Special | Äthiopien | Stromübertragung, -verteilung, Netze
Äthiopien will Strom aus Wasserkraftwerken exportieren
Mit günstigem und überschüssigem Strom aus Wasserkraft will Äthiopien Devisen verdienen. Neue Leitungen ins Ausland sind gebaut oder geplant, es bleiben aber Fragen.
06.07.2022
Von Ulrich Binkert | Addis Abeba
Als "Regendach Afrikas" mit viel Wasser und Gefälle hat Äthiopien sehr gute Voraussetzungen für die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft. Im Land selbst ist auf absehbare Zeit keine ausreichende Nachfrage für die bestehenden und geplanten großen Wasserkraftwerke zu erkennen. Mit dem Export aus den zuletzt aufgebauten Überkapazitäten will das Land vor allem Devisen verdienen.
Neue Wasserkraftwerke schaffen Überkapazitäten
Nach Angaben der staatliche Erzeuger- und Übertragungsgesellschaft Ethiopian Electric Power (EEP) betrug die installierte Netzkapazität im Mai 2022 insgesamt 4.523 Megawatt (MW), wovon rund 3.800 MW nutzbar sind. Die Werte umfassten auch die Konfliktgebiete im Norden, die momentan vom Netz abgeschnitten seien. Demgegenüber erreichte der über das vergangene Jahr gemittelte Maximalbedarf an Strom laut EEP nur 2.500 MW und der absolute Peak 2.775 MW. Hinzu kämen jeweils etwa 200 MW in den abgeschnittenen Konfliktregionen.
Die Stromnachfrage in Äthiopien steigt. Trotz schnell gewachsener Wirtschaft hat der durchschnittliche Spitzenbedarf in den letzten sechs Jahren jedoch lediglich um rund 800 MW zugenommen. Dabei wird alleine die laufende Inbetriebnahme des großen GERD-Staudamms am Blauen Nil zusätzliche 5.150 MW bringen und die aktuelle Kapazität mehr als verdoppeln. Wann die volle Kapazität des Staudamms genutzt wird, ist jedoch nicht ganz klar.
Dass der Strom sogar in der Hauptstadt Addis Abeba trotzdem immer wieder ausfällt, liegt überwiegend an Schwächen in den Verteilnetzen, schreibt die Weltbank. Aber auch das Übertragungsnetz ist laut EEP nicht ausreichend belastbar. So fiel in ganzen Regionen der Strom aus, nachdem Kriegsparteien Masten beschädigt hatten. Außerdem schwanke die Spannung, bedingt etwa durch Temperaturänderungen bei Hitze oder Wind, was die Durchleitung beeinflusse.
Speicher sollen Netz stabilisieren
Zudem kann Trockenheit die Erzeugung drosseln, zumal rund 95 Prozent der Elektrizität aus Wasserkraft stammen. Alleine die drei Gibe-Kraftwerke im Flusssystem des Omo in Südwestäthiopien steuern mit zusammen 2.474 MW über die Hälfte der Kapazität bei. Auch die im Bau befindliche Wasserkraftanlage Koysha mit 1.800 MW liegt in der Region. Mit diesen Kraftwerken und einem Aufbau von Stationen zur Wettermessung hofft die EEP, das Wasseraufkommen am Omo-Fluss künftig besser überwachen zu können.
Wasserkraftwerke lassen sich zwar relativ einfach ab- und zuschalten, dies verschleißt laut EEP aber die Generatoren. Die Kosten dafür seien höher als für Speichermedien. Um die Lasten besser steuern zu können, interessiert sich die EEP für Batterien, Kondensatoren und andere Stromspeicher.
Indikator | Äthiopien | Kenia | Sudan |
---|---|---|---|
Jährlich produzierte Elektrizität (in Terawattstunden) | 15,1 | 10,7 | 16,9 |
Anteil der Stromproduktion aus konventionellen Energiequellen (in Prozent) | 0 | 11 | 40 |
Anteil der Stromproduktion aus Wasserkraft (in Prozent) | 96 | 30 | 60 |
Anteil der Stromproduktion aus sonstigen erneuerbaren Energiequellen (Solar, Wind, Biomasse, Geothermie; in Prozent) | 4 | 59 | 0 |
Spannung der Höchstspannungsleitung beim Übertragungsnetzbetreiber (in Kilovolt) | 132-500 | 132-400 | 220-500 |
Große Leitung nach Kenia noch ungenutzt
Äthiopien und seine Nachbarländer am Horn von Afrika (Sudan, Dschibuti, Somalia, Kenia, Eritrea) tauschen bislang nur sehr wenig Strom untereinander aus. Die genutzten Interkonnektoren schaffen zusammen lediglich gut 300 MW. Das soll sich grundlegend ändern, mit Äthiopien als zentralem Exporteur. In Planung ist ein Zubau von Freileitungen von insgesamt über 5.000 MW in den nächsten Jahren, finanziert hauptsächlich von der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB). Wichtigster Abnehmer soll Kenia werden, das den Strom in angrenzende Länder wie Tansania über neue, leistungsstarke Verbindungen weiterleiten könnte.
Indikator | Ethiopia-Djibouti I | Ethiopia-Kenya | Ethiopia-Sudan |
---|---|---|---|
Verbundene Länder | Äthiopien-Dschibuti | Äthiopien-Kenia | Äthiopien-Sudan |
Kapazität (MW) | 80 | 2.000 | 240 |
Länge (km) | k.A. | 1.045 | 200 |
Anmerkung | - | noch nicht in Betrieb | - |
Eine weitgehend von der Weltbank und anderen Gebern finanzierte Leitung zwischen Äthiopien und Kenia mit 2.000 MW ist eigentlich betriebsbereit. Außerdem existiert zwar eine bilaterale Liefervereinbarung, Strom fließt bisher jedoch nicht. Auf kenianischer Seite soll es aufgrund eigener Überkapazitäten erheblichen Widerstand geben. Vor allem aber könnten private Erzeuger in Kenia preislich kaum mit dem billigen äthiopischen Strom konkurrieren, dessen Erzeugungskosten EEP mit 0,03 US-Dollar bis 0,07 US-Dollar pro Kilowattstunde taxiert.
Kleinere Verbindungsprojekte meist noch ohne Finanzierung
Die Weltbank zeigt auch Interesse an der Finanzierung einer 3.000-MW-Leitung von Äthiopien nach Sudan. Sie würde überwiegend in Sudan liegen, mit Startpunkt in Äthiopien (Guba), unweit der sudanesischen Grenze. Zu dem Projekt gibt es eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2017. Hinderlich könnte ein Grenzkonflikt zwischen den beiden Ländern sein. Die Frage nach der Versorgung Sudans mit Wasser aus dem Blauen Nil kommt erschwerend hinzu. Am Oberlauf des Flusses hat Äthiopien den großen GERD-Staudamm gebaut.
Die anderen geplanten oder angedachten Interkonnektoren Äthiopiens sind kleiner, mit Kapazitäten von voraussichtlich je gut 100 MW. Eine Finanzierung gibt es bislang nur für eine zweite Leitung nach Dschibuti. Für eine Verbindung mit Somalia – wo bislang gar kein nationales Stromnetz existiert – hat die Weltbank eine Machbarkeitsstudie finanziert. Über die Verbindung Äthiopien-Südsudan trafen die beiden Länder jüngst eine Absichtserklärung. Abgesehen von Sudan dürften die politischen Beziehungen Äthiopiens zu seinen Nachbarländern nach jetzigem Stand insgesamt kein großes Hindernis für den Bau von Interkonnektoren sein.
Deutsche Firmen auch in Staatswirtschaft erfolgreich
Die fertige Leitung nach Kenia bringt das Horn von Afrika etwas näher an das Ziel eines gemeinsamen Strommarkts. Die anderen bestehenden und geplanten Leitungen sind dafür insgesamt zu klein oder, im Fall von Äthiopien-Sudan II, zu unsicher.
In Äthiopien ist der Stromsektor noch mehr als anderswo staatlich geprägt. Teils als "sozialistisch" beschriebene Strukturen erschweren Betreibermodelle mit privaten Firmen. In der Erzeugung liefert noch keine private Firma Strom ans Netz, obwohl ein Gesetz von 2018 dies ermöglicht. Bei der Übertragung und Verteilung gilt immer noch ein Monopol durch EEP beziehungsweise Ethiopian Electric Utility.
Deutsche Firmen sind in der Branche gleichwohl recht aktiv. So liefert Voith 8 von 13 Turbinen für den GERD-Staudamm. Siemens war beim Bau der Leitung nach Kenia aktiv. Die deutschen Marktchancen dürften sich verbessern, seitdem Finanzierungen und Hauptauftragnehmer nicht mehr, wie in den Jahren zuvor, vor allem aus China kommen.