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Nahrungsergänzung ist in Vietnam in aller Munde
Der vietnamesische Markt für Nahrungsergänzungsmittel wird für deutsche Anbieter immer attraktiver. Die Hauptvertriebswege sind aber andere als in der Bundesrepublik.
25.03.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Euromonitor schätzte den Markt für Nahrungsergänzungsmittel in Vietnam 2022 auf rund 2,4 Milliarden US-Dollar (US$). Das Marktvolumen ist schwierig zu ermitteln, da es in Vietnam eine verbreitete Praxis ist, diese Produkte von Auslandsreisen im Gepäck mitzubringen. Sie werden dann über soziale Medien oder in kleinen Läden verkauft. Dieser Teil des Marktes ist für Forscher nicht einsehbar. Nach verschiedenen Studien soll der Markt in den kommenden fünf Jahren zwischen 8 und 10 Prozent jährlich zulegen.
Immer neue lokale Handelsketten mit ausländischen Fonds als Investoren, aber auch neue Ketten aus dem Ausland versuchen, im Land Fuß zu fassen. Viele Faktoren begünstigen den Absatz von Nahrungsergänzungsmitteln in Vietnam. Mit wachsender Kaufkraft und größerer Luftverschmutzung steigt das Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher. Aber auch die Coronakrise hat der Nachfrage in den letzten Jahren Auftrieb gegeben. Zudem haben natürliche Heilmittel in Vietnam eine starke Tradition.
Apotheken haben Vertrauensbonus bei Verbrauchern
Der Verkauf verteilt sich auf verschiedene Kanäle im physischen Handel und auf Onlineplattformen. Offizielle Zahlen zu der Verteilung gibt es nicht. Wichtig im physischen Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln sind moderne Apothekenketten, die seit wenigen Jahren expandieren. Sie machen zwar weniger als 10 Prozent der etwa 50.000 Apotheken des Landes aus, erwirtschaften aber nach Schätzungen von Marktbeobachtern etwa die Hälfte der Umsätze. Moderne Apothekenketten stechen bei Nahrungsergänzung hervor, weil Verbraucher ihnen mehr Vertrauen entgegenbringen als unabhängigen Apotheken, Supermärkten oder dem reinen Onlinehandel.
Long Chau, Pharmacity und An Khang sind die mit Abstand größten Ketten. Long Chau hatte Ende 2024 fast 2.000 Filialen, Pharmacity hatte über 920 und An Khang mehr als 320 Filialen. Unabhängige Apotheken konzentrieren sich vor allem auf verschreibungspflichtige Medikamente. Nur etwa 1.000 von ihnen verkaufen nach Schätzungen von Unternehmern auch Nahrungsergänzungsmittel.
E-Commerce gewinnt an Bedeutung
Der Onlinehandel in Vietnam wächst explosiv. Im Jahr 2024 legte der Verkauf von Waren über diesen Kanal um 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. E-Commerce wird auch für Nahrungsergänzung immer wichtiger, weil große Laden- und Apothekenketten immer selektiver bei der Produktauswahl sind. Sie nehmen nur noch Marken in ihr Sortiment auf, die schon ein bedeutendes Umsatzvolumen haben.
Viele Onlineshops sind in den letzten beiden Jahren vom Markt verschwunden, 2024 allein ein Fünftel. Ein Grund für dieses Phänomen ist, dass vietnamesische Behörden mittlerweile stärker auf die Zahlung von Steuern achten. Zudem drücken große Händler auf die Margen der Kleinstanbieter. Dadurch wird der E-Commerce professioneller. Unter den Plattformen hat TikTok Shop (China) kleinere Anbieter wie Lazada (derzeit Teil von Alibaba; China), Tiki und Sendo (beide Vietnam) beinahe völlig verdrängt, während der Marktführer Shopee (Singapur) seinen Marktanteil bewahren konnte.
Laut Alex Wilkinson, der Country-Managerin der britischen Firma Optibac, ist ein Markteinstieg über den modernen Einzelhandel in Kombination mit Onlinehandel möglich. Einige Anbieter versuchten ihr Glück sogar nur per Internet.
Drogeriemärkte wie in Deutschland, die Schönheits- und Gesundheitsprodukte führen, haben sich in Vietnam bisher nicht durchgesetzt. Die noch kleinen Ketten Guardian aus Hongkong und Medicare aus Malaysia versuchen weiter, das Format zu etablieren. Auch Supermärkte sind ein wichtiger Kanal, genauso wie Ladenketten für Kinderartikel wie Concung, Kidsplaza und Bibomart sowie Ketten für Schönheitsprodukte wie Hasaki.
Ausländische Präparate haben Vorteil
In den letzten Jahren haben Nahrungsmittelskandale das Misstrauen der vietnamesischen Verbraucher geweckt. Dies spielt ausländischen Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln in die Hände. Preiswertere Marktsegmente werden zwar von vietnamesischen Herstellern wie Traphaco, Hau Giang und Nam Duoc dominiert, aber ausländische Firmen dominieren bei höherpreisigen Produkten.
Unter den ausländischen Anbietern sind amerikanische Firmen wie Herbalife, Amway und Nu Skin stark positioniert. Sie verkaufen im mehrstufigen Direktvertrieb (Multi-level direct selling) über unabhängige Einzelverkäufer. Diese Art des Vertriebs gilt als sehr effektiv in Vietnam, etwa 800.000 Personen sollen im Direktvertrieb aktiv sein. Stark im Geschäft ist ebenfalls das deutsche Unternehmen Queisser Pharma mit der Marke Doppelherz. Auch Anbieter aus Südkorea wie Cheong Kwan Jang sind sehr erfolgreich.
Problematisch ist, dass Produktfälschungen im Markt sehr präsent sind. Diese werden von staatlichen Stellen nicht effektiv verfolgt. Gleichzeitig können Anbieter unbehelligt mit übertriebenen, wissenschaftlich nicht gedeckten Versprechungen für Präparate werben. Auch gesponserte Presseartikel sind in Vietnam üblich.
Markt wird professioneller
Nach Aussagen von Benji Lamb vom Beratungsunternehmen Asia Circles ist der Markt inzwischen sehr professionell, mit der Integration von Offline- und Onlinehandel durch moderne Einzelhandelsketten und wachsender Konkurrenz. Laut Lamb sind die Zeiten des "One-Container-Marktes" vorbei, wo lokale Distributoren periodisch einen Container Ware importiert und relativ selbständig verteilt hatten.
"Der strategische Aufbau der Marke ist alles."
sagt Benji Lamb.
Die Marktbearbeitung funktioniert klassisch entweder auf eigene Faust mit einer lokalen Tochterfirma oder über einen Distributionspartner. Die erste Option erfordert zwar höhere Investitionen, aber ermöglicht die Kontrolle über den Kundenstamm und die Preissetzung. Das kann wichtig sein, da lokale Partner oft hohe Preise ansetzen und weniger auf das Volumen achten. Will ein ausländischer Anbieter später die Kontrolle über die Preissetzung zurück, ist nach Aussagen von Experten eine Einigung mit dem lokalen Distributor oft schwierig.