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Branche kompakt | Ungarn | Medizintechnik

Branchenstruktur

Ein Großteil der Medizintechnik wird importiert. Gleichzeitig wächst die Produktion im Land. Der Herstellermarkt wird von ausländischen Unternehmen dominiert.

Von Kirsten Grieß | Budapest

Ungarns Wirtschaft erlebte 2023 eine Rezession und erholt sich langsamer als erwartet. Der Staatshaushalt ist angespannt und auch die Verschuldung ist hoch. Das zwingt die Regierung zu einem radikalen Sparkurs, was in besonderem Maße öffentlichen Gesundheitsausgaben und damit verbundene Investitionen betrifft. Zwar ist der Anteil staatlicher Mittel an den Gesamtausgaben laut Eurostat über die Jahre sukzessive gewachsen – mit 72,4 Prozent im Jahr 2022 liegt der Wert aber nach wie vor unter EU-Durchschnitt. 

Öffentliche Gesundheitsdienste sind kostenlos

Die öffentlichen Gesundheitsausgaben werden vorwiegend über den nationalen Gesundheitsversicherungsfonds NEAK abgewickelt. Das ist eine einheitliche Pflichtversicherung. Jeder ungarische Staatsbürger hat damit Anspruch auf kostenlose, öffentliche Gesundheitsleistungen. Für Arzneimittel und Zahnbehandlungen sind Zuzahlungen erforderlich. Leistungen privater Gesundheitsdienste sind nicht durch NEAK abgedeckt. Ausgenommen sind spezielle private Dienstleistungen, die von staatlichen Einrichtungen nicht oder nicht ausreichend angeboten werden. Dazu zählen Dialysebehandlungen, Laboruntersuchungen sowie MRT- und CT-Screenings. Der Anteil privater Zusatzversicherungen an den Gesundheitsausgaben ist gering und lag 2022 bei weniger als 2 Prozent. Experten erwarten, dass der Markt für private Versicherungen bald deutlich wachsen wird. 

Zu viele Krankenhäuser, zu wenige Hausärzte

Die Zahl der Krankenhäuser und Krankenhausbetten ist für Ungarns Größe überdurchschnittlich hoch, die Hospitalisierungsrate und -dauer ebenfalls. Das erzeugt Kosten, die für die Anschaffung technischer Ausstattung und innovativer Medizinprodukte fehlen. Ungarns Regierung bemüht sich seit Jahren, die Bettenzahl und die Zahl der Einrichtungen zu reduzieren. Seit 2006 wurden die damals knapp 80.000 Betten um fast 20 Prozent auf aktuell rund 63.500 abgebaut. Auch die Zahl der Hausärzte ist seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2023 waren laut Statistikamt etwas mehr als 6.400 Hausarztpraxen registriert, davon sollen aktuell knapp 15 Prozent vakant sein. 

Nach offiziellen Daten der nationalen Gesundheitskasse gab es 2023 in Ungarn 158 Krankenhäuser. Knapp die Hälfte wurde zentral durch den ungarischen Staat verwaltet, weitere 15 Kliniken standen unter kommunaler Verwaltung. Daneben operierten einige größere Universitätskrankenhäuser und stiftungsbetriebene Einrichtungen oder Häuser unter kirchlicher Trägerschaft, deren Leistungen ebenfalls kostenlos sind. Im privaten Sektor lag die Zahl der Kliniken bei 25. Die Kommunen unterhalten außerdem sogenannte Polikliniken zur ambulanten Gesundheitsversorgung. Im Privatbereich gibt es ebenfalls einige größere ambulante Gesundheitszentren. Der überwiegende Teil aller stationärer Behandlungen wird von öffentlichen Krankenhäusern erbracht.

 

Wichtige Private Gesundheitsdienstleister in Ungarn

Unternehmen

Beschäftigte 

Schwerpunkte

SYNLAB

918

Labor
Medicover

772

Privatklinik, Diagnose, Labor
TritonLife Csoport

650

Privatklinik, Dialyse, Diagnostik
Affidea Diagnosztika

419

Diagnostik, Privatklinik
Budai Egészségközpont

k. A.

Privatklinik, Schwerpunkt Wirbelsäule
Doktor 24 Csoport

318

Privatklinik 
Dr. Rose Magánkórház

128

Privatklinik, Plastische Chirurgie
Swiss Medical Services

79

Privatklinik
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

Stärkstes Wachstum im Markt für Dentalprodukte 

Der ungarische Medizintechnikmarkt hatte 2023 ein Volumen von umgerechnet rund 1,3 Milliarden Euro. Das Analysehaus BMI prognostiziert für die kommenden fünf Jahre ein durchschnittliches jährliches Marktwachstum von 3 Prozent. Größte Teilmärkte sind die Segmente Verbrauchsgüter, diagnostische Bildgebung und andere Medizinprodukte. Das stärkste Wachstum erwarten BMI-Analysten in den kommenden Jahren für Dentalprodukte. Basierend auf einem starken Medizintourismus soll der Markt bis 2028 um jährlich 7 Prozent wachsen. Gleich dahinter liegen mit einem prognostizierten Plus von jährlich 5,3 Prozent Orthopädieprodukte. Hier kommen Nachholeffekte verschobener Eingriffe in der Corona-Pandemie zum Tragen. 

Deutschland ist führendes Lieferland

Der ungarische Medizintechnikmarkt ist in hohem Maß von Importen abhängig. Rund 80 Prozent der Inlandsnachfrage wurde 2023 von ausländischen Herstellern bedient. In den letzten zehn Jahren sind die Medizintechnikimporte um jährlich durchschnittlich 13,5 Prozent gewachsen. Lediglich 2017 und nach der Coronapandemie 2022 gab es Ausreißer nach unten. 

Deutschland ist das mit Abstand wichtigste Lieferland (2023: 19 Prozent), es folgen Österreich (12 Prozent) und China (11 Prozent). Mit Blick auf die einzelnen Segmente ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild. Deutsche Hersteller führen bei Dentalprodukten, Ultraschallgeräten, therapeutischen Beatmungsgeräten, augenoptischen Instrumenten, Dialyse- und Transfusionsapparaten. Österreich ist wichtigster Lieferant von Verbrauchsmaterialien, während China bei Hilfsmittel dominiert. Niederländische Unternehmen bedienen den Markt ebenfalls und führen bei orthopädischen Produkten und bildgebender Diagnostik. 

Importe ausgewählter Medizinprodukte nach Ungarn und Anteil aus Deutschland 2023In Millionen Euro, Anteil in Prozent
SITC Import

Anteil Import aus 

Deutschland

774.1Elektrodiagnoseapparate und -geräte

78,3

15,3

774.2Röntgenapparate etc.

k.A.

k.A.

741.83Sterilisierapparate

2,8

17,9

872.1Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g.

13,6

29,5

872.21Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc.

294,1

16,1

872.25Ophthalmologische Instrumente

13,3

19,3

872.29Andere Instrumente, Apparate und Geräte

147,0

26,1

872.3Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc.

78,9

30,0

872.4Medizinmöbel etc.

28,9

14,3

899.6Orthopädietechnik, Prothesen etc.

111,1

27,6

Quelle: Eurostat 2024

Die Produktion im Land brummt

Ungarn verfügt über eine eher kleine inländische Medizintechnikbranche, zwischen 150 bis 160 kleine und mittlere Unternehmen produzieren im eigenen Land. Dominiert wird der Markt durch große internationale Konzerne. Das nationale Statistikamt beziffert die Beschäftigten der Branche auf 13.000. Der Produktionswert erreichte 2022 nach Eurostat 564 Millionen Euro und verzeichnete damit auf Jahresbasis ein Wachstum von immerhin 22 Prozent. Auch in den Vorjahren waren die Zuwachsraten stark. Die Daten sind allerdings nicht vollständig, da sie aus Vertraulichkeitsgründen nicht für alle Produktgruppen gemeldet werden.

 

Wichtige Branchenunternehmen in UngarnUmsatz in Millionen Euro

Unternehmen

Sparte

Umsatz (2023)

ColoplastProdukte zur Stoma-, Wund- und Kontinenzversorgung

627,9 

Becton DickinsonSpritzen, Nadelschutz, Einweg-Pen-Injektoren

236,2

GE HealthcareBildverarbeitungssoftware mit Schwerpunkt auf Gefäß- und Tumorerkrankungen

141,3 ¹)

B. Braun MedicalEinwegprodukte, Transfusions- und Infusionssets, Katheder etc. 

138,9 

SanatmetalProdukte für die Traumatologie, Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie und Zahnimplantate 

19,2

InnomedEKG-Geräte, Defibrillatoren, Patientenmonitore, Röntgensysteme

8,1 

MeditechBlutdruckmessgeräte, Schlafüberwachungsgeräte, EKG-Monitore

2,6 ²)

LabtechEKG-Geräte

1,9 

1 Umsatz für das Jahr 2022; 2 Umsatz für das Jahr 2021.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

Bei den im Land produzierten Medizintechnikprodukten handelt es sich vor allem um elektro-medizinische Geräte, Beatmungsgeräte, Blutdruckmesser, Labor-Diagnose Ausstattung, kardiologische und radiologische Geräte, Dentalbedarf, Röntgen-, CT- und In-vitro-Diagnostik-Ausrüstungen. Der überwiegende Teil der Produktion geht in den Export. Zuletzt erreichten die Medizintechnikexporte 2023 den Wert von umgerechnet 2,1 Milliarden Euro. Auf Jahresbasis wuchsen die Exporte seit 2018 um durchschnittlich 8 Prozent. Deutschland ist auch wichtigstes Exportziel für in Ungarn hergestellte Medizintechnik (2023: 21 Prozent).

Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Ungarn

Indikator

Wert

Einwohnerzahl (2024 in Mio.)

9,6

Bevölkerungswachstum (2023 in % p.a.)

-3,6

Altersstruktur der Bevölkerung (2024)

 

  Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

14,5

  Anteil der über 65-Jährigen (in %)

20,7

Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2023 in Jahren)

76,5

Durchschnittseinkommen (2023 in Euro)

1.496

Gesundheitsausgaben pro Kopf (2022 in Euro)

1.190

Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2022 in %)

6,7

Ärzte/100.000 Einwohner (2023)

439

Zahnärzte/100.000 Einwohner (2020)

67,5

Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2023), davon

662

  privat (2023 Anteil in %)

2,4

  öffentlich (2023 Anteil in %)

93,7

  sonstige (Kirchen, Stiftungen 2023 Anteil in %)

3,9

Quelle: Ungarisches Statistikamt (KSH) 2024, Nationale Kasse für Gesundheitsversicherung (NEAK) 2024, Eurostat 2024

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