Branchen | Tunesien | Nahrungsmittel, Getränke
Wenig Lichtblicke in tunesischer Nahrungsmittelindustrie
Nach einem schwachen Vorjahr erholt sich die tunesische Landwirtschaft etwas, die Nahrungsmittelindustrie bleibt im Minus. Ein deutscher Anlagenhersteller setzt dennoch auf den Standort.
23.12.2024
Von Verena Matschoß | Tunis
Große Trockenheit, gestiegene Produktionskosten sowie ein schwieriger Zugang zu Finanzierung: Die tunesische Nahrungsmittelindustrie steht weiter unter schlechten Vorzeichen. Die Wertschöpfung in der Branche ist im 1. Halbjahr 2024 um knapp 0,5 Prozent zurückgegangen. Bereits im Jahr 2023 wurde ein Rückgang von 2,8 Prozent verzeichnet. Damit entwickelt sich der Sektor schwächer als die Gesamtwirtschaft.
Landwirtschaft wächst nach schwachem Vorjahr
Die Landwirtschaft konnte hingegen im 1. Halbjahr 2024 um über 5 Prozent zulegen. Dies ist allerdings vor allem ein Basiseffekt, denn im Jahr 2023 wurde noch ein Rückgang um 16 Prozent verzeichnet. Der Ausblick ist trübe: So ging der Wert der über die Agence de Promotion des Investissements Agricoles (APIA) genehmigten Investitionen in der Landwirtschaft in den ersten acht Monaten des Jahres 2024 um 27 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode zurück.
Auch in der Nahrungsmittelindustrie wurde in den letzten Jahren nur wenig investiert. Dies bestätigt Walid Braham, Manager des Vertriebsbüros der KHS-Gruppe in Tunis. Der Dortmunder Hersteller für Abfüll- und Verpackungsanlagen beliefert schon seit Langem die tunesische Getränkeindustrie. Im März 2024 hat KHS in Tunis sogar ein eigenes Vertriebsbüro eröffnet und deckt von hier aus 16 Länder Nord- und Westafrikas ab. Walid Braham blickt optimistisch in die Zukunft:
"Die Bestellungen der tunesischen Getränkeproduzenten für unsere Anlagen nehmen in letzter Zeit wieder zu."
Die Getränkeindustrie ist ein wichtiges Segment in der Lebensmittelindustrie Tunesien. Nicht umsonst ist das umsatzstärkste Privatunternehmen in der Nahrungsmittelproduktion die Société de Fabrication des Boissons de Tunisie (SFBT). SFBT hat eine vorherrschende Stellung auf dem Getränkemarkt bei Bier, Softdrinks und Mineralwasser.
Unternehmen/Gruppe | Branche | 2022 |
---|---|---|
Office des Céréales (untersteht der Aufsicht des Agrarministeriums) | Monopol auf den Vertrieb von Weizen | 330,0 |
Société de Fabrication des Boissons de Tunisie (SFBT) | Kohlensäurehaltige Getränke und Bier | 214,7 |
DICK /Poulina Group Holding | Geflügel | 134,7 |
El Mazraa/Poulina Group Holding | Geflügel | 134,1 |
Office Nationale de l’Huile (ONH) (untersteht der Aufsicht des Agrarministeriums) | Organisation des Olivenölsektors | 120,7 |
AGRIMED | Raffination und Verpackung von Speiseöl | 113,1 |
Société Tunisienne des Conserves Alimentaires (SICAM)/Groupe Bayahi | Nahrungsmittelkonserven, vor allem verarbeitete Tomaten | 95,4 |
ALMES-MEDOIL/Poulina Group Holding | Margarine/Speiseöl | 74,1 |
STE Stations Thermales et Eaux Minérales-SOSTEM/Groupe SFBT | Mineralwasser | 62,3 |
Société de Production Agricole de Téboulba (SOPAT) | Produktion von weißem Fleisch | 54,3 |
Land’Or | Käse | 49,5 |
Tunesien ist ein guter Vertriebsstandort
Größter Absatzmarkt in der Maghreb-Region ist für KHS aber Algerien, das von Tunesien aus mit bearbeitet wird. Dies war ein Grund, warum die Entscheidung auf Tunesien als Standort fiel. Das Land hat gute Beziehungen zu allen anderen Staaten des Maghreb und ist Nachbar von Libyen, einem Markt mit viel Wachstumspotenzial. Hinzu kommt die geringe Entfernung zum Mutterhaus in Deutschland.
Insgesamt bleibt Tunesien aber ein kleiner Absatzmarkt für deutsche Hersteller von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen. Wichtigstes Ausfuhrprodukt sind Apparate zur Geflügelhaltung. Die deutschen Exporte stiegen in dem Segment im Jahr 2023 um über 60 Prozent auf rund 11 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr.
Produkt | 2022 | 2023 |
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Maschinen, Apparate und Geräte für die Geflügelhaltung (ausg. Brut- und Aufzuchtapparate, HS 843629) | 6,9 | 11,3 |
Maschinen zum Füllen, Verschließen, Versiegeln, Verkapseln oder Etikettieren von Flaschen, Dosen, Schachteln, Säcken oder anderen Behältnissen sowie zum Versetzen von Getränken mit Kohlensäure (HS 842230) | 1,5 | 4,4 |
Maschinen zum industriellen Zubereiten oder Herstellen von Nahrungsmitteln oder Getränken (ausg. Maschinen und Apparate zum Gewinnen oder Aufbereiten von tierischen oder pflanzlichen Ölen, HS 8438) | 2,7 | 2,2 |
Maschinen zum Verpacken oder Umhüllen von Waren (HS 842240) | 1,0 | 1,8 |
Laut der tunesischen Foreign Investment Promotion Agency (FIPA) waren im Jahr 2023 insgesamt 242 Unternehmen mit ausländischem Kapital im Nahrungsmittelbereich tätig. Wichtige Investoren stammen aus Frankreich, Italien, Libyen und Spanien.
Produktion von Olivenöl ist wichtigstes Segment
Insgesamt gibt es über 1.000 Nahrungsmittelproduzenten laut der Agence de Promotion de l'Industrie et de l'Innovation (APII), etwa 220 sind ausschließlich im Export tätig. Über ein Viertel der Nahrungsmittelproduzenten stellen Speiseöl her.
Dies schlägt sich auch in den Exporten nieder: Im Zeitraum Januar bis August 2024 entfielen über 60 Prozent der Nahrungsmittelexporte auf das flüssige Gold. Allein in den ersten acht Monaten erzielte das nordafrikanische Land damit Erlöse in Höhe von über 1 Milliarde Euro.Olivenöl geht vor allem in die EU
Tunesien profitiert derzeit stark von den gestiegenen Weltmarktpreisen. Hauptabnehmer des tunesischen Öls sind Spanien und Italien, die selbst Olivenöl produzieren und tunesisches Öl vor allem beimischen. Allerdings kann nur ein Teil des tunesischen Olivenöls zollfrei in die EU eingeführt werden.
Nur etwa 10 Prozent des tunesischen Olivenöls wird in Flaschen exportiert. Deshalb ist Olivenöl made in Tunisia bei europäischen Verbrauchern kaum bekannt. Inzwischen gibt es zahlreiche Hersteller, die Olivenöl in Flaschen für den Export produzieren und die Marke dadurch im Ausland bekannter machen. Und es wäre auch lukrativ: Die Preise für abgepacktes Olivenöl sind um einiges höher als für Olivenöl in loser Schüttung.
Positive Handelszahlen dank gestiegener Preise
Dank gestiegener Preise erzielte Tunesien von Januar bis August 2024 einen Handelsbilanzüberschuss bei Nahrungsmitteln von umgerechnet 470 Millionen Euro, so die Zahlen des staatlichen Observatoire National de l'Agriculture (ONAGRI). Neben Olivenöl sind auch Datteln und Fischereiprodukte teurer geworden. Auch mengenmäßig konnten die tunesischen Produzenten mehr Olivenöl, Datteln und Zitrusfrüchte exportieren.
Bei den Importen profitierte Tunesien dagegen von günstigeren Preisen: Für seine Getreideimporte musste Tunesien weniger bezahlen als noch im Vorjahr.