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Rechtsbericht Vereinigtes Königreich Arbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht

Vor der Wahl: Wie ändert sich das britische Arbeitsrecht?

Die drei relevantesten Parteien haben ihre Wahlprogramme für die Unterhauswahl am 4. Juli 2024 veröffentlicht. Bei einem Regierungswechsel gäbe es etliche Änderungen.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Die Konservativen versprechen Kontinuität

Das Wahlprogramm (Manifesto) der konservativen Partei für die Wahl 2024 vom 11. Juni 2024 verspricht – erwartungsgemäß – keine besonders einschneidenden Änderungen. Es enthält aber einige Ankündigungen, die berichtenswert sind: So sollen die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer bis 2027 von 12 auf 6 Prozent halbiert werden, für Selbständige sollen sie sogar vollständig abgeschafft werden. 

Die bereits gestarteten Konsultationen sollen im Falle eines Wahlsiegs fortgeführt werden. Die geplante Einführung von Gerichtsgebühren bei Arbeitsgerichten dürfte in diesem Fall ebenfalls kommen. 

Die Labour Partei verspricht mehr Arbeitnehmerrechte 

Das Wahlprogramm der Labour Partei sieht hingegen eine Vielzahl von Änderungen vor - hier eine Auswahl der relevantesten Punkte: Schon innerhalb der ersten 100 Tage nach Amtsantritt soll die „Employment Rights Bill“ eingebracht werden. Sie soll insbesondere einen „single enforcement body“ schaffen, also eine Behörde, die die Überwachung der Arbeitsstandards in Sachen Arbeitszeit, Arbeitsschutz und Mindestlohn übernimmt. Bislang sind dafür verschiedene Behörden verantwortlich.

Die vielleicht praxiswirksamste Änderung: Viele Rechte aus dem Arbeitsverhältnis stehen Arbeitnehmenden erst nach einer bestimmten Wartezeit zur Verfügung. Einige Rechte, bei denen dies bisher so war, sollen jetzt zu so genannten „day one rights“ werden. So soll die Wartezeit von derzeit zwei Jahren, während der man in den meisten Fällen keinen Kündigungsschutz hat, ersatzlos abgeschafft werden. Kündigungsschutz, zum Beispiel bei betriebsbedingten Kündigungen, wäre dann ein Recht, das ohne Wartezeit für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gälte. Entsprechendes ist für die Leistung im Krankheitsfall (statutory sick pay) und Elternzeit (parental leave) vorgesehen.

In Sachen Anti-Diskriminierung ist die Einführung eines „Race Equality Act“ geplant. Vermutlich soll es bei Arbeitgebern mit mehr als 250 Arbeitnehmenden einen ausdrücklichen Anspruch auf Auskunft über die Bezahlung anderer Ethnien geben, damit Ansprüche auf gleiches Gehalt besser geltend gemacht werden können. Entsprechendes soll es auch für Menschen mit Behinderungen geben. Größere Unternehmen sollen verpflichtet werden, Aktionspläne zur Beseitigung ungleicher Vergütung vorzulegen und zu implementieren.   

Null-Stunden-Verträge (zero hours contracts) sind Verträge ohne garantierte Arbeitszeit und Bezahlung. Künftig sollen Arbeitnehmende das Recht auf Beschäftigung mit derjenigen Stundenzahl haben, die in den vergangenen zwölf Wochen im Durchschnitt erreicht wurde.

Der gesetzliche Mindestlohn, der im Vereinigten Königreich schon 1998 eingeführt wurde, soll angepasst werden. Es ist geplant, die „Low Pay Commission“ zu beauftragen, einen Betrag zu ermitteln, der nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt, sondern auch die realen Lebenshaltungskosten abdeckt. Die bisherige Aufteilung in verschiedene Altersklassen soll ersatzlos wegfallen.

Schließlich noch einige Pläne in stichwortartiger Aufzählung:

  • Recht auf Abschalten (right to disconnect) für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – vielleicht ähnlich dem irischen Vorbild;
  • Die Einführung einer deutlich verlängerten, sechsmonatigen Klagefrist beim Arbeitsgericht (employment tribunal);
  • Ein absolutes Kündigungsverbot für Mütter, die aus dem Mutterschutz zurückkehren, und zwar für sechs Monate;
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Gewerkschaften im Betrieb, zum Beispiel durch Zutrittsrechte – nach Abstimmung mit der Arbeitgeberseite – für Gewerkschaftsfunktionäre. Außerdem sollen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Arbeitsbeginn schriftlich über ihr Recht, einer Gewerkschaft beizutreten, informiert werden.

Die Liberal Democrats wollen mehr soziale Rechte – nicht nur für Arbeitnehmer

Die britischen Liberaldemokraten werden voraussichtlich nicht ohne Partner regieren können, aber möglicherweise als Teil einer Koalition. Außerdem können auch einzelne Abgeordnete aus ihrer Fraktion Gesetzentwürfe einbringen. Daher sind ihre Vorschläge potentiell durchaus relevant. Eine Auswahl der wichtigsten Forderungen des Manifestos:

  1. Elterngeld und Elternzeit sollen „day one rights“ werden und auf selbständig tätige Eltern ausgedehnt werden. Der Betrag des Mutterschafts-/Elterngeldes (Statutory Maternity/Parental Pay) soll auf 350 Pfund pro Woche erhöht werden. Für Väter/Partner soll es vier Wochen bezahlten Sonderurlaub geben, mit 90 Prozent des Gehalts.   
  2. Statutory Sick Pay würde ab dem ersten Krankheitstag gezahlt, außerdem wäre es künftig auch für diejenigen verfügbar, deren Gehalt unterhalb der Bemessungsgrenze (derzeit 123 Pfund pro Woche) liegt. Schätzungen zufolge würden davon circa 2 Millionen Personen profitieren. 
  3. Die sogenannte „Platform-„ oder auch „gig-economy“ soll besser geregelt werden. Man will eine neue Mischform zwischen „Arbeitnehmerin“ und „Selbständigem“ finden, den sogenannten dependent contractor. Diese Personen sollen nicht alle Arbeitnehmerrechte, aber einige grundlegende Ansprüche erhalten, zum Beispiel ein Recht auf Urlaub, Krankengeld und Mindesteinkommen. Für die zero hours contracts haben die Liberaldemokraten andere Vorschläge als Labour: sie wollen den Mindestlohn für solche Verträge um 20 Prozent erhöhen, um so für die Unsicherheit zu kompensieren. Außerdem soll nach einem Jahr mit einem solchen Vertrag ein Anspruch auf einen Vertrag mit garantierter Stundenzahl entstehen.  

Weitere interessante Vorschläge sind die Ausweitung des namensblinden Rekrutierungsprozesses im öffentlichen Dienst und die Einführung im privaten Sektor, sowie ein Anspruch auf Zuteilung von Aktien bei börsennotierten Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten.

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