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Special | China | Seidenstraße

Außenminister begleitet kriselnde Seidenstraße

Die neue Seidenstraße steckt im 1. Halbjahr 2022 in der Krise. China begreift Finanzprobleme als Chance, sein Außenwirtschaftskonzept neu auszurichten.

Von Marcus Hernig | Bonn

Chinas Außenminister Wang Yi gab sich von Januar bis Juni 2022 mit Dienstreisen in Chinas westliche Nachbarstaaten, nach Ostafrika und in den Südpazifik sichtlich Mühe, neue Verbündete zu gewinnen und Solidarität mit alten Freunden in Pakistan oder in Kasachstan zu zeigen. Die Krise der Belt and Road-Initiative (BRI) konnte er damit kaum entschärfen.

GTAI berichtet regelmäßig zu neuen Projekten der Seidenstraße

1. Halbjahr 2021: Auf Chinas neuer Seidenstraße geht der Trend in Richtung erneuerbare Energien

3. Quartal 2021: Neue Belt-and-Road-Projekte fokussieren sich auf Afrika

Jahresrückblick 2021: Die neue Seidenstraße 2021: Viele Projekte, aber kaum grüner

1. Quartal 2022: Biete Kraftwerke, kaufe Lithium und Gas

Beijing vergibt kaum noch staatliche Kredite

Langzeitstudien der Boston University zeigen, dass die Kreditvergaben der China EXIM-Bank und der Chinesischen Entwicklungsbank (CDB) bereits 2019 und 2020 fast zum Erliegen kamen: In beiden Jahren vergaben die großen staatlichen Staatsbanken nur neun Kredite an afrikanische Staaten, während seit dem Jahr 2000 pro Jahr durchschnittlich 14 Kredite gewährt wurden. Auch in Südamerika zeigt sich ein langfristiger Rückgang.

Chinas wirtschaftliche Probleme und die schwindende Finanzierungsbereitschaft der chinesischen Entwicklungsbanken bedeuten aber nicht, dass auch die Zahl der BRI-Projekte abnimmt. Im 1. Halbjahr des Jahres 2022 wurden laut Recherchen von Germany Trade & Invest (GTAI) weltweit 451 Verträge, Fortschreibungen bereits bestehender Verträge oder Absichtserklärungen (MoU) geschlossen. Damit konsolidiert sich der Trend des Jahres 2021: Immer kleinere Projekte in der Größenordnung weniger Millionen US-Dollar (US$) werden der "Belt and Road"-Initiative zugerechnet. Im Jahr 2022 hat sich "BRI" zu einer Dachbezeichnung gewandelt, unter die Peking fast alle Außenwirtschaftsaktivitäten einsortiert.

Afrika ist neue Nummer Eins 

In der 1. Jahreshälfte 2022, so Recherchen der GTAI, wurden unter dieser Voraussetzung in Afrika 140 BRI-Projekte geschlossen. Mit 31 Prozent der Absichtserklärungen und Verträge belegt Afrika mit deutlichem Abstand Rang 1 vor Südostasien (ASEAN-Staaten) mit 107 Projekten. Der Ausbau der Transportinfrastruktur - mehr Straße als Schiene - stand mit 26 Einzelverträgen weiter an der Spitze der Zielbereiche, gefolgt vom Immobiliensektor (15).

Die prestigeträchtigen Eisenbahnprojekte sind von der Krise betroffen: Eines der größten, das Nigeria Railway Modernization Project, erhielt 2022 keine Kredite der China EXIM-Bank mehr und sucht dringend nach privaten Investoren. Wunschkandidat der nigerianischen Regierung ist Siemens. 

China baut weniger in Südostasien, dafür mehr in Lateinamerika

In den meisten Weltregionen hat sich im 2. Quartal 2022 wenig geändert, bis auf eine Ausnahme: Südostasien (ASEAN-Staaten). Hier konnten von April bis Juni nur 44 BRI-Projekte gegenüber noch 63 in den drei Vormonaten unterzeichnet werden. Bedeutsam ist nach wie vor noch der Abbau von Nickel und Kohle durch chinesische Staatsbetriebe in Indonesien. Die beiden Staatspräsidenten Indonesiens und Chinas, Joko Widodo und Xi Jinping, versprachen Ende Juli 2022 in Beijing eine Fortsetzung dieser engen Wirtschaftsbeziehungen. Trotzdem suchen ASEAN-Staaten zunehmend nach alternativen Partnern aus Japan und Europa. Der jüngste Regierungswechsel auf den Philippinen führte zu Neuverhandlungen von chinesischen Krediten.

Lateinamerika verzeichnete bei Immobilien, Kraftwerken und durch den Abbau von Lithium in Argentinien im 2. Quartal einen Aufwärtstrend für chinesische Investitionen. Auch in Europa fanden im selben Zeitraum mit 19 gegenüber 16 Projekten in den drei Vormonaten insbesondere in Osteuropa, aber auch in einzelnen westeuropäischen Ländern mehr Aktivitäten statt. Der Hauptgrund sind zehn neue Verträge und Absichtserklärungen im Energiebereich, vor allem bei Wind und Solar.

Immobilien und digitale Infrastruktur nehmen als Zielbereiche an Bedeutung zu

Bauvorhaben in den Bereichen Energie- und Transportinfrastruktur machten 2021 noch gut zwei Drittel aller BRI-Projekte aus, demgegenüber ist ihr Anteil in der 1. Jahreshälfte 2022 auf 58 Prozent gefallen.

Klarer Aufsteiger ist die Immobilienbranche, darunter auch der Bau von Versorgungsinfrastrukturen etwa zur Wasserversorgung. Entfielen auf diese Branche 2021 nur 12 Prozent aller Projekte, so konnte sie in der 1. Hälfte 2022 mit knapp 19 Prozent einen deutlichen Zuwachs erfahren. 

Auf Chinas digitaler Seidenstraße entwickelten sich im Berichtszeitraum zehn Projekte, die den Ausbau des 5G-Netzes und neuer Lichtwellenleiterkabel in Afrika und anderen Regionen ermöglichen. Beauftragt wurde vor allem der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei. Insbesondere in Afrika baut China kräftig an der fortschreitenden Digitalisierung mit. 

Vergleich der Branchenverteilung bei BRI-Projekten 1.Halbjahr 2021 und 2022 in Prozent

Branche

2021*)

2022

Energie

38,5

35

Transport/Verkehr

28

23

Immobilien

12,5

19

Industrie/Bergbau

9

11

Gesundheit/Umwelt

2

4

IKT

k.A.

2

Land- /Forstwirtschaft

k.A.

3

Sonstige

10

3

*) für das Jahr 2021 sind IKT sowie Land-/Forstwirtschaft in der Zeile "Sonstige" enthaltenQuelle: Seetao.com, BHI.com.cn, Yidaiyilu.gov.cn, Recherchen von Germany Trade & Invest

Außenminister-Reisen bringen nur teilweise "mehr BRI"

Nur vereinzelt setzten die Reisen von Chinas Außenminister Wang Yi in der 1. Jahreshälfte 2022 zusätzlich neue Impulse für die BRI: In Kenia konnten die Chinesen im Berichtszeitraum 14 neue Verträge und Erklärungen vor allem im Bereich Informations- und Telekommunikationstechnik (IKT) unterzeichnen, in Bangladesch schlossen sie im Rahmen von Wang Yis März-Reise vier neue Verträge für Solarprojekte ab.

Im Mai und Juni reiste Chinas Außenminister in den Südpazifik. Sichtbare Impulse für mehr BRI gab es dort nicht. Chinas Schlüsselpartner für Ozeanien, Papua-Neuguinea, hatte bereits vorher mehrere Infrastrukturverträge mit chinesischen Staatsfirmen geschlossen. Ein erhoffter gemeinsamer Sicherheits- und Handelspakt mit der Region kam nicht zustande. Auch die anschließende Reise nach Kasachstan brachte unmittelbar keine neue BRI-Verträge.

Nicht-chinesische Geldgeber finanzieren zunehmend BRI-Projekte 

Im 2. Quartal 2022 sollen in Afrika und den ASEAN-Staaten nur rund ein Viertel der geplanten Projekte direkt mit chinesischer Entwicklungshilfe oder mit Krediten chinesischer Banken finanziert werden. 

Doch für die neue Seidenstraße finden sich alternative Finanzierungsmodelle: In Afrika stammen 63 Prozent der Mittel von der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), von Regierungen oder privaten Investoren und 11 Prozent von der Weltbank. In den ASEAN-Staaten stellen nicht-chinesische Geldgeber 84 Prozent der veranschlagten Investitionssummen.

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