Zollbericht WTO Zolltarif, Einfuhrzoll
Zollbindung und -verhandlungen in der WTO
Letzte Aktualisierung: 01.06.2023
Können Staaten festgelegte WTO-Zölle einfach ändern? Und wie werden Zollzugeständnisse überhaupt verhandelt und festgehalten?
Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn
Die vereinbarten Zugeständnisse der WTO-Mitglieder sind unterschiedlich: Einige Länder halten an hohen Zollsätzen fest, andere dagegen setzen sehr niedrige Zollsätze an. Die WTO strebt generell einen Abbau von Zöllen an und legt für die Zollbindung einige Regeln fest.
Das Grundprinzip der Zollbindung
Die WTO strebt einen reziproken Abbau tarifärer Handelshemmnisse an. Damit jedoch Zölle und weitere Handelshemmnisse abgebaut werden können, bedarf es einheitlicher Regeln sowie Verfahren. Nach Art. II GATT legt jedes Mitglied Maximalzölle für bestimmte Waren in Form von Listen fest. Diese festgelegten Zollsätze stellt die WTO in Form von "Listen der Zugeständnisse" der einzelnen Mitglieder zusammen. Es ist notwendig, diese Zugeständnisse festzuschreiben, um zu verhindern, dass Handelsschranken alsbald wieder eingeführt werden.
Die Zollverhandlung nach Art. XXVIIIbis GATT
Das GATT ermöglicht den WTO-Mitgliedern entweder über einzelne, ausgewählte Waren oder nach einem für die beteiligten Vertragsparteien jeweils annehmbaren mehrseitigen Verfahren zu verhandeln. Das Ziel der Verhandlung kann durchaus unterschiedlich sein. Es kann auf die Herabsetzung von Zöllen, auf die Bindung von Zöllen oder auf die Übernahme der Verpflichtungen, einzelne Zölle oder die durchschnittlichen Zollsätze für bestimmte Warengruppen nicht über ein bestimmtes Niveau zu erhöhen, gerichtet sein (Art. XXVIIIbis:2(a) GATT).
Die Verhandlung wird unter Einhaltung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit geführt, sodass die Zugeständnisse, die einem Staat gewährt werden, auch anderen Staaten gewährt werden müssen. Zudem müssen stets die Bedürfnisse einzelner Vertragsparteien und Wirtschaftszweige sowie die der Entwicklungsländer berücksichtigt werden (Art. XXVIIIbis:3 GATT).
Die Verhandlungen sind in der Regel sehr komplex, ermöglichen jedoch über die Zeit eine umfassende Zollbindung. Heute haben die Industriestaaten rund 99 Prozent und die sich entwickelnden Staaten rund 73 Prozent aller Produkte gebunden. Zudem konnte bereits eine durchschnittliche Zollreduktion von 4 Prozent bewirkt werden.
In den ersten fünf Zollverhandlungsrunden wurden die Zollsätze Ware für Ware verhandelt, wobei in den darauffolgenden zwei Runden eine lineare Zollsenkung verfolgt wurde. Die Uruguay-Runde verfolgte keinen konkreten Ansatz und die Doha-Runde konzentrierte sich auf die Zollreduzierung für Industriegüter.
Die Listen der Zugeständnisse nach Art. II GATT
Die WTO-Mitglieder vereinbaren nach Art. II GATT Zollzugeständnisse, die in Listen eingetragen werden und als Bestandteil des GATT gelten (Art. II:7 GATT).
Die Listen nennen die entsprechenden Produkte und enthalten eine Produktbeschreibung, eine Klassifizierung der Ware nach dem Zollnummernsystem sowie den jeweils geltenden Zollsatz. Die Listen der Industriestaaten enthalten zudem die Präferenzzölle für die begünstigten Entwicklungsländer, die nach dem Generalized System of Preferences (GSP) ermittelt werden.
Der in den Listen genannte Zollsatz wird als Maximalzollsatz verstanden, sodass die WTO-Mitglieder daran gebunden sind, maximal diesen Zollsatz zu erheben. Eine Überschreitung des maximalen Zollsatzes (bound tariff) ist nicht gestattet, eine Unterschreitung dagegen schon. Setzen die WTO-Mitglieder einen niedrigeren Zollsatz als in den Listen festgehalten ist an, ist stets das Meistbegünstigungsprinzip zu beachten. Gemäß Art. II:1 (a) GATT bedeutet dies, dass jede Vertragspartei der anderen Vertragspartei eine nicht weniger günstigere Behandlung gewährt, als in den betreffenden Listen vorgesehen ist.
Der angewandte Zollsatz (applied tariff) befindet sich zumeist unterhalb des gebundenen Zollsatzes, wobei eine Erhöhung bis maximal zum gebundenen Zollsatz WTO-konform ist.
Produktgruppe
|
Final bound rate – gebundene Zölle (vereinbart durch Verhandlungen)
| MFN applied duties – die angewandten Zölle nach dem MFN-Prinzip
| |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
∅ gebundener Zollsatz | Duty-free in % (davon sollen % zollfrei gehandelt werden) | Max (Maximal gebundener Zollsatz) | Binding in % (unterliegen einem gebundenen Zollsatz) | ∅ tatsächlich angewandter Zollsatz | Duty-free in % (davon werden % zollfrei gehandelt) | Max. (maximal angewandter Zollsatz) | |
Tierische Produkte | 19,1% | 24,3% | 118% | 100% | 17% | 28,2 % | 118% |
Baumwolle | 0% | 100% | 0% | 100% | 0% | 100% | 0% |
Änderung der Listen nach Art. XXVIII GATT
Eingegangene Zugeständnisse können in Zeitabschnitten von drei Jahren geändert oder zurückgenommen werden.
Dies setzt jedoch voraus, dass mit allen Vertragsparteien, mit denen das Zugeständnis ursprünglich vereinbart wurde oder die Hauptlieferant sind, konsultiert werden. Eine Verhandlung sowie Einigung über die Änderungswünsche sind erforderlich. Zudem sind Konsultationen mit den Vertragsparteien zu führen, die nach Feststellung der Vertragsparteien ein wesentliches Interesse an diesem Zugeständnis haben.
Während der Verhandlung bemühen sich die Vertragsparteien, auf Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen, die Zugeständnisse so auszuhandeln, dass der neue Zustand nicht weniger günstig ist, als es der Vorherige war.
Gelangen die hauptsächlich beteiligten Vertragsparteien innerhalb der vorgesehenen Frist zu keinem Ergebnis, so kann die Vertragspartei die Änderung dennoch durchführen (Art. XXVIII:3(a) GATT). Als Gegenreaktion können die Vertragsparteien oder Hauptlieferanten innerhalb von sechs Monaten nach Einleitung der Maßnahme ein gleichwertiges Zugeständnis zurücknehmen, welches mit der antragstellenden Partei vereinbart worden ist. Eine schriftliche Ankündigung der Zurücknahme muss dreißig Tage vorher bei der Vertragspartei eingegangen sein.
Kommt es zwischen den Vertragsparteien zu einem Streit, kann das Dispute Settlement Body unterrichtet werden.
Aussetzung oder Zurücknahme von Zugeständnissen nach Art. XXVII GATT
Neben der Änderung eines Zugeständnisses, können WTO-Mitglieder auch einzelne Zugeständnisse ganz oder teilweise aussetzen oder zurücknehmen. Dies setzt voraus, dass das Zugeständnis mit einem Land ausgehandelt wurde, welches nicht Vertragspartei geworden ist oder aufgehört hat, es zu sein.
Das WTO-Mitglied, welches eine solche Maßnahme trifft, unterrichtet die Vertragsparteien und führt auf Antrag Konsultationen mit den Vertragsparteien durch, die an der betreffenden Ware ein wesentliches Interesse habe.
applied tariff/angewandter Zollsatz: | Zollsatz, der tatsächlich auf die Ware aufgeschlagen wird. Diese können unterhalb des gebundenen Zollsatzes liegen. |
bound tariff/gebundener Zollsatz: | Maximaler Zollsatz, der in den WTO-Listen festgehalten wird. Eine Überschreitung ist nicht gestattet. |
Most-favoured-nation tariff (MFN): | Ein nichtdiskriminierender, nach dem Meistbegünstigungsprinzip anzuwendender Zollsatz auf Einfuhren. |
Harmonized System/Harmonisiertes System: | Das System der Codenummern der Weltzollorganisation zur Identifizierung von Produkten. |
Weitere Informationen:
- Erklärung weiterer Fachbegriffe
- Informationen zu Zöllen bei der WTO
- Übersicht der "Listen der Zugeständnisse" der WTO-Mitglieder
- Goods Schedules e-Library - online die Listen der Zugeständnisse einsehen