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Später Boom der Telekommunikation in Äthiopien
Mit der Öffnung des äthiopischen Telekomsektors investiert die Branche Milliarden. In die neuen Netze fließt auch europäische Technik. Private Firmen stoßen aber auf Hindernisse.
01.06.2023
Von Ulrich Binkert | Bonn
Die Liberalisierung von Äthiopiens Telekommunikationsbranche bringt den Markt für viele IT-Produkte und -Dienste in Schwung. So waren die Importe von "Telekommunikations-Apparaten" in der 2. Jahreshälfte 2022 wertmäßig fast halb so hoch wie die von Straßenkraftfahrzeugen. Bei der Ansiedlung von Rechenzentren soll die Hauptstadt Addis Abeba laut einem Ranking aus dem Jahr 2022 unter 100 Städten weltweit der zweitbeste Ort nach Beijing sein.
Safaricom investiert Milliarden
Äthiopien gehörte zu den letzten großen Ländern mit einem staatlichen Telekom-Monopol, der Ethio Telecom. Nach der Vergabe einer zweiten Mobilfunklizenz mischt nun Safaricom den Markt auf: Die Tochterfirma des Branchenprimus im benachbarten Kenia, die indirekt mehrheitlich zu Vodafone gehört, sprach vor ihrem Marktstart im Oktober 2022 von geplanten 8,5 Milliarden US-Dollar (US$) Investitionen in zehn Jahren. Im nächsten Finanzjahr (31. März 2024) sollen es gut 300 Millionen US$ sein.
Ende März 2023 vermeldete Safaricom 2,1 Millionen dauerhafte Kunden. Ein Jahr später sollen es bereits 10 Millionen sein, was einem knappen Siebtel des Marktes entspräche. Die Finanzierung soll unter anderem von der Weltbank-Tochter IFC kommen. Zu deren Kauf eines Anteils an Safaricom Ethiopia plus Kreditvergabe liegt aber noch keine offizielle Vereinbarung vor.
Safaricom hat mit dem bisherigen Monopolisten Ethio Telecom ein Abkommen zur Nutzung seiner Infrastruktur, baut jedoch auch sein eigenes Mobilfunknetz auf. Das Unternehmen errichtet derzeit sein Netzwerk der zweiten (2G) bis vierten Generation mit Funkmasten, die laut Firmenpräsentation auch "5G-fähig" sind. Bis März 2024 sollen 3.000 Mobilfunkmasten in Betrieb sein. Ein Jahr zuvor waren es 1.272, davon 875 selbst errichtet. Bis in einem Jahrzehnt peilt Safaricom nach Presseinformationen einen Bestand von bis zu 12.000 Masten an. Davon soll die Hälfte von Ethio Telecom stammen. Der Konkurrent verfügt gegenwärtig über 7.000 dieser Anlagen.
Nokia wird Safaricoms Kernnetz ausrüsten und zudem die Hauptstadt Addis Abeba. Den Rest des Landes deckt der chinesische Konkurrent Huawei ab, hieß es in der Presse 2022. Knapp 11 Prozent der Anteile von Safaricom Ethiopia gehören CDC, einer Finanzgruppe im Besitz des britischen Staates, der bei der Ausrüstung von 5G-Netzwerken einen strikten Kurs gegen Huawei fährt.
Bezahldienste mit Nachholbedarf
Besonders rasch wachsen mobile Bezahldienste. Für seine "Telebirr"-App vermeldete Ethio Telecom im April 2023, nur knapp zwei Jahre nach ihrem Marktstart, bereits 31 Millionen Nutzer. Daneben gibt es noch den kleinen privaten Anbieter Kacha. In anderen Ländern der Region gibt es solche Bezahldienste allerdings schon viel länger, im benachbarten Kenia bereits seit 2007 mit dem Welt-Pionier M-Pesa von Safaricom. Nun erhielt Safaricom im Mai 2023 für 150 Millionen US$ auch für Äthiopien eine Lizenz für M-Pesa. Damit sind auch in Äthiopien verstärkt Fintech-Dienste rund um solche Transaktionen und generell den E-Commerce gefragt.
Anschluss | Anzahl |
---|---|
Mobilfunk (Sprache) | 67.700 |
Festnetz (Sprache) | 862 |
Internet/Daten (mobil) | 31.300 |
Breitband (Festnetz) | 566 |
Ethio Telecom hat angesichts der neuen Konkurrenz seine Preise gesenkt. Die Presse zitierte im März einen Unternehmer, der für eine Flatrate ins mobile Internet in US-Dollar jetzt noch ein Fünftel so viel zahlt wie vor fünf Jahren. Der langjährige Monopolist bemüht sich auch um ein besseres Angebot. Er geht von einem langsameren Wachstum als bisher aus und will sein Netzwerk stärken, mehr Breitband anbieten sowie seine 3G-, 4G- und auch 5G-Dienste ausbauen. Details dazu fehlen allerdings im Dreijahresplan des Unternehmens LEAD vom Juni 2022.
Weitere Öffnung bleibt zäh
Eigentlich hat die Regierung seit Langem Pläne, den Telekomsektor weiter zu öffnen und so mehr Geld und Wettbewerb in den Sektor zu bringen. Sie will dazu eine dritte Mobilfunklizenz vergeben und Ethio Telecom teilprivatisieren. Nach zahlreichen Aufschüben kündigte der Regulierer Mitte Mai 2023 an, den Verkauf der Lizenz im Juni auszuschreiben. Für den Erwerb von inzwischen bis zu 45 Prozent Anteilen an Ethio Telecom lief eine Bewerbungsfrist bis Ende 2022, der aktuelle Stand ist unklar. Interesse bekundete laut ähiopischen Regierungvertretern der französische Telekomriese Orange.
Im zähen Privatisierungs- und Deregulierungsprozess in Äthiopien ist die Telekombranche zweifellos eine Erfolgsgeschichte. Aber auch hier sehen Beobachter subtile Bestrebungen, die Interessen etablierter Player zu schützen. Etwa dann, wenn Safaricom nur nach langem Zuwarten die Lizenz für seinen lukrativen Bezahldienst erhält. In einem anderen Fall meldete die Presse im April 2023, dass Autofahrer in der Hauptstadt Sprit nur noch gegen Bezahlung mit Telebirr bekommen sollen. Gerade private Dienstleister leiden auch immer wieder unter Abschaltungen des Internets in Krisen, beispielsweise während des Tigray-Kriegs oder der Blockade populärer Dienste. Bei religiösen Unruhen im letzten Februar waren Facebook, Telegram und TikTok teilweise nicht erreichbar.
Diese Hindernisse halten auch Investoren ab. Dies gilt Beobachtern zufolge nicht nur mit Blick auf die zweite Telekomlizenz oder den Teilverkauf von Ethio Telecom. Es erklärt auch die Zurückhaltung des in Subsahara-Afrika starken Konzerns Liquid Telecom oder von Unternehmen, die Basisstationen betreiben.
Organisation | Funktion |
---|---|
Delegation of German Industry and Commerce for Eastern Africa | Zuständige regionale Auslandshandelskammer (AHK) |
Ethiopian Communications Authority (ECA) | Regulierungsbehörde |
Branchenministerium | |
Information and Communication Technology Association-Ethiopia’s (ICT ET) | Verband privater Branchenanbieter |
Tech IT and BPO Exporter Directory | Verzeichnis einiger IT-Unternehmen mit Kenndaten |
Staatliches Telekommunikationsunternehmen | |
Privates Telekommunikationsunternehmen |