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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Wahlkampf

Labour will Annäherung an EU vorantreiben

Ohne Rückkehr in die EU oder in die Zollunion will die Labour-Partei den EU-Handel erleichtern. Das trifft den Nerv der Wirtschaft. Eine der größten Hürden bleibt aber außen vor.

Von Marc Lehnfeld | London

Im britischen Wahlkampf spielte das Verhältnis zur EU lange keine Rolle. Labour-Chef Keir Starmer hatte bereits zuvor ausgeschlossen, das Land wieder in die EU oder die Zollunion zu führen. Damit will er die Stimmenzahl für seine Partei erhöhen und die Brexit-Spaltung in der Bevölkerung nicht erneut anfachen. Mit einem Vorsprung von 20 Prozentpunkten vor den amtierenden Konservativen zeigt sich Labour nun mutiger und stellt Maßnahmen zur Verbesserung der Beziehungen zur EU vor, insbesondere durch die Schatten-Finanzministerin Rachel Reeves.

Drei Labour-Maßnahmen zur Verbesserung des UK-EU-Handels

In ihrem Wahlprogramm setzt die Partei auf drei pragmatische Maßnahmen, um den Handel mit der EU zu vereinfachen: ein mögliches Veterinärabkommen für den Handel mit bestimmten Lebensmitteln wie Fleisch- und Frischmilcherzeugnissen, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen zur verbesserten Erbringung von Dienstleistungen und die Erleichterung der Mobilität von Künstlern auf Tourneen.

In einem aktuellen Interview mit der Tageszeitung Financial Times bezeichnet Rachel Reeves die drei geplanten Maßnahmen lediglich als Beispiele und öffnet damit ihren Handlungsspielraum. Konkret nennt sie einen weiteren wichtigen Punkt: die stärkere Angleichung der Chemieregulierung an die EU. Damit spielt sie auf die noch einzuführende UK REACH Datenbank an, die in der britischen Chemieindustrie als Doppelbelastung zum EU REACH System gesehen wird. 

47 %

der britische Warenexporte gingen 2023 in die EU. Damit ist die Union der wichtigste Absatzmarkt des Vereinigten Königreichs. Der Anteil ist rückläufig.

Verbände fordern konkrete Maßnahmen für engere EU-Kooperation

Mit ihren Vorstellungen zu verbesserten Handelsbedingungen mit der EU trifft die Labour-Partei grundsätzlich das Sentiment der britischen Wirtschaftsverbände. Ihre großen Industriesprachrohre wie die Confederation of British Industries (CBI), das Institute of Directors (IoD), die Federation of Small Businesses (FSB) und Make UK verweisen auf den für 2026 geplanten Review des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich und sehen darin zahlreiche Möglichkeiten für Verbesserungen. 

So verlangt Make UK eine Angliederung des britischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus UK CBAM an das europäische CBAM. Nach Informationen der Financial Times wird innerhalb der Labour-Partei bereits diskutiert, wie sowohl das zukünftige CBAM-Regime als auch das Emissionshandelssystem (ETS) stärker an ihre europäischen Äquivalente angeglichen werden können. 

Darüber hinaus haben die Verbände teilweise sehr spezifische Wünsche für die Verbesserung des gegenseitigen Marktzugangs. Der Mittelstandsverband FSB fordert beispielsweise die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen. Das IoD fordert, dass die gelockerten Regeln für den Ursprung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen im EU-UK-Handel verlängert werden. Außerdem wollen sie die 90-Tage-Grenze für EU-Geschäftsvisa ausweiten.

Annäherung an Europa erfordert Entgegenkommen der EU

Die detaillierten Wünsche der Verbände unterstreichen einmal mehr neue Hürden, die britische Unternehmen im EU-Geschäft nach dem Brexit erleben. Auch wenn sich die Labour-Zielrichtung mit den Vorschlägen der Verbände in weiten Teilen überlappen, ist eine Verbesserung der Handelsbedingungen nicht selbstverständlich. Unklar ist, wie sich die EU-Kommission zu den Vorschlägen einer neuen britischen Regierung positionieren wird. Schließlich muss sie als Verhandlungspartnerin solchen Vorschlägen zustimmen und wird dabei auch Erleichterungen für den Marktzugang europäischer Unternehmen im Vereinigten Königreich durchsetzen wollen. 

Das ist grundsätzlich möglich, wenn beide Verhandlungspartner an einem Strang ziehen, wie die Einigung auf das Windsor Framework, die britische Aufnahme in das Horizon-Programm und die Einigung bei den Ursprungsregeln im Elektroautohandel zeigen. Während eine britische Anlehnung an das europäische Regulierungsrahmen willkommen ist, klaffen vor allem bei der grenzüberschreitenden Mobilität große Lücken, bei denen eine Einigung noch nicht in Sicht ist.

Dringliche Verbesserungen bei Fachkräftemobilität nicht absehbar

Deutsche Unternehmen auf der britischen Insel beklagen branchenübergreifend die hohen Hürden bei der Fachkräftemobilität. Schließlich gehört der Fachkräftemangel laut Umfrage der Deutsch-Britischen Handelskammer zu ihren drei größten Herausforderungen. Die strikte Einwanderungspolitik führt zu hohen Anforderungen an die Dienstleistungserbringung und Mitarbeiterentsendung. So können beispielsweise handwerkliche Dienstleistungen deutscher Betriebe nur unter eingeschränkten Bedingungen erbracht und Praktikanten aus der EU kaum in britischen Niederlassungen beschäftigt werden. Mitarbeiterentsendungen sind durch die hohen Anforderungen an die lokalen Niederlassungen ("sponsorship license"), die Entsandtkraft (Sprachkenntnisse, Qualifikations- und Gehaltsniveau) sowie die Visums- und Beratungskosten teuer und aufwändig geworden.

 

Ein Blick auf die Nettomigration zeigt, wie sich die Hürden bei der Einwanderung auswirken. Insgesamt ist die Nettomigration stark gestiegen, deutlich wegen eines starken Zustroms aus Nicht-EU-Ländern. Der Einwanderungssaldo von EU-Bürgern wiederum war nicht nur lange rückläufig, sondern ist auch seit Herbst 2021 negativ. 

In der Frage der grenzüberschreitenden Mobilität ist die Perspektive auf kurzfristige Erleichterungen gering. Die Labour-Partei gibt in ihrem Wahlprogramm zwar an, das Einwanderungssystem und die Visavergabe zu reformieren und stärker auf den Fachkräftebedarf auszurichten, will damit aber auch die Nettozuwanderung insgesamt verringern.

Auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des Thinktanks "UK in a Changing Europe" (UKICE) kommt zum Schluss, dass eine mögliche Labour-Regierung als wahrscheinlicher Wahlsieger zu einer Annäherung an die EU führen wird. UKICE erwartet aber allenfalls eine langsame Verbesserung in kleinen Schritten.

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