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Anerkennung/Vollstreckung

Wer als deutscher Dienstleistungsempfänger in Deutschland oder Österreich einen Prozess (zum Beispiel auf Schadensersatz nach einem Gewährleistungsfall) gegen einen österreichischen Dienstleister gewonnen hat, hat noch nicht sein Geld erhalten. Vielmehr muss er die gerichtliche Entscheidung gegebenenfalls anerkennen und auch vollstrecken lassen, um das vom Gericht zugesprochene Geld auch tatsächlich zu erhalten. Bei der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen können dem deutschen Dienstleistungsempfänger dabei mehrere Fallkonstellationen begegnen:
 

MÖGLICHE FALLKONSTELLATION DER ANNERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG
Land der Anerkennung & VollstreckungÖsterreichisches Urteil (1)Deutsches Urteil (2)
Anerkennung & Vollstreckung in ÖsterreichNur österreichisches Recht, Anerkennung nicht nötig (1a)EuGVVO i.V.m.  österreichischem Recht (2a)
Anerkennung & Vollstreckung in DeutschlandEuGVVO i.V.m. deutschem Recht (1b)Nur deutsches Recht; Anerkennung nicht nötig (2b)
vereinfachte Darstellung


So kann zunächst die Entscheidung eines österreichischen Gerichts (1) vorliegen. Diese kann entweder in Österreich vollstreckt (1a) oder in Deutschland (1b) anerkannt und vollstreckt werden. Der deutsche Dienstleistungsempfänger kann aber ebenso, etwa aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, vor einem deutschen Gericht geklagt haben. Eine solche deutsche Gerichtsentscheidung (2) könnte gleichfalls in Österreich anerkannt und vollstreckt (2a), oder aber in Deutschland (2b) vollstreckt werden.

Umgekehrt kommen auch Fälle in Betracht, in denen sich der deutsche Dienstleistungsempfänger einer Vollstreckung eines Urteils ausgesetzt sieht, das der österreichische Dienstleister erwirkt hat. Dies ist beispielsweise bei Klagen des österreichischen Dienstleisters auf die (bis dahin nicht erfolgte) Zahlung seines Werklohnes möglich. Wenn der österreichische Dienstleister diesen erfolgreich in Österreich eingeklagt hat, kann er entweder dort die Zwangsvollstreckung betreiben, wenn der deutsche Dienstleistungsempfänger Vermögenswerte in Österreich hat (1a). Alternativ dazu kann er die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung gegen den Dienstleistungsempfänger in Deutschland betreiben (1b). Hat der österreichische Dienstleister dagegen einen Prozess in Deutschland gewonnen, sind die deutschen Regeln für die Zwangsvollstreckung in Deutschland anwendbar (2b). Auch hier kann allerdings die Situation auftreten, dass der österreichische Dienstleister lieber auf in Österreich gelegene Vermögenswerte des deutschen Dienstleistungsempfängers (falls solche bestehen) zugreifen möchte – dies setzt dann die Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils in Österreich (2a) voraus.

Im Folgenden werden die Konstellationen der Anerkennung und Vollstreckung in Österreich behandelt. Hierfür sind auch die vorrangigen Regelungen des Europäischen Rechts von Bedeutung, die ebenfalls in ihren wichtigsten Grundzügen dargestellt werden.

In den Fällen, in denen nicht lediglich eine österreichische Entscheidung in Österreich vollstreckt wird, sondern eine deutsche Entscheidung in Österreich (2a) anerkannt und vollstreckt werden muss, ist aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters zunächst die europarechtliche Ebene zu berücksichtigen: Die im Abschnitt internationale Zuständigkeit bereits erwähnte EuGVVO regelt nicht nur die internationale und teilweise auch die örtliche Zuständigkeit in Streitigkeiten zwischen österreichischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern. Vielmehr bestimmt sich auch die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im jeweils anderen EU-Mitgliedsstaat nach der EuGVVO. Aufgrund der zum 10.1.2015 in Kraft getretenen Reform der EuGVVO gilt je nach dem, wann das Verfahren eingeleitet wurde, die Fassung der Brüssel-I-Verordnung oder der Brüssel-Ia-Verordnung (Artikel 66 EuGVVO in der Fassung der Brüssel-Ia-Verordnung). Unabhängig davon gibt es bei unbestrittenen Forderungen die Möglichkeit, einen europäischen Vollstreckungstitel zu beantragen.

Verfahren vor dem 10. Januar 2015

Für Entscheidungen, die in vor dem 10.1.2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, kommt die EuGVVO in der Fassung der Brüssel-I-Verordnung zur Anwendung, sofern sie in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen. 

Da mittlerweile nur noch sehr wenige Verfahren von diesen Regeln betroffen sein dürften, wird an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung der Brüssel-I-Verordnung verzichtet.

Verfahren seit dem 10. Januar 2015

Auf Verfahren, die am 10.1.2015 oder danach eingeleitet wurden oder werden, finden die Vorschriften der EuGVVO in der Fassung der Brüssel-Ia-Verordnung Anwendung, sofern sie in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen.

Der Begriff “Entscheidungen“ umfasst dabei jegliche gerichtliche Entscheidung - ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung als Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid (Artikel 2 lit. a EuGVVO).

Die jeweilige Entscheidung wird im jeweils anderen Land dabei ohne besonderes Verfahren anerkannt (Artikel 36 EuGVVO). Die Partei, die die Anerkennung der Entscheidung erreichen möchte, hat nur eine beweiskräftige Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung sowie die sogenannte "Bescheinigung über eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen" vorzulegen (Artikel 37 EuGVVO). Für die Bescheinigung gibt es in Anhang I der EuGVVO ein Formblatt.

Voraussetzung für die Vollstreckung einer anerkannten Gerichtsentscheidung ist, dass sie im Staat der Gerichtsentscheidung (so beispielsweise in Deutschland) vollstreckbar ist (Artikel 39 EuGVVO). Bisher musste darüber hinaus der Vollstreckungsstaat (so beispielsweise in Österreich) einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung stattgeben. Dieses sogenannte Exequaturverfahren wurde durch die Brüssel-Ia-Verordnung abgeschafft. Auch für die Vollstreckung ist allein die Vorlage einer beweiskräftigen Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung sowie der oben genannten "Bescheinigung über eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen" erforderlich. Diese muss insbesondere auch bestätigen, dass die Entscheidung vollstreckbar ist (Artikel 42 Absatz 1 EuGVVO). Es ist klargestellt, dass bei Vorlage einer vollstreckbaren Entscheidung jede Sicherungsmaßnahme, die im Recht des Landes, wo die Entscheidung vollstreckt werden soll (so beispielsweise in Österreich), vorgesehen ist, ergriffen werden kann (vgl. hierzu den Abschnitt Eilverfahren dieses Länderberichts). Wird die Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen angestrebt, gelten besondere Formalitäten (Artikel 42 Absatz 2 EuGVVO).

Die Anerkennung einer Entscheidung kann nur auf Antrag eines Berechtigten versagt werden (Artikel 45 EuGVVO), die Vollstreckung einer Entscheidung nur auf Antrag des Schuldners (Artikel 46 EuGVVO). Das Verfahren zur Versagung der Anerkennung ist mit dem über die Versagung der Vollstreckung identisch (Artikel 45 Absatz 4 EuGVVO). Dem Antrag wird jedoch nur stattgegeben, wenn schwerwiegende Gründe, wie etwa ein der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechendes Urteil, vorliegen (Artikel 45 EuGVVO). Die Gerichtsentscheidung darf im Anerkennungs-/Vollstreckungsstaat (hier beispielsweise Österreich) nicht mehr in der Sache selbst nachgeprüft werden (Verbot der révision au fond) (Artikel 52 EuGVVO). Der Antrag ist grundsätzlich an das zuständige österreichische Bezirksgericht, bei dem das Vollstreckungsverfahren anhängig ist. Gegen die Entscheidung über den Antrag kann jede Partei einen Rechtsbehelf vor dem österreichischen Landesgericht einlegen. Gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf wiederum kann vor dem Obersten Gerichtshof Österreichs Revision eingelegt werden.

Bei unbestrittenen Forderungen: Europäischer Vollstreckungstitel

Hat eine Partei in der Gerichtsverhandlung die Forderung der anderen Seite ausdrücklich anerkannt oder haben sich die Parteien vor Gericht gütlich geeinigt und einen Vergleich geschlossen, geht es sogar noch etwas einfacher.

Denn bei unbestrittenen Forderungen (wie beispielsweise bei Anerkenntnissen vor Gericht oder gerichtlichen Vergleichen) wird das Vollstreckungsverfahren durch Beantragung eines Europäischen Vollstreckungstitels nach der europäischen Verordnung (EG) Nr. 805/2004 weiter vereinfacht. Zu beachten ist aber, dass der Europäische Vollstreckungstitel kein selbständiger Vollstreckungstitel ist. Es wird nur die Vollstreckbarkeit eines bestehenden Vollstreckungstitels auf die anderen Mitgliedsstaaten erweitert.

Im oben dargestellten Beispielsfall des deutschen Dienstleistungsempfängers, der einen Rechtsstreit mit dem österreichischen Dienstleistungserbringer wegen einer Schadensersatzforderung führt, bedeutet dies:

Wird vor einem deutschen Gericht ein Vergleich zwischen diesen beiden Parteien geschlossen und erfüllt der österreichische Dienstleistungserbringer seine Verpflichtung aus diesem Vergleich nicht, so wird das deutsche Gericht auf Antrag den Vergleich bestätigen. Mit dieser Bestätigung des Vergleichs als Europäischer Vollstreckungstitel kann in Österreich ohne den Zwischenschritt der Vollstreckbarerklärung vollstreckt werden.

Den gleichen Vorteil genießt natürlich auch der österreichische Dienstleistungserbringer, wenn er und der deutsche Dienstleistungsempfänger vor einem österreichischen Gericht einen Vergleich geschlossen haben.

Weiterführende Informationen zum Europäischen Vollstreckungstitel bietet das EU-Portal mit Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung.

Vollstreckung österreichischer Entscheidungen in Österreich

Die Zwangsvollstreckung wird in Österreich als Exekution bezeichnet. Die Zwangsvollstreckung österreichischer Gerichtsurteile richtet sich nach den Vorschriften der österreichischen Exekutionsordnung.

Wegen Geldforderungen kann in Grundstücke mittels Begründung eines Pfandrechts, Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung vollstreckt werden (§ 88 ff. Exekutionsordnung). Bewegliche Sachen können zur Begleichung von Geldforderungen grundsätzlich von Gerichtsvollziehern gepfändet und freihändig verkauft oder öffentlich versteigert werden (§§ 249 ff. Exekutionsordnung). Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch in bestimmte Geldforderungen des Schuldners selbst, durch Pfändung und Überweisung vollstreckt werden (§§ 289 ff. Exekutionsordnung)

Sollen nicht Geldforderungen, sondern im Gerichtsurteil titulierte Herausgabeansprüche bezüglich bestimmter Sachen vollstreckt werden, nimmt der Gerichtsvollzieher diese Sachen dem Schuldner weg und händigt sie dem Gläubiger gegen Empfangsbestätigung aus (§ 346 Exekutionsordnung).

Germany Trade & Invest (Stand: Mai 2024)

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