Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Ukraine | Bauwirtschaft

Wiederaufbauinvestitionen helfen ukrainischem Bausektor

Die Bauwirtschaft erholt sich vom tiefen Fall nach Kriegsbeginn 2022. Die Produktion legt seither kräftig zu. Die Kriegsfolgen und -risiken bleiben weiterhin eine große Belastung.

Von Waldemar Lichter | Warschau

Die ukrainische Bauproduktion wächst wieder zweistellig. Nach einem Plus von 25 Prozent 2023 dürfte das Ergebnis auch 2024 wieder ähnlich hoch ausfallen. Nach Angaben des ukrainischen Statistikamtes legte die Bauleistung im 1. Quartal 2024 um 40 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal zu. Spürbar verbessert hat sich die finanzielle Situation der Bauunternehmen.

Bauleistung immer noch deutlich unter Vorkriegsniveau

Die starke Wachstumsdynamik wird allerdings durch die niedrige Ausgangsbasis relativiert. Nach dem russischen Überfall sank die Bauproduktion erheblich. Im Jahr 2022 lag sie 65 Prozent unter dem Vorjahreswert. Trotz der jüngsten Zuwächse betrug das Produktionsvolumen im Jahr 2023 knapp 4,2 Milliarden Euro, was die Hälfte des Wertes vor Kriegsausbruch darstellt. Die Branche leidet zusätzlich unter der verringerten Nachfrage, den Unwägbarkeiten des Krieges, fehlenden Arbeitskräften, Baustoffmangel und hohen Kosten.  

Ohne ausländische Finanzhilfen wären die Produktionszuwächse in den Jahren 2023 und 2024 nicht möglich. Die ausländischen Wiederaufbau- und Hilfsprogramme generieren den größten Teil der Nachfrage nach Bauleistungen. Erste Impulse gehen auch von privaten Investitionen aus, beispielsweise vom Bau und der Modernisierung von Logistikanlagen, von Projekten im Handelssektor sowie zunehmend im Wohnungsbau, insbesondere in der Westukraine. Diese sorgen derzeit jedoch noch nicht für einen starken Nachfrageschub in der Baubranche.

Tiefbau stützt den Sektor

Die Bedeutung ausländischer Programme wird im Tiefbau sichtbar. Die Produktion im diesem Sektor stieg im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum 2023 um 35 Prozent und im 1. Quartal 2024 um weitere 48 Prozent. Das ist darauf zurückzuführen, dass kriegsbedingte Schäden an Straßen, Brücken, Versorgungsleitungen und anderer Infrastruktur behoben werden müssen. Die Wiederherstellung kritischer Infrastruktur hat für die Regierung Priorität und treibt den Tiefbau voran.

Investitionen im Tiefbausektor konzentrieren sich insbesondere auf die Wiederherstellung und Modernisierung der Transportinfrastruktur. Weiterer Schwerpunkt ist die beschädigte Energieinfrastruktur, Kraftwerke und Stromnetze. Hinzu kommen Bauinvestitionen zum Schutz der Bevölkerung. So wurden für den Bau von Schutzräumen für Schulen allein 2024 mindestens 250 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt bereitgestellt.

Wiederherstellung der Wohnungen im Fokus der Regierung

Die Zerstörungen im Gebäudesektor machen einen großen Teil der Schäden infolge des russischen Angriffskrieges aus. Nach Schätzungen der Kyiv School of Economics (KSE) belaufen sich diese bei Wohngebäuden auf über 50 Milliarden Euro. Insgesamt wurden fast 250.000 Gebäude beschädigt oder zerstört.

Seit Jahresanfang 2024 spiegeln sich die Wiederaufbaubemühungen auch in den Wohnbaustatistiken wider. Das ist vor allem auf die Unterstützung der Regierung für Projekte zur Wiederherstellung zerstörten Wohnraums zurückzuführen - unter anderem durch die Förderprogramme eOselia und eRecovery. Geplant sind Projekte zur Wiederherstellung von frontnahen Dörfern. Die Regierung sieht eine steigende Nachfrage nach Wohnraum für Binnenvertriebene.

Unterstützt werden diese Initiativen durch Hilfen ausländischer Geber. Dazu gehören etwa das 230 Millionen Euro große Programm der Europäischen Investitionsbank (EIB) zur energetischen Sanierung kriegszerstörter Mehrfamilienhäuser, das vom Umfang nur geringfügig kleinere HOPE-Projekt der Weltbank für Notfallreparaturen von Wohnraum oder das HOME-Projekt der Entwicklungsbank des Europarats (CEB) mit einem Volumen von 70 Millionen Euro.

Eine immer größere Rolle beim Wiederaufbau werden Investitionen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Wohngebäuden spielen. Als Folge der andauernden russischen Angriffe ist sowohl für private Käufer als auch für Investoren von Wohnungen und Wohnanlagen eine autonome Energie- und Wasserversorgung der Gebäude ein zunehmend gewichtiges Kaufargument. So hoffen sie die Versorgung auch im Angriffs- und Beschädigungsfall aufrechterhalten zu können. Immobilienentwickler und Baufirmen werden diese Wünsche künftig stärker beachten müssen, was Absatzchancen für Anbieter entsprechender Lösungen eröffnet.

Bauvorschriften für ausländische Firmen wurden vereinfacht

Ausländische Unternehmen und Organisationen, die in der Ukraine über eine ständige Niederlassung tätig sind, können künftig bis zum Ende der Geltung des Kriegsrechts das Recht zur Ausübung von Bautätigkeiten erwerben. Die Änderung des Beschlusses Nr. 314 vom 13.3.22 bezieht sich auf den Bau von Anlagen der bisher lizenzpflichtigen Klassen CC2 und CC3. Berechtigte Unternehmen erlangen nunmehr das Recht zur Ausübung der Bautätigkeit durch die unentgeltliche Abgabe einer Erklärung bei der Genehmigungsbehörde. Die Lizenzierung der Bautätigkeit ist für diesen Zeitraum entbehrlich.

Wiederaufbau wird große Nachfrage nach Baustoffen auslösen

Der Wiederaufbau wird einen großen Bedarf an Baustoffen und Bauzubehör auslösen. Der Bedarf an Materialien wie Zement, Beton, Metallstrukturen, Ziegeln und Glas ist enorm. KSE-Experten schätzen, dass allein für Baumaterialien etwa 58 Milliarden Euro benötigt werden, um die Infrastruktur wiederherzustellen. Ein Großteil dieser Materialien kann aus ihrer Sicht in der Ukraine selbst produziert werden.

Das macht aber erhebliche Investitionen in dem Industriezweig erforderlich. Angesichts des erwarteten hohen Bedarfs nach dem Krieg stehen ausländische Unternehmen bereit, in den Markt einzusteigen. Zahlreiche von ihnen bereiten auch Investitionen in eigene Produktionswerke in der Ukraine vor oder haben solche bereits getätigt.

Einer der wichtigsten ausländischen Investoren in der Baustoffindustrie ist die irische Gruppe CRH, die in der Ukraine mit der Marke Cemark präsent ist. Sie investiert in Logistikanlagen und in Energieeffizienz der Produktion. CRH hat die Übernahme der beiden Zementwerke Volyn Cement und Yugcement vom italienischen Konzern Buzzi Unicem eingeleitet - der Muttergesellschaft der Dyckerhoff GmbH.

Ein weiterer bedeutender Investor ist die irische Kingspan Group, die in der Westukraine ein Produktionscluster errichtet. Werke in der Ukraine bauen oder erweitern unter anderem auch die deutsche MC-Bauchemie (Trockenbaumischungen in der Region Kyjiw), die finische Peikko Group (Betonverbindungselemente im Industriepark Bila Zerkva) oder der französische Konzern Saint-Gobain (Trockenbaumischungen in der Region Iwano-Frankiwsk).

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.