Wirtschaftsausblick | Zypern
Zyprische Wirtschaft wächst schneller als der EU-Durchschnitt
Zypern beweist ein solides Wachstum. Investitionen profitieren von EU-Fördermitteln. Strom- und Erdgasprojekte stoßen auf internationales Interesse.
12.12.2024
Von Michaela Balis | Nikosia
Top Thema: Ratingagentur stuft Zyperns Bonität hoch
Ende Oktober 2024 erhöhte die deutsche Ratingagentur Scope die Kreditwürdigkeit der zyprischen Wirtschaft um eine Stufe auf ein A-Minus-Ranking. Zypern muss weiterhin das Wirtschaftswachstum vorantreiben und die Staatsverschuldung an die Vorgaben des EU-Stabilitätspakts anpassen. Diese gibt eine Maximalverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) vor. Scope zufolge könnte das bereits 2026 umgesetzt werden.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstumsprognosen für die Folgejahre flachen ab
Laut den Prognosen der EU-Kommission erzielt Zypern im Jahr 2024 eine der höchsten Wachstumsraten in der EU. Wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung sind Investitionen, die aus dem EU-Aufbaufonds kofinanziert werden. Die Inflation ist rückläufig. Sie wird für 2025 auf rund 2 Prozent geschätzt. Diese Entwicklung stützt wiederum die Kaufkraft der privaten Haushalte. Zudem hat die zyprische Regierung den Bruttomindestlohn von 940 Euro auf 1.000 Euro angehoben.
Optimistisch stimmen die Tourismuseinnahmen: In den ersten acht Monaten des Jahres 2024 lagen diese etwa 4,5 Prozent über dem Vorjahresniveau. Hinzu kommen gute Aussichten für die IKT- und die Baubranche. Der Anteil der notleidenden Kredite lag im August 2024 bei 6,8 Prozent der Gesamtkredite gegenüber rund 8 Prozent im Vorjahr, berichtet die zyprische Zentralbank. Im EU-Durchschnitt liegt der Anteil laut Europäischer Zentralbank bei rund 2 Prozent.
Die geographische Lage in einer Krisenregion im östlichen Mittelmeer ist ein Risikofaktor für die zyprische Wirtschaft. Als kleine Volkswirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von lediglich 31,3 Milliarden Euro könnte das Land schnell destabilisiert werden. Beispielsweise bei der Energieerzeugung ist die Insel zu knapp 80 Prozent von Erdölimporten abhängig. Das macht die Wirtschaft anfällig für externe Preisschocks.
Ungelöst bleibt der Zypernkonflikt, die Besetzung des Nordteils durch die Türkei seit 1974. Die Economist Intelligence Unit schätzt die Wahrscheinligkeit, dass der Konflikt gelöst werden kann, auf 20 Prozent. Die Vereinten Nationen bemühen sich um eine neue Verhandlungsrunde zwischen Zypern und der Türkei. Das gespannte Verhältnis zur Türkei hält an. Gespräche über einen möglichen NATO-Beitritt Zyperns mögen die Lösung beschleunigen.
Energieprojekte schreiten langsam voran
Bis Anfang des Jahres 2025 muss die zyprische Regierung entscheiden, ob sie den Great Sea Interconnector mit 100 Millionen Euro aus dem EU-Aufbaufonds unterstützt. Auch müssen sich die Energieregulierungsbehörden Griechenlands und Zyperns auf die Netznutzungsentgelte einigen. Die Europäische Investitionsbank erwägt das zwei Millionen Euro schwere Projekt mit 500 Millionen Euro zu kofinanzieren. Das Unterseestromkabel zwischen Israel, Zypern und Griechenland soll Anfang 2026 verlegt werden. Das bestätigt der Träger des Projekts, das Stromversorgungsunternehmen Admie.
Interesse an der Erdgasförderung ist ungebrochen
Die Nachfrage seitens internationaler Konzerne wie Eni aus Italien, Exxon Mobil und Chevron aus den USA oder TotalEnergies aus Frankreich am zyprischen Erdgas ist weiterhin hoch. Nach Angaben des zyprischen Energieministeriums deuten Probebohrungen auf Gasvorkommen von bis zu rund 453 Milliarden Kubikmeter hin.
Das zyprische Erdgas soll ab 2027 gefördert werden. Ein Teil wird für die Stromerzeugung genutzt, ein anderer Teil exportiert. Eine zentrale Rolle beim Im- und Export sowie bei der Verdampfung spielt die Natural Gas Public Company (DEFA).
Die zyprische Regierung plant eine weitere Lizenzvergabe für Offshore-Erdgasbohrungen in ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone. Die Lizenzen betreffen Blöcke, die entweder noch nicht vergeben wurden oder deren Betreiber sich zurückziehen wollen. Wann die Vergabe eröffnet wird, wurde noch nicht festgelegt.
Zypern führt einen wettbewerbsorientierten Strommarkt ein
Aktuell gibt es in Zypern nur zwei private Stromversorger, den Hauptversorger Electricity Authority of Cyprus und die Firma Synenergia. Mit der Einführung des wettbewerbsorientierten Strommarktes ab Juli 2025 passt sich Zypern an die Vorgaben der EU an. Außerdem will Zypern bis 2030 einen Anteil von 33 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen. Ende des Jahres 2023 lag dieser bei 20,2 Prozent.
Investoren profitieren von EU-Fördermitteln
Im Juli 2024 beantragte die zyprische Regierung die Auszahlung der 4. Tranche aus dem EU-Aufbaufonds. Damit werden Zypern 500 Millionen Euro von den insgesamt 1,23 Milliarden Euro ausbezahlt. Bis Ende des Jahres beabsichtigt das Land weitere 120 Millionen Euro zu beantragen.
Ab Mitte Januar 2025 können Unternehmen und Privatpersonen Anträge für Energiespeicheranlagen mit einer Gesamtkapazität von 150 Megawatt bei der zyprischen Energiebehörde stellen. Für die Förderung dieser Projekte stehen 35 Millionen Euro aus dem EU-Aufbaufonds bereit.
Zu den laufenden Projekten des EU-Aufbaufonds zählen:
- Modernisierung öffentlicher Krankenhäuser
- Einrichtung eines neuen Blutzentrums / Anschaffung medizintechnischer Geräte
- Anschaffung eines IKT-Systems für das Gesundheitswesen
- Anschaffung und Installation intelligenter Strom- und Wasserzähler
- Installation von PV-Anlagen zum Aufladen von Elektrofahrzeugen
- Energiesparmaßnahmen in Wohngebäuden
Die Gesamtimporte und -exporte Zyperns sind in den ersten acht Monaten des Jahres 2024 um rund 25 bzw. 18 Prozent zurückgegangen. Wichtigster Handelspartner Zyperns bleibt Griechenland, gefolgt von Italien und China. Deutschland liegt auf Platz 5. Zu den wichtigsten Exportgütern Zyperns zählen Erdölprodukte, Transportausrüstung, Arzneimittel sowie der Käse Halloumi.
Zu den wichtigsten Importgütern zählen Pharmaerzeugnisse, Kfz und elektrische Maschinen. Deutschland ist zweitwichtigster Lieferant von Arzneimitteln und drittwichtigster Lieferant von Kraftfahrzeugen und elektrischen Maschinen.
Deutsche Perspektive: Exporteure und Investoren profitieren von solidem Wirtschaftsklima
Die EU-Fördermittel bieten deutschen Investoren und Exporteuren gute Chancen, ihre Aktivitäten auf der Insel auszubauen. „Die zyprische Wirtschaft weist 2024 eine robuste Wachstumsdynamik auf. Diese Stabilität und Investitionen in digitale und grüne Technologien sowie in nachhaltige Projekte bieten gute Chancen für deutsche Unternehmen, insbesondere in den Bereichen IKT und Bau“, informiert Christian Gihr, Präsident der Cyprus Germany Business Association.
Aufgrund des Nahostkrieges und der Nähe zu ihren Ländern lassen sich mehr libanesische und israelische Unternehmen in Zypern nieder. Sie verlegen ihren Sitz vorübergehend auf die Insel oder erweitern ihre Aktivitäten. Das stabile Investitionsklima begünstigt diesen Entschluss. Israelis engagieren sich im Hotel- und IKT-Sektor. Libanesische Unternehmen bevorzugen die Bau- und Pharmabranche.
Die zyprischen Importe aus Deutschland gingen in den ersten acht Monaten des Jahres 2024 um rund 5 Prozent zurück. Die Lieferungen von deutschen Pharmaprodukten legten jedoch um knapp 30 Prozent zu. Auch importierte Zypern knapp 5 Prozent mehr elektrische Maschinen für Ton- und Videoaufnahmen aus Deutschland.
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