bereits über 50 Prozent der Gesamtverschuldung - 2021 waren es noch 40 Prozent. Dies verschlechtert den ohnehin eingeschränkten Zugang der lokalen Wirtschaft zu Bankkrediten und setzt die Devisenreserven unter Druck. Mit Sorge verfolgen viele Beobachter, dass auch die Unabhängigkeit der Zentralbank auf dem Spiel zu stehen scheint.

Der Zugang zu externer Finanzierung wird ohnehin immer schwieriger. Verhandlungen mit dem IWF über ein neues Kreditabkommen sind unwahrscheinlich. Ohne Reformprogramm und Kreditabkommen halten sich auch andere Geber wie die Europäische Union mit der Finanzierung des tunesischen Haushalts zurück. 

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum bleibt unter 2 Prozent

Das Jahr 2024 steht im Zeichen einer leichten wirtschaftlichen Erholung. Der IWF rechnet für das Gesamtjahr mit einem realen Wachstum von 1,6 Prozent. Nach einem Nullwachstum im Jahr 2023 ist dies jedoch wenig und das reale BIP bleibt unter dem Vor-Corona-Niveau.

Die tunesische Regierung hofft auf ein BIP-Wachstum von 3,2 Prozent im Jahr 2025. Die meisten internationalen Analysten halten dies für unrealistisch und gehen eher von einem Wachstum von unter 2 Prozent aus. Im Vergleich zu anderen Ländern der Region hinkt die wirtschaftliche Entwicklung hinterher.  

Exporte legen zu - trotz schwacher EU-Konjunktur

Tunesien ist abhängig von der Konjunktur in der EU, denn hierhin gehen über 70 Prozent der Ausfuhren. Die Aussichten sind nicht ganz so rosig: Nach einem Wachstum von knapp unter 1 Prozent im Jahr 2024 rechnet die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose für 2025 mit einem realen BIP-Wachstum in der EU von 1,5 Prozent.

Die EIU geht davon aus, dass die Ausfuhren der exportorientierten Unternehmen, der sogenannte Offshore-Sektor, zwar gedämpft werden, sie in Zukunft aber wieder an Fahrt gewinnen werden. Schwieriger ist die Lage für lokale Unternehmen, die unter anderem vom schlechten Zugang zu Finanzierung betroffen sind.

In den ersten zehn Monaten des Jahres 2024 sind die tunesischen Exporte immerhin um 2 Prozent gestiegen. Dieses Wachstum ist unter anderem auf die anhaltend hohen Preise für Olivenöl - dem wichtigsten Exportprodukt im Nahrungsmittelsektor - zurückzuführen.

Tunesien ist bei Treibstoffen und Nahrungsmitteln stark von Importen abhängig. Aufgrund von Devisenknappheit kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Die International Islamic Trade Finance Corporation stellt den importierenden Staatsunternehmen einen Kredit in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar mit einer Laufzeit von drei Jahren zur Verfügung, um diese Einfuhren finanziell zu stützen. 

Regierung will gestoppte Großprojekte anstoßen

Die Bruttoanlageinvestitionen könnten im Jahr 2025 wieder leicht zulegen. Aufgrund der angespannten Haushaltslage kann der Staat zwar nur wenige Impulse setzen. Die Regierung hat jedoch angekündigt, öffentliche Großprojekte, die in der Vergangenheit zum Erliegen gekommen sind, zu überprüfen und beschleunigt umzusetzen. 

Ausländische Unternehmen erweitern ihre Präsenz 

Nach vorläufigen Angaben der Foreign Investment Promotion Agency kamen ausländische Direktinvestitionen in den ersten neun Monaten 2024 von umgerechnet rund 630 Millionen Euro nach Tunesien. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres stiegen die Investitionen damit um ein Fünftel.

Die mit Abstand meisten Vorhaben waren Erweiterungsinvestitionen. Vor allem die zahlreichen ausländischen Automobilzulieferer im Land stärken derzeit den Standort Tunesien. Im Jahr 2024 kam auch viel Bewegung in den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Große Konzessionsprojekte werden wieder in Angriff genommen, aber auch die Ausschreibungsbedingungen für kleinere Solaranlagen verbessern sich. Einige internationale Projektentwickler haben mit der tunesischen Regierung Absichtserklärungen zur Produktion von grünem Wasserstoff geschlossen. 

Der Erhalt einer Explorationsgenehmigung für das australische Unternehmen PhosCo und die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen PhosCo, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und dem tunesischen Industrieministerium könnte die Phosphatproduktion in Tunesien beleben. 

Deutsche Perspektive: Bilateraler Handel robust

Nach Angaben des tunesischen Statistikamtes stiegen die Importe aus Deutschland in den ersten zehn Monaten 2024 auf Dinar-Basis um 11 Prozent, die Exporte legten ebenfalls leicht um 0,5 Prozent zu. 

Deutschland ist drittwichtigster Abnehmer von tunesischen Waren. Traditionell übersteigen die deutschen Importe die Exporte. Das liegt daran, dass Tunesien stark in die deutschen Lieferketten einbezogen ist, vor allem im Bereich der Kfz-Industrie und der Bekleidungsproduktion. Fast alle deutschen Kfz-Zulieferer im Land erweitern derzeit ihre Produktion. Daneben investieren die Hersteller auch in die Forschung und Entwicklung vor Ort. 

Weitere Informationen zu Algerien bieten unter anderem unsere Reihen Wirtschaftsdaten kompakt und Wirtschaftsstandort

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