Der Beitrag stellt bekannte Schiedsinstitutionen, ihre Aufgaben und mögliche Kriterien zur Auswahl der passenden Schiedsinstitution vor.
Ad hoc vs. institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit
Es gibt zwei Arten der Schiedsgerichtsbarkeit: die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, bei der das Schiedsverfahren von einer Schiedsinstitution administriert wird, und die Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit, die ohne Teilnahme einer Schiedsinstitution stattfindet. In der Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit verzichten die Verfahrensparteien bewusst auf die administrative Unterstützung einer Schiedsinstitution und führen das Verfahren „in Eigenregie“, indem sie den Ablauf des Verfahrens, das Vertragsverhältnis mit den Schiedsrichtern und sonstige Aspekte selbstständig regeln.
Für internationale Sachverhalte empfiehlt sich die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit. Die administrative Unterstützung der Schiedsinstitution samt ihrer Schiedsordnung kann bei vielen Streitfragen helfen, zusätzlichen Streitstoff und damit Verzögerungen zu vermeiden. Auch kann der Ruf einer renommierten Schiedsinstitution – vor allem in „schwierigen“, weniger schiedsfreundlichen Ländern – die Chancen auf eine erfolgreiche Vollstreckung des Schiedsspruches erhöhen.
Aufgaben der Schiedsinstitution
Die Schiedsinstitution stellt eine Schiedsordnung zur Verfügung und schafft dadurch einen Verfahrensrahmen. Sie übernimmt ferner folgende Aufgaben: Überprüfung des Streitwertes, Ernennung von Schiedsrichtern (Ersatzernennung), Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen Schiedsrichter, Verwaltung von Kostenvorschüssen, Zustellung der Schiedsklage und des Schiedsspruchs. Darüber hinaus ist sie Ansprechpartnerin für Parteien und Schiedsrichter in jeder Phase des Schiedsverfahrens. Durch eine Gebührenordnung bleiben Kosten vorhersehbar, es besteht keine Notwendigkeit der Verhandlung der Schiedsrichterhonorare.
Führende Schiedsinstitutionen der Welt
Zu den führenden Schiedsinstitutionen gehören (in alphabetischer Reihenfolge):
Die im Juni 2020 durchgeführte GTAI-Umfrage bestätigte, dass deutsche Unternehmen Schiedsklauseln der DIS und der ICC am häufigsten verwenden, gefolgt von SCAI, LCIA, SIAC, SCC und VIAC.
Gemäß der Studie der School of International Arbitration (Queen Mary College, University of London) aus dem Jahre 2018 gehören die folgenden Schiedsinstitutionen zu den Top-5 der weltweit bevorzugtesten: ICC, LCIA, SIAC, HKIAC und SCC.
Kriterien bei der Wahl der Schiedsinstitution
Die Teilnehmer der GTAI-Umfrage (siehe oben) nannten folgende Kriterien bei der Wahl der Schiedsinstitution: ihr Bekanntheitsgrad/Ansehen, der Gleichlauf mit dem Schiedsort und dem anwendbaren Recht, die Inhalte und Besonderheiten der Schiedsordnung, der Sitz der Schiedsinstitution, persönliche positive oder negative Erfahrungen aus vorherigen Schiedsverfahren, die Höhe der Gebühren sowie die Verfügbarkeit von qualifizierten Schiedsrichtern.
Gemäß der oben genannten Studie des Queen Mary College werden auch folgende Aspekte berücksichtigt: Qualität und Effizienz der Falladministrierung, Neutralität, internationale Präsenz, freie Schiedsrichterwahl (nicht durch Schiedsrichterlisten beschränkt), regionale Präsenz und Kenntnisse sowie Spezialisierung auf bestimmte Fälle.
Es bestehen Unterschiede bei den Verwaltungsgebühren und der Höhe der Schiedsrichterhonorare gemäß der einschlägigen Gebührenordnung, die per elektronischem Kostenrechner auf den Internetseiten der Schiedsinstitutionen vorab berechnet werden können. Niedrige Kosten sind nicht immer nur positiv: es kann schwierig werden, erfahrene Fachleute für ein unterdurchschnittlich bezahltes Schiedsrichtermandat zu gewinnen.
Einige Schiedsordnungen sehen vor, dass der oder die Vorsitzende des Schiedsgerichts von der Schiedsinstitution ernannt wird. Mancherorts kann die Wahl des Einzelschiedsrichters oder des/der Vorsitzenden durch eine Schiedsrichterliste beschränkt werden. Sofern man sich ein anderes Ernennungsverfahren wünscht, wäre dies bei der Gestaltung der Schiedsklausel oder bei der Wahl der Schiedsinstitution zu berücksichtigen.
Des Weiteren kann man Visa-Anforderungen, Entfernungen und Transportverbindungen in Erwägung ziehen. Ferner sollte überlegt werden, ob die Falladministrierung durch etwaige Sanktionen (z.B. US- und EU-Sanktionen gegen Russland) erschwert wird.
Manche Schiedsordnungen beinhalten Auffangregelungen zur Verfahrenssprache zugunsten der Landessprache am Sitz der Schiedsinstitution oder legen den Schiedsort am Sitz der Schiedsinstitution zwingend fest.
Ferner ist zu beachten, dass einige Schiedsordnungen eine automatische Anwendung von beschleunigten Verfahren bei kleineren Streitwerten und eine Präferenz für einen Einzelschiedsrichter vorsehen.
Eine weitere nützliche Überlegung wäre, ob die Schiedsinstitution die Durchführung einer Verhandlung per Video-Konferenz und eine elektronische Dokumentenübermittlung (z.B. über eine Internetplattform) ermöglicht.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der Grad der Involviertheit der Schiedsinstitution in ein Schiedsverfahren (z.B. Überprüfung des Schiedsspruches).
Regionale Schiedsinstitutionen
Daneben bestehen zahlreiche regionale Schiedsgerichte, die aufgrund geringerer Gebühren und ihrer lokalen Spezialisierung insbesondere bei kleineren Fällen eine kostengünstige Alternative sein können. Als Beispiele sind das AIAC in Kuala Lumpur, das CRCICA in Kairo, die Schiedsinstitute in Dänemark (DIA), Finnland (FAI) und den Niederlanden (NAI) sowie die Schiedsgerichte bei den IHK der Länder Osteuropas, beispielsweise bei der IHK Russlands oder der Ukraine, zu nennen.
Auch einige deutsche Auslandshandelskammern (AHK) verfügen über ein Schiedsgericht, z.B. die AHK Rumänien.
Von Dmitry Marenkov
|
Bonn