Rechtsbericht Welt Schiedsgerichtsbarkeit
Schiedsverfahren ist gängiges Instrument im internationalen Wirtschaftsverkehr
Die Schiedsgerichtsbarkeit ist die bevorzugte Streitbeilegungsmethode der internationalen Wirtschaft. Der Beitrag stellt praxisrelevante Aspekte vor.
02.12.2020
Von Dmitry Marenkov | Bonn
Vorteile auf einen Blick
Die Streitbeilegung durch Schiedsgerichte weist eine Reihe von Vorteilen auf. Verhandlungen finden „hinter verschlossenen Türen“ statt, sodass Verfahrensinhalte der Presse und den Wettbewerbern in der Regel nicht bekannt werden. Die Verfahrensparteien können Fachleute mit den im Einzelfall notwendigen Rechts-, Branchen- und Sprachkenntnissen als Schiedsrichter ernennen. Das Verfahren kann in der von den Parteien gewählten Sprache stattfinden. Die Schiedsgerichtsbarkeit bietet ein konsensfähiges „neutrales Forum“ außerhalb des Rechts- und Gerichtssystems der Länder der Beteiligten. Schiedssprüche können zudem – im Gegensatz zu Gerichtsurteilen – praktisch weltweit vollstreckt werden.
Verzichtet man auf eine Schiedsklausel, ist man im Falle der Forderungsdurchsetzung meist auf die staatlichen Gerichte am Sitz des Geschäftspartners angewiesen, jedenfalls im Geschäftsverkehr mit Ländern, in denen deutsche Gerichtsurteile nicht vollstreckt werden (z.B. China, Russland, Saudi-Arabien, Thailand, Vereinigte Arabische Emirate). Angesichts der Geltung des ausländischen Verfahrensrechts und der ausländischen Prozesssprache sowie bei Zweifeln an der Qualität und der Unabhängigkeit der Justiz im einschlägigen Staat dürfte ein solches Gerichtsverfahren nur selten ein wünschenswertes Szenario sein. Somit kann ein Schiedsverfahren – selbst bei höheren Kosten – die bessere oder gar einzige Option bei der Rechtsverfolgung mit bestimmten Ländern sein.
Dennoch gilt: Streitvermeidung vor Streitbeilegung!
Bei gegenwärtigen pandemiebedingten Störungen von Lieferketten sollte man auch zunächst eine gütliche Einigung im Wege einer Mediation in Erwägung ziehen.
Weite Verbreitung der Schiedsgerichtsbarkeit
Schiedsverfahren sind nicht nur großen Fällen vorbehalten. So administrierte die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) im Jahre 2019 Fälle mit Streitwerten von rund 2.000 Euro bis 600 Millionen Euro. Vor dem Schiedsgerichtszentrum der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC) in Wien waren im vergangenen Jahr Verfahren mit Streitwerten zwischen 28.000 Euro und 50 Millionen Euro anhängig.
Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit zeichnet sich auch durch eine breite Branchenvielfalt aus: so betrafen die 2019 bei der Internationalen Handelskammer (ICC) durchgeführten Schiedsverfahren rund 20 verschiedene Wirtschaftsbranchen, inklusive Bau, Chemiebranche, Energie, Landwirtschaft, Pharmaindustrie, Rohstoffe, Telekommunikation, Transport und Unterhaltung.
Besonders verbreitet sind Schiedsverfahren bei Streitigkeiten hinsichtlich grenzüberschreitender Warenlieferungen, Unternehmenskaufverträge, Anlagenbau, Energielieferverträgen, Seetransport.
Ablauf und Dauer von Schiedsverfahren
Ein Schiedsverfahren wird mit der Erhebung der Schiedsklage eingeleitet. Nach zwei Schriftsatzrunden (Schiedsklage – Klageerwiderung; Replik – Duplik) findet meist die mündliche Verhandlung statt, in der auch Zeugen und Sachverständige gehört werden können. Gelegentlich ergeht der Schiedsspruch nur auf Grundlage der schriftlichen Unterlagen. Während der COVID-Pandemie finden Verhandlungen größtenteils virtuell mittels Videokonferenzen statt. Der Schiedsspruch wird meist innerhalb von drei Monaten nach dem letzten Verfahrensschritt erlassen.
Ein Schiedsverfahren dauert im Schnitt zwischen 12 und 18 Monaten ab Bildung des Schiedsgerichts. In kleineren Fällen und bei Beendigung des Verfahrens durch einen Vergleich ist auch die Durchführung des Verfahrens in sechs bis zwölf Monaten denkbar. Komplexere Verfahren – etwa im Anlagenbau oder bei einer Vielzahl von Parteien – können hingegen auch zwei, drei oder mehr Jahre dauern.
Kostenfaktor
Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit gilt als eine teure Angelegenheit. Dies muss jedoch nicht immer der Fall sein.
Zum einen entfallen rund 80 Prozent der Kosten im Zusammenhang mit der Durchführung eines Schiedsverfahrens auf Anwaltshonorare. Somit machen die Schiedsrichterhonorare und die Gebühren der administrierenden Schiedsinstitution nur rund 20 Prozent der Kosten aus. Die Gebühren der Schiedsinstitutionen unterscheiden sich auch stark: neben weltbekannten teuren Schiedszentren gibt es etablierte Schiedsinstitutionen im mittleren Preissegment sowie günstige regionale Alternativen. Somit kann man für jede Art von Verträgen und Streitigkeiten eine angemessene Lösung finden.
Schiedsinstitutionen stellen elektronische Kostenrechner zur Verfügung, mit deren Hilfe eine Berechnung der anfallenden Gebühren auf Grundlage des voraussichtlichen Streitwertes möglich ist:
- Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)
- Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC)
- Schiedsgerichtszentrum der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC)
- Schiedsinstitution der Schweizer Handelskammern (SCAI)
- Schiedsinstitut der Handelskammer Stockholm (SCC)
Schiedsinstitutionen haben auf die Kritik der letzten Jahre hinsichtlich der Kosten- und Zeiteffizienz von Schiedsverfahren reagiert und durch eine Reihe von Maßnahmen für straffere Regeln gesorgt. Ein Viertel der Teilnehmer der im Juni 2020 durchgeführten GTAI-Umfrage erklärten, dass Schiedsverfahren schneller und billiger seien, als internationale Gerichtsverfahren. 42% der Umfrageteilnehmer waren der Ansicht, dass Schiedsverfahren zwar teurer, aber schneller als grenzüberschreitende Gerichtsverfahren sind.
Zu bedenken ist, dass Schiedsparteien zu Beginn des Verfahrens die Bearbeitungsgebühr der Schiedsinstitution sowie einen Vorschuss auf die Honorare und Auslagen der Schiedsrichter leisten müssen. Weigert sich die Beklagte, ihren Anteil zu entrichten, hängt die Fortsetzung des Verfahrens meist davon ab, ob die Klägerin auch den auf die Beklagte entfallenden Vorschussanteil leistet. Dies kann – je nach Streitwerthöhe - eine wesentliche Kostenhürde sein. Das hat zu einer höheren Bedeutung der Prozessfinanzierung (Third Party Funding) in den letzten Jahren geführt.
Hinweis:
Bitte beachten Sie auch das GTAI-Special zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.