Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Interview | Indonesien | Wirtschaftsumfeld

"Deutschland steht für uns vor allem für Technologie"

Indonesien will seine Wertschöpfung vertiefen. Deutschland kann dafür wichtige Technologien liefern. Ein Gespräch mit dem Vize-Minister Edi Prio Pambudi.

Von Niklas Mahlke

Edi Prio Pambudi, Vizeminister beim indonesischen Wirtschaftsministerium, zuständig für internationale Wirtschaftskooperation Edi Prio Pambudi, Vizeminister beim indonesischen Wirtschaftsministerium, zuständig für internationale Wirtschaftskooperation | © Coordinating Ministry for Economic Affairs

Edi Prio Pambudi leitet im indonesischen Wirtschaftsministerium das Ressort Internationale Wirtschaftskooperation und ist Mitglied des Lenkungsausschusses bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen Indonesien und der EU. Im Gespräch verrät er, warum Indonesien die Verhandlungen zu lange dauern und in welchen Branchen deutsche Technologie besonders gefragt ist. 

Herr Minister, die Länder der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) stehen im Wettbewerb um ausländische Direktinvestitionen. Warum sollten deutsche Unternehmen sich für Indonesien entscheiden?  

Wir sind mit dem Interesse, das deutsche Unternehmen an Indonesien zeigen, sehr zufrieden. Indonesien gehört zu einer der dynamischsten Regionen der Welt. Dazu kommt, dass wir in der Lage sind, politische Stabilität und Frieden zu gewährleisten. Ich würde nicht sagen, dass wir innerhalb der ASEAN miteinander konkurrieren, sondern versuchen, Kooperationen zu fördern. Zu harter Wettbewerb schadet, aber ohne Wettbewerb ist eine Wirtschaft nicht produktiv. Deswegen müssen wir eine gute Balance halten. 

In welchen Sektoren begrüßen Sie ein stärkeres deutsches Engagement?

Deutschland steht für uns vor allem für Technologie. Diese könnte bei den Erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen. Sie sind für uns besonders wichtig, denn wir wollen möglichst bald unsere Kohlekraftwerke abschalten. Wir haben viele Ressourcen wie Geothermie, Wasserkraft, Rohstoffe für Ammoniak, Wind und vor allem Sonne.

Unsere Landwirtschaft benötigt Technologie, weil unsere Landwirte älter werden. Wenn wir hier nicht investieren, wird die Produktivität sinken. Außerdem könnten wir so auch unsere Nahrungsmittelsicherheit erhöhen. Chancen für eine Zusammenarbeit gibt es auch im Transportsektor. Indonesien ist bereits bei der Wartung und Reparatur von Flugzeugen etabliert. Auch hier wollen wir unsere technologischen Möglichkeiten ausbauen. 

Unsere Industrie wollen wir mit Hilfe von Technologie diversifizieren und weiterentwickeln. Das produzierende Gewerbe ist unser wichtigster Wachstumsmotor und unser Ziel ist es, Indonesien in den nächsten Jahren als Standort für die Batterien- und Halbleiterfertigung zu etablieren. Darüber stärken wir nicht nur den sekundären-, sondern auch den tertiären Sektor, sodass wir auch forschungsintensivere Produkte wie Halbleiter oder Batterien für Elektroautos herstellen können. 

Lassen Sie uns über Infrastruktur sprechen. Welche Möglichkeiten ergeben sich beim Bau der neuen Hauptstadt für deutsche Unternehmen?

Der Bau der neuen Hauptstadt Nusantara bietet eine Menge Chancen. Wir brauchen eine Wasserver- und Abwasserentsorgung, Elektrizitäts- und Telekommunikationsinfrastruktur. Außerdem gibt es natürlich Möglichkeiten beim Hochbau. Wenn deutsche Unternehmen uns mit fortschrittlichen Technologien unterstützen wollen, zum Beispiel in den Bereichen Sicherheit, Transport, der Implementierung von ESG-Kriterien oder Smart City, dann können sie in Indonesien gute Geschäfte machen.

Ausländische Unternehmen, insbesondere Textil- und Maschinenhersteller, sorgen sich zunehmend um die Verordnung 36/2023, die neue Einfuhrbeschränkungen eingeführt hat. Gibt es Pläne, sie zu lockern? 

Wir verstehen die Bedenken vieler Firmen, die mit dieser Richtlinie konfrontiert sind. Und wir wollen, dass sie verstehen, dass Indonesien bei diesem Prozess nicht versucht protektionistisch zu handeln. Aber wir wollen auch der heimischen Produktion die Möglichkeit geben, wettbewerbsfähig zu werden. Manchmal weichen bei der Implementierung solcher Richtlinien die verschiedenen Interessen voneinander ab. Aber die Regierung hat immer ein offenes Ohr für diese Bedenken. Deswegen überprüfen wir aktuell die Verordnung und werden sie eventuell anpassen. 

Neben Einfuhrbeschränkungen greift die indonesische Regierung auch auf Exportverbote, zum Beispiel bei Nickel und Bauxit. Damit hat sie es geschafft, eine florierende Stahlindustrie aufzubauen. Wird sie diesen Weg auch bei anderen Rohstoffen gehen?

Indonesien hat eine Menge kritischer Rohstoffe – insgesamt 47 verschiedene. Die Wertschöpfung ist jedoch gering, weil wir die Verarbeitungsprozesse nicht vertieft haben. Wenn wir Rohstoffe ausführen, es uns aber an der Technologie zur effizienten und umweltschonenden Gewinnung dieser Rohstoffe mangelt, dann exportieren wir auch die schmutzigen Bestandteile der Rohstoffe. Deshalb ist es besser, wenn wir die Technologie in die Förderindustrie bringen und dann bei der Weiterverarbeitung kooperieren. So behalten wir nicht nur mehr Wertschöpfung im Land, sondern auch die Kontrolle über die Abfälle aus der Produktion. Die Zusammenarbeit mit Deutschland würde uns Zugang zu entsprechender Technologie verschaffen und gleichzeitig helfen, die ESG-Kriterien einzuhalten.

Indonesien und die EU verhandeln seit Jahren um ein Freihandelsabkommen. Was muss geschehen, damit die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können? 

Ich bin Mitglied des Lenkungsausschusses. Die Verhandlungen laufen schon seit siebeneinhalb Jahren. Ich denke das ist ein langer Zeitraum für so eine Verhandlung. Und das Ziel ändert sich bei jeder Verhandlungsrunde. Bei der letzten Runde ist Indonesien der EU bei drei wichtigen Punkten entgegengekommen: Trade and Sustainable Development (TSD), bei der öffentlichen Beschaffung und beim Thema Staatsunternehmen. Und bei der öffentlichen Beschaffung ist es mit der EU das erste Mal, dass Indonesien sich öffnet. Das gab es bisher bei keinem anderen Abkommen. Das bedeutet, dass wir uns in diesem Prozess sehr flexibel zeigen. 

Aber?

Jetzt gibt es plötzlich Änderungen. Wir sprechen über Nickel, obwohl Nickel gar nicht Teil der Verhandlungen war. Wenn wir uns also an einem Paartanz versuchen, aber die Musik ändert sich ständig – wie können wir dann einen gemeinsamen Tanz aufführen? Das ist schwierig. Wir wünschen uns die gleiche Flexibilität von europäischer Seite. Ich denke, das ist auch der Kern der Verhandlungen: Wir sollten uns in diesem Prozess freundschaftlich gegenüberstehen. 

Wir arbeiten auch mit anderen Ländern zusammen, zum Beispiel mit Malaysia und Australien. Sie haben einen ähnlichen Eindruck wie wir, wenn sie mit der EU verhandeln. Ich glaube aber, dass Deutschland Indonesien bei den Gesprächen mit der EU unterstützen kann. Wir sollten uns auf die Vorteile konzentrieren, anstatt den Prozess mit Hürden zu versehen. Wir haben uns nun ein Ziel gesteckt: Unser Wirtschaftsminister strebt einen Abschluss der Verhandlungen an, bevor unser Präsident im Oktober 2024 abtritt.

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