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Ägyptens Zentralbank wertet Pfund ab
Gleichzeitig stockte der Internationale Währungsfonds einen Rettungskredit auf. Ägyptens Wirtschaft steuert auf ein Ende der Devisenkrise zu.
08.03.2024
Von Sherif Rohayem | Kairo
Mehr als ein Jahr hatte Ägyptens Zentralbank den US-Dollar-Wechselkurs des ägyptischen Pfundes (EGP) auf 31 EGP festgezurrt. Nach zähen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und einer unerwarteten Finanzspritze aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erlaubten die ägyptischen Währungshüter am 6. März 2024 die Freigabe und damit die Abwertung der Landeswährung. Noch am selben Tag stürzte der Wechselkurs auf 55 EGP.
Nachfrage nach Dollar schwächt das ägyptische Pfund
Der neue Kurs liegt über dem des Schwarzmarktes, der wenige Tage vor dem 6. März noch bei 45 EGP rangierte. Gleichzeitig herrschte Einigkeit darüber, dass der Schwarzmarktkurs im Gegensatz zum offiziellen und gestützten Kurs den realistischen Wert des Pfundes abbilde. Dass der offizielle Kurs nach der Abwertung nun über dem des Schwarzmarktes hinausschießt, liegt daran, dass in Ägyptens Geschäftsbanken infolge der Kursfreigabe ein Ansturm auf den US-Dollar (US$) stattfindet - hat doch die Abwertung den Anreiz beseitigt, harte Währung auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Mit der gestiegenen Nachfrage nach US$ steigt auch dessen Wert - und zwar zu Ungunsten des ägyptischen Pfundes.
Der plötzliche Ansturm auf den Dollar resultiert aus dem Unvermögen des Schwarzmarktes, sämtliche Nachfrage nach Devisen zu bedienen. Eine solche Deckung der Nachfrage erwartet der Markt nach der Abwertung nun vom offiziellen Bankensystem. Insofern stellt sich die Frage, ob Ägyptens Bankensystem genug Devisen hat, um die Nachfrage nach US$ zu stillen. Erfüllen die ägyptischen Banken diese Erwartungen, steigen Pfund und das Vertrauen in das offizielle System. Dann dürften die Besitzer von Devisen, vor allem Exporteure, Hotels und Auslandsägypter, ihre Bestände aus der sprichwörtlichen Matratze holen und zu den Banken bringen, die die Wirtschaft mit Geld versorgen können.
Gelingt es hingegen nicht, die angeheizte Nachfrage zu befriedigen, werden sich Unternehmen und Privatpersonen wie schon in den letzten zwei Jahren auf dem Schwarzmarkt eindecken. Dort wird der Preis aber deutlich über dem neuen, offiziellen Kurs liegen und nichts ist gewonnen. Im Gegenteil: Der gestiegene Schwarzmarktpreis wird die für die meisten Ägypter unerträgliche Inflation von 30 Prozent weiter verschärfen.
Lebenshaltungskosten werden nach Abwertung steigen
Unabhängig vom Ausgang der jüngsten Abwertung wird ein weiterer Teuerungsschub folgen. Ägyptens Handelsdefizit beläuft sich auf 10 Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit der erneuten Schwächung des Pfundes steigen also die Importkosten und damit die Lebenshaltungskosten. Zudem ist damit zu rechnen, dass Händler und Hersteller im Windschatten der Abwertung mit zusätzlichen Preisaufschlägen für weitere Preissteigerungen sorgen werden. Um all diese inflationären Folgen etwas abzufedern, hat die ägyptische Zentralbank den Leitzins um 6 Prozentpunkte auf inzwischen 27,75 Prozent angehoben.
Ras El Hekma-Deal könnte den Unterschied machen
Was die Situation von heute von den drei vorangegangenen Abwertungen unterscheidet, ist die größere Devisenmenge im Bankensystem. Erst vor wenigen Tagen besiegelten der Vermögensfonds von Abu Dhabi und die ägyptische Regierung eine Transaktion im Wert von 35 Milliarden US$, also fast 10 Prozent des ägyptischen Bruttoinlandsproduktes. Es geht um die Entwicklung und Verwaltung von Ras El Hekma, einem 170 Quadratkilometer großen Landstrich an der westlichen Mittelmeerküste. Die ägyptische Regierung verkündet auf ihrer Internetseite, dass bereits 15 Milliarden US$ geflossen seien –davon 10 Milliarden US$ in Form von direkten Zahlungen und 5 Milliarden US$ durch Verlängerung der Fälligkeit einer Einlage bei der ägyptischen Zentralbank. Der Restbetrag soll ebenfalls in den nächsten Wochen zur Verfügung gestellt werden.
Zusätzlich hat der IWF nur wenige Stunden nach der Kursfreigabe mitgeteilt, den Ende 2022 zugesagten Rettungskredit in Höhe von 3 Milliarden auf 8 Milliarden US$ aufzustocken. Davon wird ein Betrag von 1,3 Milliarden US$ zeitnah überwiesen. Mit der Abwertung hat Ägypten eine der wichtigsten Kreditbedingungen des IWF erfüllt. Zudem fordert der Kreditgeber aus Washington, dass Ägypten wie geschehen den Leitzins erhöht und Subventionen (etwa auf Kraftstoffe) sowie Ausgaben für Infrastrukturprojekte kürzt.
Ende der Liquiditätskrise zeichnet sich ab
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kam es in Ägypten zu einer Kapitalflucht im zweistelligen Milliardenbereich. Der Krieg in Gaza und die anschließenden Angriffe der Huthis im Roten Meer taten ihr Übriges. Die in Ägypten verbliebenen Devisen flossen in den Schwarzmarkt. Dort erhielten diejenigen, die noch US-Dollar hatten, einen besseren Wechselkurs als bei der Bank.
Insgesamt verstrichen drei Abwertungen, ohne dass das Geld in die offiziellen Kanäle zurückkehrte. Jedes Mal hatten die Banken zu wenig Geld, um die hohe Nachfrage nach der Abwertung zu befriedigen. Weil Importeure kaum noch Devisen bekamen, kam es zu einer Störung des Außenhandels. In den ägyptischen Häfen lagern bis heute Waren im Wert von mehreren Milliarden Euro, die wegen unbezahlter Importrechnungen nicht gelöscht werden können.
Nachdem drei Abwertungen die Liquiditätskrise nicht lösen konnten, ging die ägyptische Regierung Anfang 2023 dazu über, die Landeswährung zu stützen. Denn jede Abwertung löste neue Inflationsschübe aus. Gleichzeitig lähmt der Devisenmangel bis heute die Wirtschaft – genauso wie die Unsicherheit über den Wechselkurs, der keine verlässliche Kostenkalkulation zulässt. Nach Jahren des Stillstandes kommt der plötzliche Milliardendeal mit Abu Dhabi wie gerufen. Investoren schöpfen Vertrauen, Lieferanten können auf Begleichung unbezahlter Rechnungen hoffen - die Wirtschaft Ägyptens ist fürs erste vor dem Schlimmsten bewahrt.
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