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Bau der neuen Hauptstadt Nusantara bietet Geschäftschancen
Die Planungen des neuen Regierungssitzes in Ostkalimantan nehmen Formen an, erste Ausschreibungen werden veröffentlicht. Grüne Technologien sind gefragt.
22.03.2023
Von Frank Malerius | Jakarta
Die Zweifel an der Realisierung der kostspieligen Pläne zum Bau der neuen Hauptstadt in der Provinz Ostkalimantan scheinen ausgeräumt. Denn trotz der großen volkswirtschaftlichen Belastungen der Coronakrise nehmen die Planungen konkrete Formen an. Die ersten Ausschreibungen finden sich auf der elektronischen Plattform LPSE, etwa die der zentralen Beschaffungsbehörde LKPP oder der Ministerien (zum Beispiel Ministerium for Public Works and Housing).
Wer gezielt die Ausschreibungen zur neuen Hauptstadt sucht, muss jeweils unter dem Punkt "Cari Paket" den Suchbegriff "IKN"(Ibu Kota Negara, Indonesisch für Hauptstadt) eingeben.
Mitte Oktober 2022 hatte Staatspräsident Joko Widodo vor ausländischen Offiziellen in einer aufwändigen Multimediapräsentation in einem Kino in Jakarta die Vision der neuen Hauptstadt vorgestellt. Teilnehmern zufolge verkündeten internationale Unternehmensvertreter im Rahmen der Veranstaltung in inszenierten Statements, mit Investitionen zum Gelingen beizutragen.
Das Kernstück Nusantaras wird der 6.800 Hektar große Regierungsbezirk mit administrativen Funktions- und Repräsentationsbauten. Weitere 56.000 Hektar sind für eine städtische Entwicklung vorgesehen, unter anderem für Wohnungen, touristische Sehenswürdigkeiten, Bildungseinrichtungen und grüne Energieerzeugung. Die verbleibenden 200.000 Hektar Landfläche werden Naturreservate, Naherholungsgebiete, aber auch Industriezonen für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte oder für "grüne" Industrien, wie die Montage von Solaranlagen oder Elektroscootern.
Nusantara soll neben der Regierung auch die Spitzen von Militär und Polizei beherbergen. Ausländische Botschaften sollen ebenfalls dort angesiedelt werden. Jakarta wird weiterhin Standort der Wirtschaft und damit der Auslandshandelskammern und Industrieverbände bleiben.
Stromversorgung zunächst durch Gas
Die neue Hauptstadt soll ein ausgesprochen grünes Image bekommen. Die offiziellen Präsentationen sind buchstäblich um die Schlagworte "green", "smart" und "sustainable" herumgebaut. Tatsächlich sind diese auch Indikatoren dafür, was beim Aufbau der Stadt benötigt wird: grüne Technologien für Wohnungsbau, Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, Verkehr sowie Energieversorgung.
Der Strombedarf Nusantaras soll zunächst vor allem durch Gaskraftwerke gedeckt werden. Die geplanten Solarkraftwerke können weder ausreichende Mengen an Elektrizität noch die benötigte Grundlast erzeugen. Später soll der Strom aus benachbarten Wasserkraftwerken kommen, deren Planung und Bau aber viel Zeit in Anspruch nehmen.
Die "smart and sustainable forest city", wie Nusantara offiziell beworben wird, ist allerdings umgeben von Kohleminen. Deren Erlöse sind für einen erheblichen Teil des Wohlstands Indonesiens verantwortlich und ermöglichen die Armutsbekämpfung. Die Provinz Ostkalimantan steht etwa für die Hälfte der Kohleförderung Indonesiens von jährlich mehr als 600 Millionen Tonnen, die Nachbarprovinz Südkalimantan für ein weiteres Drittel.
Im Jahr 2022 dürfte Indonesien Kohle für den Rekordwert von fast 50 Milliarden US-Dollar (US$) ausgeführt haben. Sie ist das mit Abstand wichtigste Exportgut. Mehrere Millionen Tonnen wurden 2022 nach Europa geliefert, um die dortige Energiekrise zu lindern. Auch nach Deutschland wurde erstmals indonesische Kohle verschifft.
Finanzierung wird schwieriger
Welche Kosten mit dem Bau von Nusantara auf den indonesischen Staatshaushalt zukommen, ist ungewiss. Ursprünglich wurden moderate 466 Billionen Rupiah (circa 30 Milliarden US$) veranschlagt. Davon sollten 54,4 Prozent von Public-Private-Partnerships, 26,4 Prozent vom Privatsektor und nur 19,2 Prozent vom Staatshaushalt getragen werden. Der staatliche Anteil dürfte sich angesichts der Krisenstimmung in der Weltwirtschaft erhöhen, mittlerweile ist von 20 bis 30 Prozent die Rede. Aus dem Kreis der ausländischen Großinvestoren, von denen einige aus dem golfarabischen Raum kommen, ist Anfang 2022 die japanische Softbank Group ausgestiegen.
Die schwierige Finanzierung wird den Bau der neuen Hauptstadt nicht verhindern, aber verzögern. Nach jüngsten Planungen sollen bis 2024 erste Regierungsgebäude stehen. Von 2025 bis 2029 soll die urbane Kernregion entwickelt werden, bis 2034 Bildungseinrichtungen sowie "Hightech-Sektoren" entstehen. In den darauffolgenden fünf Jahren ist geplant, die Infrastruktur Nusantaras in die der Nachbarstädte Samarinda und Balikpapan zu integrieren. Im Jahr 2045 soll die Entwicklung abgeschlossen sein und die neue Hauptstadt organisch weiterwachsen.
Ein Gegengewicht zu Java
Die Expat-Community in Jakarta zweifelt daran, dass aus Nusantara mehr wird als ein steriler Verwaltungssitz. Bei indonesischen Regierungsbeamten ist ein Umzug aus Jakarta gerüchteweise unpopulär. Viele dürften ihre Familien und Immobilien vorerst oder dauerhaft in Jakarta lassen und wochenweise pendeln.
Bei allen Vorbehalten gegenüber dem vor allem vom Präsidenten vorangetriebenen Megaprojekt gibt es auch gute Gründe, die für den Bau sprechen. Nusantara soll im Interesse der vielen ethnischen Gruppen des riesigen Archipels ein Gegengewicht zur wirtschaftlichen und kulturellen Dominanz Javas werden. Dieses psychologische Element ist für den Zusammenhalt des Vielvölkerstaates nicht zu unterschätzen.
Zudem muss dringend städtischer Wohnraum geschaffen werden, denn alle urbanen Zentren des Inselstaates sind überlaufen und leiden unter Verkehrsinfarkten. Schon heute leben mehr als die Hälfte der Indonesier in Städten. Vor allem junge Menschen wollen raus aus den rückständigen Dörfern und rein in die pulsierenden Städte. Das ist politisch auch gewollt, denn dort lässt sich Infrastruktur leichter bereitstellen und Armut besser bekämpfen.
Die indonesische Regierung gewährt Investoren in Nusantara eine Vielzahl von Vergünstigungen. Zum GTAI-Bericht Zahlreiche Investitionsanreize für die neue Hauptstadt.
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