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Bank für Wiederaufbau: „Die Ukraine ist die oberste Priorität“
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützt die Ukraine in Kriegszeiten. Sie will auch in Zukunft beim Wiederaufbau eine große Rolle spielen.
13.06.2023
Von Hélène Pestel | Bonn
Auf der Jahrestagung 2023 der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) standen die Ukraine und die notwendige Unterstützung für ihren Wiederaufbau im Mittelpunkt. „Die Ukraine ist die oberste Priorität der Bank“, so die Botschaft der EBRD-Präsidentin, Odile Renaud-Basso, während des jährlichen Treffens der Bankgouverneure.
Die EBRD ist der wichtigste institutionelle Investor in der Ukraine. Unmittelbar nach Kriegsbeginn erhielt das Land Hilfe von der Entwicklungsbank. So sagte die Bank ein Paket in Höhe von 2 Milliarden Euro als Soforthilfe zu. Bis Ende 2022 gab sie 1,7 Milliarden Euro für die Ukraine aus. Sie will das Investitionsvolumen in der Ukraine bis Ende 2023 auf insgesamt 3 Milliarden Euro aufstocken. Prioritäre Bereiche der EBRD in der Ukraine sind die Handelsförderung, die Energieversorgung, die lebensnotwendige Infrastruktur, die Ernährungssicherheit und die Widerstandsfähigkeit des Privatsektors.
EBRD investiert in kritische Infrastruktur
Die Notfall-Liquiditätshilfe floss im Jahr 2022 vor allem in die strategische Infrastruktur. In Kriegszeiten konzentriert sich die Bank darauf, den Betrieb in kritischen Sektoren ununterbrochen zu gewährleisten. Das sind in erster Linie der Energiesektor, das Transportwesen und die kommunale Infrastruktur.
Energieversorgung sichern
Das ukrainische Stromunternehmen Ukrenergo erhielt insgesamt 520 Millionen Euro, um die vom Konflikt verursachten Schäden zu beseitigen. Auch dem staatlichen Gasunternehmen Naftogaz stand die Bank zur Seite. Sie unterstützte das Unternehmen mit zum Teil geberfinanzierten Mitteln in Höhe von 500 Millionen Euro darin, seine Kunden mit Energie zu versorgen.
Transportsektor ist lebensnotwendig
Die Schließung der ukrainischen Häfen aufgrund des Krieges hat die Bedeutung des Schienenverkehrs deutlich gemacht. Der Bahn kommt insbesondere für die landwirtschaftlichen Exporte der Ukraine eine große Rolle zu. Auch für die Evakuierung von Millionen von Binnenflüchtlingen und die Lieferung von humanitären Hilfsgütern ist der Bahnverkehr seit Anfang des Krieges essentiell. Die EBRD arbeitet mit dem ukrainischen Bahnunternehmen Ukrzaliznytsia zusammen, um die Verkehrsinfrastruktur im Westen des Landes aufrechtzuerhalten. Die ukrainische Bahn erhielt 150 Millionen Euro im Jahr 2022. Ziel ist auch, die Konnektivität mit der Europäischen Union zu verbessern.
Ukrainische Städte stehen unter Druck
Der Angriffskrieg Russlands stellt die ukrainischen Städte auf eine harte Probe. Ihre Infrastruktur hat zum Teil große Zerstörungen erfahren. Ihre kommunalen Aufgaben zu erfüllen, ist oft weiterhin eine große Herausforderung. Die EBRD unterstützt ukrainische Kommunen darin, ihre öffentlichen Dienstleistungen zu erbringen. Mit einem Darlehen in Höhe von 25 Millionen Euro hilft die Bank der Stadt Lviv. Aufgrund der hohen Anzahl der Binnenflüchtlinge ist die Großstadt im Westen des Landes einem großen Druck ausgesetzt, ihre Dienstleistungen zu erfüllen. Die finanziellen Mittel der Bank gehen an die Kommune sowie an kommunale Unternehmen. Sie sollen Investitionen in den Bereichen Straßenbau, Heizung, Wasser, Transport und Abfall ermöglichen. Auch die Stadt Khmelnytskyi bekommt finanzielle Unterstützung der EBRD. Die Bank investiert 10,6 Millionen Euro, um das Trolleybus-System der Stadt zu erneuern.
Geberfinanzierung für den Wiederaufbau ist unabdingbar
In ihrem Bericht Regional Economic Prospect entwirft die EBRD ein fünfjähriges Szenario für den Wiederaufbau der Ukraine: in diesem Szenario würde das Land jährlich 50 Milliarden Euro ausländische – öffentliche und private – Investitionen für seinen Wiederaufbau benötigen.
Vor diesem Hintergrund ist die Unterstützung internationaler Geber von großer Bedeutung. Die Bank konnte bereits 1,4 Milliarden Euro an Gebermitteln im Jahr 2022 mobilisieren. Die internationale Finanzierung erfolgt in Form von Zuschüssen aber auch durch Gebergarantien. Wichtige Geber für die Investitionen der EBRD in der Ukraine sind die Europäische Union, die USA, Norwegen, die Niederlande, Kanada, Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich.
EBRD plant eine Kapitalerhöhung
Um die Ukraine in Zukunft weiter zu unterstützen und um das hohe Investitionsniveau zu halten, wird die EBRD ein Verfahren zur Erhöhung des eingezahlten Kapitals durch die Anteilseigner einleiten. Das entschieden die Gouverneure auf der Jahrestagung 2023. Die Bank will ihr Kapital um 3 Milliarden bis 5 Milliarden Euro erhöhen. Der Gouverneursrat soll bis Ende 2023 darüber entscheiden. Das wäre die dritte Kapitalerhöhung der EBRD seit ihrer Gründung im Jahr 1991. Die Kapitalaufstockung soll eine breite Unterstützung für die Ukraine über 2023 hinaus ermöglichen.
Germany Trade & Invest (GTAI) informiert über Finanzierungen für Exporte und Investitionen deutscher Unternehmen in der Ukraine sowie über aktuelle Entwicklungsprojekte und Ausschreibungen der EBRD in der Ukraine.