Special | Südliches Afrika | Stromübertragung, -verteilung, Netze
Übertragungsnetz im südlichen Afrika vor Herausforderungen
Das transnationale Netz im südlichen Afrika ist auf dem Kontinent am weitesten entwickelt. Zentrale Herausforderungen sind zu geringe Stromexporte und eine schwankende Erzeugung.
15.08.2022
Von Fausi Najjar | Johannesburg
Der 1995 gegründeten Southern African Power Pool (SAPP) umfasst zwölf Länder des südlichen Afrika. Neun der zwölf SAPP-Mitgliedsländer sind gegenwärtig über Übertragungsleitungen miteinander verbunden: Südafrika, Lesotho, Eswatini, Mosambik, Simbabwe, Botsuana, Namibia, Sambia und die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo). Die Integration Angolas, Malawis und Tansanias ist geplant beziehungsweise in Umsetzung. Stromausfälle in Südafrika und die zunehmend schwankende Elektrizitätserzeugung schaffen im SAPP-Verbund Handlungsbedarf. Umso wichtiger sind die Pläne, das transnationale Übertragungsnetz weiter auszubauen.
Stromhandel im Verbundnetz ist steigerungsfähig
Der SAPP bildet mit Abstand den entwickeltesten Elektrizitätsmarkt auf dem afrikanischen Kontinent. Der Handel erfolgt überwiegend im Rahmen bilateraler Verträge. Auftretende Überschüsse in einem Land können darüber hinaus zu einem tagesaktuellen Marktpreis gehandelt werden. Kurzfristige Transaktionen umfassen rund 20 Prozent des gesamten Handelsvolumens.
Insgesamt fällt der transnationale Stromhandel, wie im Allgemeinen auf dem afrikanischen Kontinent, klein aus. Im Fiskaljahr 2020/21 sind im SAPP-Verbund 8.205 Gigawattstunden gehandelt worden, das entspricht rund 4 Prozent der Stromerzeugung in Südafrika.
Land | Export in Mio. US-Dollar | Abnehmerländer (Anteile in %) | Importe in Mio. US-Dollar |
---|---|---|---|
Südafrika | 667 | Mosambik (37,5); Botsuana (16,2); Namibia (17,9); Simbabwe (15,2); Eswatini (8,7); Lesotho (3,2) | 2501) |
Mosambik | 310 | Südafrika (80,2), Simbabwe (14,6); Lesotho (2.4); Eswatini (1,0) | 251 |
Sambia | 113 | DR Kongo (47,2); Namibia (40,6); Botsuana (4,9); Malawi (3.5); Tansania (3.1) | k. A.2) |
Lesotho | 73 | Mosambik (100) | k. A.2) |
Namibia | 34 | Botsuana (97,8) | 171 |
Simbabwe | 14 | Eswatini (60,8); Namibia (37,2); Botsuana (1,3) | 1522 |
Malawi | 1 | Sambia (81,7); Mosambik (18,2) | 4 |
Eswatini | 0,37 | Mosambik (100) | 69,4 |
DR Kongo | k. A.2) | k. A.2) | 55,2 |
Botsuana | k. A.2) | k. A.2) | 148 |
Tansania | k. A.2) | k. A.2) | 10 |
Angola | k. A.2) | k. A.2) | k. A.2) |
Energiekrise in Südafrika belastet transnationalen Verbund
Südafrika ist mit einer hohen Stromerzeugung und -nachfrage wichtigster Knotenpunkt im SAPP-Netz. Das Land am Kap stellt rund 75 Prozent der Erzeugungskapazitäten. Rund 90 Prozent der Elektrizität produzieren Kohlekraftwerke. Dem staatlichen Versorger Eskom gelingt es dennoch immer weniger, den heimischen Markt und potentielle Exportmärkte zu bedienen. Aufgrund von Korruption und Missmanagement bei Eskom ist 2021 die Erzeugung von Elektrizität gegenüber 2011 um 6,2 Prozent gefallen. Ende Juni 2022 fehlten Südafrika rund 6.000 Megawatt für die Stromversorgung. Deswegen reduziert das Land bei Knappheit die Ausfuhren von Strom in die Nachbarländer. Südafrika wird 2022 mehr Elektrizität importieren als ausführen; das ist ein Novum.
Bei einem Durchschnittsalter des Kraftwerkparks von 40 Jahren und einer jahrzehntelang vernachlässigten Wartung sind weitere Ausfälle vorprogrammiert. Der Ausbau der erneuerbaren Energien bleibt hinter den Erwartungen von 25 Gigawatt bis 2030 deutlich zurück. Eine Umstrukturierung des überschuldeten Energieriesen Eskom ist eingeleitet, braucht jedoch Zeit.
Schwankende Stromerzeugung macht Investitionen notwendig
Die Regierungen im südlichen Afrika fördern zunehmend den Ausbau der erneuerbaren Energien. Dies erfolgt mittels Ausschreibungen für unabhängige Stromanbieter, aber auch im Rahmen einer allgemeinen Öffnung des Marktes für private Erzeuger. Mit der Fertigstellung von Wasserkraftwerken in den nördlichen Ländern der SAPP-Region sowie dem Ausbau von Wind und Solaranlagen wird sich der Strommix weiter zugunsten regenerativer Energieträger verändern. Durch die Erschließung großer Erdgasvorkommen in Mosambik (Rovuma-Becken) wird auch Erdgas eine wichtigere Rolle im Energiemix spielen.
Die zunehmend dezentrale und schwankende Erzeugung macht den weiteren Ausbau des SAPP immer notwendiger. Denn: Die meisten nationalen Übertragungssysteme der SAPP-Länder können nur wenige 100 Megawatt intermittierenden Stroms aus Sonne und Wind bewältigen. Hinzu kommt, dass die Wasserkraft im südlichen Afrika nicht kontinuierlich Elektrizität liefern kann. Bei längeren Dürrephasen fallen Kapazitäten weg.
Land | Jährlich produzierte Elektrizität (in Gigawattstunden ) (2019) | Anteil der Stromproduktion aus konventionellen Energiequellen (in %) (2020) | Anteil der Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen (in %) (2020) | Spannung der Höchstspannungsleistung beim Übertragungsnetzbetreiber (in Kilovolt) (2021) |
---|---|---|---|---|
Südafrika | 223.184 | 96 | 4 | 765 |
Angola | 17.777 | 28 | 72 | 400 |
Mosambik | 15.603 | 5 | 95 | 500 |
Sambia | 15.013 | 17 | 83 | 330 |
DR Kongo | 9.990 | 1 | 99 | 500 |
Simbabwe | 9.442 | 39 | 61 | 330 |
Tansania | 7.878 | 65 | 35 | 220 |
Botsuana | 3.332 | 100 | 0 | 400 |
Malawi | 1.887 | 23 | 77 | 330 |
Namibia | 1.818 | 9 | 91 | 400 |
Lesotho | 503 | 0 | 100 | k. A. |
Eswatini | 412 | 0 | 100 | k. A. |
Mit 44,6 Gigawatt entfallen gegenwärtig rund 64 Prozent der Stromkapazitäten im SAPP auf Kohle. Dies ist dem Übergewicht von Kohlekraftwerken in Südafrika geschuldet. Wegen großer Anlagen in Angola, Mosambik, DR Kongo sowie Sambia und Simbabwe haben Wasserkraftwerke einen Anteil von 22 Prozent an den Erzeugungskapazitäten. Bei Solar (Fotovoltaik und Solarthermie) beträgt die Nennkapazität rund 5 Prozent, bei der Windkraft liegt sie unter einem Prozent.
Große Versorgungslücken vor allem auf dem Land
Die Belieferung kaufkräftiger Abnehmer in Industrie und urbanen Zentren ist Hauptantrieb für Investitionen in das transnationale Netz. Die lokalen Versorgungsnetze sind in vielen Regionen jedoch bislang noch unterentwickelt. Stromtarife sind für breite Bevölkerungsteile oftmals zu hoch. Die Investitionskosten können nicht ohne Weiteres durch sie gedeckt werden. Die Versorgung privater Haushalte ist daher vor allem auf dem Land unzureichend.
städtische Bevölkerung | ländliche Bevölkerung | Anschlussquote insgesamt | |
---|---|---|---|
Südafrika | 88,8 | 75,3 | 84,4 |
Eswatini | 92,2 | 75,8 | 79,7 |
Botsuana | 90,7 | 26,4 | 72 |
Namibia | 74,7 | 36,3 | 56,3 |
Simbabwe | 85,7 | 37,1 | 52,7 |
Lesotho | 77,7 | 34,9 | 47,4 |
Angola | 73,7 | 7,3 (2018) | 46,9 |
Sambia | 82,4 | 14,0 | 44,5 |
Tansania | 72,9 | 22,0 | 39,9 |
Mosambik | 75,0 | 4,5 | 30,6 |
DR Kongo | 40,7 | 1,0 | 19,1 |
Malawi | 54,0 | 6,6 | 14,9 |
Sub-Sahara Afrika | 78,3 | 28,7 | 48,4 |
Angola, Malawi und Tansania werden integriert
Bislang sind nicht alle SAPP-Mitgliedsstaaten über Interkonnektoren an das SAPP-Netz angeschlossen. Dies gilt beispielsweise für Angola, ein Land mit hohem Wasserkraftpotenzial. Geplant ist ein Anschluss Angolas über Namibia. In der Diskussion ist zudem eine Verbindung zwischen Angola und DR Kongo. Auch das SAPP-Mitgliedsland Malawi muss erst über eine im Bau befindliche Leitung nach Mosambik vollständig integriert werden.
Von besonderer strategischer Bedeutung für den Elektrizitätsverbund ist die Verknüpfung mit Tansania. Denn Tansania ist Mitglied des sich entwickelnden Eastern African Power Pool. Für den Anschluss Tansanias an das SAPP-System ist eine 200 Kilometer lange Verbindung (Mota-Projekt) mit Mosambik im Bau.
Südafrika hält an Megaprojekt mit DR Kongo fest
Schließlich gibt es Pläne, Elektrizität aus dem geplanten Wasserkraftprojekt Inga III in DR Kongo in das Verbundnetz zu importieren. Die Mega-Anlage in der Nähe der Mündung des Kongo-Flusses hätte bei Fertigstellung der ersten Bauphase eine Kapazität von 4.800 Megawatt. Die Baukosten sollen rund 18 Milliarden US-Dollar betragen. Südafrikanische Stellen geben an, Elektrizität auf Basis einer Nennkapazität von 2,5 Gigawatt einführen zu wollen. Das Projekt ist aus ökologischen Gründen, aber auch aufgrund hoher Kosten umstritten.