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Hohes Einsparpotenzial lockt Energieprojekte
Beim Wiederaufbau der Ukraine soll Energieeffizienz eine größere Rolle spielen. Dafür hat die Regierung einen neuen Fonds eingerichtet.
27.12.2024
Von Martin Gaber | Bonn
Die Ukraine benötigt Investitionen von über 55 Milliarden Euro, um die Bereiche Industrie, Transport und Haushalte energieeffizient umzubauen. Dafür könnte das Land dann jährlich bis zu 6 Milliarden Euro einsparen, zeigen Berechnungen der ukrainischen Agentur für Energieeffizienz SAEE (State Agency on Energy Efficiency and Energy Saving). "Die günstigste Energie ist die, die wir nicht brauchen. Vor allem bei Haushalten und in der Industrie ist das Einsparpotenzial mit bis zu 60 Prozent sehr groß", unterstrich die Leiterin der Agentur Anna Zamazeeva bei der Expertenrunde "Rebuild.Energy.Efficiently." von Germany Trade & Invest im Dezember 2024.
Regierung macht Energieeffizienz zur Priorität
Derzeit ist die ukrainische Wirtschaft noch sehr energieintensiv und liegt um das Drei- bis Vierfache über dem EU-Durchschnitt. Industrie und Handel verbrauchen rund 40 Prozent der Energie. "Energieeffizienz muss daher an erster Stelle stehen", sagt Lisa Helen Naser von der Deutsch-Ukrainischen Energiepartnerschaft. Tatsächlich gehört dieses Anliegen mittlerweile zu einer der Prioritäten der ukrainischen Regierung. Der Umbau des Energiesystems ist in vollem Gange. Auch, weil das Land durch russische Angriffe an Erzeugungskapazitäten verliert. Allein im Jahr 2024 gingen 9 Gigawatt verloren.
Nationaler Energieplan setzt den Rahmen
Die staatliche Agentur will im Einklang mit dem Nationalen Energie- und Klimaplan und dem Aktionsplan für Energieeffizienz die Energieverluste deutlich eindämmen. Sie strebt an, den Primärverbrauch bis 2030 um rund 22 Prozent und den Endverbrauch um rund 17 Prozent zu senken. Um diese Ziele zu erreichen, sehen die nationalen Pläne eine Reihe sektoraler und sektorübergreifender Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz vor. Sie decken die Bereiche Wohngebäude und öffentlicher Sektor, Verkehr, Industrie und Energie ab. So sollen beispielsweise die Energieeffizienz in Wohngebäuden erhöht, Energiemanagementsysteme in Unternehmen eingeführt oder auch Einsparungen bei der Energieerzeugung und -verteilung generiert werden.
Staatlicher Fonds finanziert Projekte
stehen voraussichtlich im neuen Fonds für das Jahr 2025 bereit.
Der "Fonds für Dekarbonisierung und energieeffiziente Transformation der Ukraine" soll dafür sorgen, dass die Projekte auch umgesetzt werden können. Er unterstützt Vorhaben durch Darlehen für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Dekarbonisierung. Gespeist wird er nach dem Verbraucherprinzip. Dabei werden Steuern auf CO2-Emissionen erhoben und zur Finanzierung von Maßnahmen genutzt. Für 2025 rechnet die Behörde mit einem Budget von rund 45 Millionen Euro. Der Fonds wurde im Oktober 2024 für Bewerbungen geöffnet. Das Portal UkrInform berichtet, dass bislang 30 Projekte ein Darlehen erhalten haben und bezieht sich auf Aussagen von SAEE. Zu den Begünstigten gehört bislang vor allem die Kommunalverwaltung, aber auch Unternehmen haben bereits Zusagen erhalten.
Kriterien für die Projekte:
Reduzierung der Energieintensität in der Produktion um 15 Prozent oder mehr,
Ersatz von traditionellen Energiequellen um 20 Prozent oder mehr,
Erreichen von Mindestenergieeffizienzstandards in Gebäuden (Klasse C), die Einsparungen von bis zu 50 Prozent ermöglichen.
Der maximale Darlehensbetrag pro Projekt beträgt 25 Millionen Hrywnja, das entspricht rund 580.000 Euro. Die Obergrenze soll nach Angaben des Portals EcoPolitic künftig deutlich steigen. Unternehmen müssen einen Eigenanteil von 15 Prozent einbringen. Das Vorhaben setzt das staatliche Unternehmen Fond Dekarbonizatsyi Ukrainy um.
Herausforderungen kennzeichnen die Projekte
Allerdings sind die Projekte im Bereich der Energieeffizienz kein Selbstläufer:
“Es fehlt an technischem Personal, um Vorhaben umzusetzen.“
Darauf weist Fedir Omelinskyj in der GTAI-Expertenrunde hin. Der Ukraine-Geschäftsführer der Firma Rehau leitet den Ausschuss für Bau und Energieeffizienz bei der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer und kennt die Probleme der Branche gut. Der Mangel an Arbeitskräften durch die Mobilisierung macht es Unternehmen schwer, langfristig zu planen. Doch an speziell ausgebildeten Fachkräften fehle es schon länger. "Daher haben wir in 20 Jahren rund 25.000 Leute selbst ausgebildet", sagt Omelinskyj. Das ist aber nicht das einzige Problem. "Es mangelt auch an Qualitätsbewusstsein. Hier haben wir einen Widerspruch. Wir sprechen von build back better, also einem modernen Wiederaufbau, aber Entscheidungen werden zu häufig nur über den Preis getroffen. Da setzt sich Qualität nicht immer durch.“"
Pavel Bilek von Berlin Economics bestätigt in einem Interview mit GTAI, dass der Preis auch beim Thema Strom eine Rolle spielt. "Dieser wird einerseits staatlich bezuschusst und andererseits durch eine Obergrenze fernab der Marktrealität gehalten. Dadurch steigen nicht nur die Staatsausgaben. Vor allem können Energieeffizienzmaßnahmen nicht umgesetzt werden, weil die verlängerten Amortisationszeiten private Investoren abschrecken und die Finanzierbarkeit privater Investitionen im Energiesektor generell sinkt."