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Deutsche Lebensmittelhändler in den USA immer erfolgreicher
Der Lebensmitteleinzelhandel in den USA ist in Bewegung. Insbesondere Aldi befindet sich auf der Überholspur. Zwei etablierte Platzhirsche suchen derweil ihr Heil in einer Fusion.
01.12.2023
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Nach Prognosen von Coresight Research soll der Lebensmittelhandel in den Vereinigten Staaten 2024 um nominal 4,2 Prozent wachsen und ein Volumen von 1,56 Billionen US-Dollar (US$) erreichen. Der ohnehin schon fragmentierte Markt ist dabei zunehmend umkämpft. Klassische Supermarktketten mit Vollsortiment wie Kroger und Albertson geraten von allen Seiten unter Druck.
Das Aldi-Prinzip – nur mit breiteren Gängen und besserem Angebot
Lebensmittel waren in den USA schon immer deutlich teurer als in Deutschland. Durch die zuletzt besonders stark gestiegenen Preise gewinnen insbesondere Discounter neue Kunden. Gemessen an den Neueröffnungen ist Aldi Süd der am schnellsten wachsende Lebensmittelhändler in den USA. Mit etwa 120 Neueröffnungen allein im Jahr 2023 betreibt der deutsche Investor mittlerweile rund 2.400 Filialen. Das Geschäftsprinzip ist das gleiche wie in Deutschland - nur haben die Kunden mehr Platz und das Angebot ist größer.
Mit der geplanten Übernahme von rund 400 Filialen der Ketten Winn-Dixie und Harveys Supermarkets schaltet Aldi noch einen Gang höher: Damit stärkt die Kette ihre Position in den südöstlichen Bundesstaaten Alabama, Georgia, Louisiana, Mississippi und Florida. Geht der Deal wie geplant im 1. Halbjahr 2024 über die Bühne, überholt die Unternehmensgruppe aus Mülheim an der Ruhr mit dann 2.800 Filialen sogar Größen wie Kroger (2.700 Geschäfte) und Albertson (2.300 Märkte).
Wettbewerb beobachtet Aldi mit Argusaugen
"Eine beträchtliche Anzahl der übernommen Geschäfte werden wir in das Aldi-Format umwandeln", sagte Aldi-CEO Jason Hart der Branchenzeitschrift Supermarket News. Ein Prozess, der sich über Jahre hinziehen wird. In der Branche sorgt dies bereits für Diskussionen.
Im Durchschnitt erreichen Aldi-Geschäfte in den USA nur eine Größe von etwa 2.000 Quadratmetern. Das Sortiment besteht zu knapp 90 Prozent aus Eigenmarken. Nun übernimmt Aldi viele Vollsortimentgeschäfte: Ein klassischer Markt von Winnie-Dixie ist über 4.000 Quadratmeter groß. Der Anteil von Eigenmarken liegt aber unter 30 Prozent. Die Branche beobachtet deshalb genau, ob es demnächst Anzeichen für neue großformatige Filialen mit breiterer Produktpalette unter dem Aldi-Logo gibt.
Mit der Kette Trader Joe's ist auch der Schwesterkonzern Aldi Nord im US-Markt erfolgreich. Bei den Kunden ist die deutsche Tochter wegen ihrer trendigen Produkte beliebt. Das Filialnetz wird kontinuierlich ausgebaut und erstreckt sich mittlerweile über 42 Staaten mit mehr als 560 Geschäften. Anfang 2023 verkündete Trader Joe's den Bau eines neuen Distributionszentrums in Franklin, Kentucky. Dies wird als Vorbereitung für Neueröffnungen in den angrenzenden Bundesstaaten gedeutet.
Lidl siedelt sich vor allem an der Ostküste an
Der Neckarsulmer Discounter Lidl ist seit 2017 in den USA vertreten. Die rund 170 Filialen sind bislang ausschließlich in neun Ostküstenstaaten zu finden. Branchenkennern zufolge verläuft das Expansionstempo langsamer als von Lidl beim Markteintritt erhofft. Nach Marktstudien der Bank of America gehört Lidl jedoch neben Aldi zu den wenigen, die den Branchen-Primus Walmart preislich unterbieten können. Analysten sehen deshalb weiterhin gute Chancen für eine Expansion.
Derzeit konzentriert sich Lidl auf die Optimierung des Filialnetzes. Standorte mit zu geringen Umsätzen werden geschlossen. An besser positionierten Orten entstehen Märkte, beispielsweise im Staat New York. In Falls Township, Pennsylvania, sicherte sich Lidl ein Grundstück, auf dem das insgesamt fünfte Distributionszentrum in den USA entstehen soll. Laut dem Westfair Business Journal gibt es zudem Pläne für den Bau eines riesigen Warenlagers mit 83.000 Quadratmetern Nutzfläche in East Fishkill, New York. Ein eindeutiges Statement von Lidl pro Expansion.
Inländische Anbieter steuern gegen
Auch US-Discounter verfolgen ehrgeizige Wachstumsstrategien. Grocery Outlet will auf längere Sicht ein landesweites Netz von rund 4.000 Filialen aufbauen, fast zehnmal so viel wie Mitte 2023 (455). Auch die legendären "Dollar-Stores" von Ketten wie Dollar General oder Dollar Tree passen sich an: Die Märkte boten traditionell vor allem allgemeine Handelsware an. Nun setzen die Betreiber stärker auf eigene Lebensmittelabteilungen und gewinnen Marktanteile. Dollar General will seine Präsenz von derzeit rund 19.000 Geschäften auf 34.000 ausbauen.
Mit Niedrigpreisen fährt auch Einzelhandelsgigant Walmart auf der Erfolgsspur: Mittlerweile wird im Lebensmitteleinzelhandel jeder vierte Dollar bei dem Konzern mit Hauptsitz in Arkansas ausgegeben. Über 90 Prozent der US-Bevölkerung leben weniger als 16 Kilometer von der nächsten Walmart-Filiale entfernt. In den kommenden zwei Jahren will die Kette 9 Milliarden US$ in die Modernisierung ihrer rund 1.400 Standorte stecken.
2021 *) | 2022 *) | 2023 *) | |
---|---|---|---|
Walmart | 23,7 | 24,1 | 25,2 |
Kroger | 12,1 | 11,2 | 10,7 |
Costco Wholesale | 9,4 | 9,6 | 9,9 |
Albertsons | 6,7 | 7,1 | 7,2 |
Sam's Club | 4,7 | 4,9 | 5,1 |
Ahold Delhaize | 5,4 | 5,3 | 5,0 |
Publix | 5,0 | 5,2 | 5,0 |
Target | 3,1 | 3,1 | 3,0 |
Aldi | 2,1 | 2,1 | 2,3 |
Dollar General | 1,9 | 2,0 | 2,1 |
Auch Amazon nimmt Lebensmittel wieder in den Fokus. Im Jahr 2024 will der Onlineriese die zwischenzeitlich ausgesetzte Expansion der Amazon-Fresh-Läden fortsetzen. Im Premiumbereich ist Amazon mit seinen Whole-Foods-Märkten auf Wachstumskurs. Zudem soll die Position im wachsenden E-Commerce-Segment gestärkt werden. Im November 2023 verkündete Amazon, dass künftig auch alle Nicht-Prime-Kunden den Lieferdienst für ihre Lebensmittelbestellung nutzen dürfen. Im Jahr 2022 steuerte der Onlinehandel rund 10 Prozent zum gesamten Lebensmittelumsatz bei. Die Marktforscher von Freedonia prognostizieren bis 2027 einen Anstieg auf über 14 Prozent.
Kroger und Albertsons wollen fusionieren
All diese Entwicklungen gehen zu Lasten der etablierten Supermärkte. Vor 30 Jahren hielten klassische Vollsortimentanbieter noch einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Mittlerweile sind es weniger als 60 Prozent. Traditionelle Platzhirsche wie Kroger und Albertsons wollen ihre Kräfte deshalb bündeln. Wenn der Zusammenschluss der beiden Unternehmen wie geplant bis Mitte 2024 behördlich genehmigt wird, entsteht ein neuer Branchenriese mit mehr als 4.000 Filialen.