Special | Algerien | Wasser - Die knappe Ressource
Algerien baut die Meerwasserentsalzung massiv aus
In dem nordafrikanischen Land fällt zu wenig Regen. Die Regierung sieht in der Meerwasserentsalzung den wichtigsten Hebel, um gegenzusteuern.
06.05.2024
Von Friedrich Henle | Berlin
Die Region Nordafrika/Mittlerer Osten wird weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffen sein. Das sagen Studien unter anderem der Welternährungsorganisation FAO. Sie führt Algerien bereits jetzt auf Rang 9 der Länder, die am stärksten unter Wasserstress leiden - definiert als Verhältnis zwischen Frischwasserentnahme und Wasserverfügbarkeit. Pro Person und Jahr stehen in Algerien laut FAO nur 276 Kubikmeter an erneuerbaren Frischwasserressourcen zur Verfügung. Unter 500 Kubikmeter spricht sie von absoluter Wasserknappheit. Die zunehmenden Wetterextreme äußern sich aber auch in sintflutartigem Regen, der zuletzt Überschwemmungen verursacht hat.
Ein Indiz dafür, wie stark die Wasserproblematik im gesellschaftlichen und politischen Diskurs beachtet wird: Algerische Medien berichten regelmäßig darüber, wie hoch die Füllstände der 80 Stauseen im Land sind. Anfang März 2024 sieht die Lage mit einem Füllstand von durchschnittlich 41 Prozent etwas besser aus als vor einem Jahr (35 Prozent). Es gibt aber auch regionale Unterschiede, die das Wasserproblem zusätzlich verdeutlichen: 66 Prozent Füllstand der Stauseen im Osten, 27 Prozent im Zentrum und 19 Prozent im Westen des Landes.
Künstliche Bewässerung der Landwirtschaft soll ausgebaut werden
Hitze- und Dürreperioden führten in den Jahren 2022 und 2023 zu Ernteausfällen. Das Gros der landwirtschaftlichen Anbaufläche ist regenbewässert. Algerien will die hohe Importrechnung bei Lebensmitteln reduzieren, insbesondere bei Getreide und Milchprodukten. Bis 2030 soll deshalb das künstlich bewässerte Agrarland von aktuell 1,6 Millionen Hektar auf 2,5 Millionen Hektar steigen. Dafür müssen weitere Wasserquellen erschlossen werden. Denn schon jetzt fließen in die Landwirtschaft rund zwei Drittel der täglich im Land verbrauchten knapp 12 Millionen Kubikmeter Wasser.
Regierung setzt auf Meerwasserentsalzung
Algerien muss sich also unabhängiger von ausbleibenden Niederschlägen machen. Der Wasserbedarf steigt zusätzlich durch das Bevölkerungswachstum von rund 500.000 Menschen pro Jahr. Dafür wurde in der Vergangenheit bereits einiges getan. So wurde die Zahl der Staudämme von 44 im Jahr 2000 auf 80 im Jahr 2023 erhöht. Seit den 1970er Jahren gibt es in Algerien Meerwasserentsalzungsanlagen.
Diese sollen in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden. Aktuell produzieren die bestehenden 14 Großanlagen etwa 2,1 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Tag und decken damit etwa 18 Prozent der Wasserversorgung ab. Fünf große Meerwasserentsalzungsanlagen mit einer Tageskapazität von jeweils 300.000 Kubikmetern befinden sich gerade im Bau. Die Fertigstellungstellung ist für Ende 2024 geplant. Damit könnte der Anteil von entsalztem Meerwasser auf 42 Prozent des Wasserverbrauchs steigen. Die Investitionskosten liegen bei umgerechnet etwa 1,8 Milliarden Euro.
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Das nächste Ausbauprogramm kündigte der algerische Wasserminister Taha Derbal im Februar 2024 an: Den Bau von weiteren sieben Anlagen bis 2030. Die algerische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt bis 2030 rund 60 Prozent des Trinkwasserbedarfs aus Meerwasserentsalzungsanlagen zu decken. Diese Strategie liegt für Algerien nahe, da sich die Bevölkerung ohnehin auf den nördlichen Teil des Landes konzentriert, der an das Mittelmeer grenzt.
Von Solar- oder Windenergie, die die energieintensiven Anlagen mit grünem Strom versorgen könnten, ist in den Ankündigungen wenig zu lesen. Die massive Rückleitung von hochkonzentrierter Salzlauge ins Meer kann zudem die maritimen Ökosysteme gefährden. Generell stellt sich die Frage, ob die bessere Nutzung von gereinigtem Abwasser, die Reparatur des Leitungssystems sowie Wassersparmaßnahmen nicht schnellere und kostengünstigere Lösungen darstellen.
Ausländische Unternehmen beteiligen sich
Ausländische Unternehmen sind an mehreren Stellen der Wertschöpfungskette im Bereich Wasser aktiv. Die algerische Politik bevorzugt allerdings im Land ansässige Anlagenbetreiber und Technologieanbieter. Das können auch ausländische Unternehmen mit lokaler Wertschöpfung sein.
Im Bereich der Meerwasserentsalzung zeigt sich die Begünstigung darin, dass bei den zuletzt in Betrieb genommenen oder im Bau befindlichen Anlagen algerische Unternehmen als Generalunternehmer und Mitbetreiber beauftragt wurden. Dabei handelt es sich vor allem um Tochterunternehmen des staatlichen Öl- und Gaskonzerns Sonatrach, allen voran die Algerian Energy Company. Bei den ersten großen Anlagen hatten noch ausländische Unternehmen (zum Beispiel Tedagua oder Elecnor aus Spanien) den Zuschlag bekommen.
Auch im Technologiebereich zeigt sich, dass die Regierung bestrebt ist, die lokale Wertschöpfung weiter auszubauen. So berichtete Energieminister Arkab im Dezember 2023 von fortgeschrittenen Verhandlungen mit internationalen Unternehmen über die Gründung eines Joint Ventures mit Sonatrach, das auf die Wartung und die Ausrüstung von Meerwasserentsalzungsanlagen spezialisiert ist. Ziel ist der Aufbau einer entsprechenden Produktion in Algerien.
Chancen bestehen trotzdem in der Zulieferung spezieller Technologiekomponenten, die nicht im Land selber hergestellt werden. So hat beispielsweise das US-Unternehmen Energy Recovery im Oktober 2023 mehrere Verträge im Wert von insgesamt 28 Millionen US-Dollar abgeschlossen, um Druckaustauscher für Entsalzungsanlagen zu liefern. Das Unternehmen Leca Norge (Teil des französischen Saint-Gobain-Konzerns) hat sein Filtermedium Filtralite in der Meerwasserentsalzungsanlage in Béni Saf zum Einsatz gebracht. Und das deutsche Unternehmen KSB ist mit seinen Pumpen ebenfalls in diversen Wasserprojekten in Algerien aktiv.
Algerien importierte im Jahr 2022 Wassertechnik im Gesamtwert von umgerechnet knapp 530 Millionen Euro. Einfuhren aus Deutschland machten dabei rund 4 Prozent aus. Chinesische Unternehmen dagegen stellten ein Drittel der Importe.
Abwasser noch nicht gut genutzt
Mit dem Ausbau der Meerwasserentsalzung sollen frei werdende, konventionelle Wasserressourcen - wie Staudämme und Grundwasser - verstärkt für die Landwirtschaft eingesetzt werden. Eine weitere Ressource wird bisher noch nicht ausreichend genutzt: gereinigtes Abwasser. Hier soll nach Plänen der Regierung bis 2030 die Nutzungsrate von 10 Prozent auf 60 Prozent für Landwirtschaft und Industrie gesteigert werden.
Aktuell sind in Algerien 213 Kläranlagen in Betrieb, mit einer theoretischen Jahreskapazität von 1 Milliarde Kubikmeter. Ein Regierungsprogramm sieht die Errichtung von weiteren 68 Kläranlagen vor, davon befinden sich 43 bereits im Bau. Die Jahreskapazität soll mit dem Programm auf 1,5 Milliarden Kubikmeter steigen. Im Staatshaushalt für 2024 sind umgerechnet knapp 300 Millionen Euro für die Sanierung und Kapazitätserweiterung bestehender Kläranlagen eingeplant.
Ausbau der Wasserinfrastruktur: Finanzierung aktuell gesichert
Die Finanzierung für den Bau von Wasserinfrastruktur erfolgt durch die öffentliche Hand. Hier sieht es derzeit gut aus, da der Staatshaushalt weiterhin von hohen Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport profitiert. Auch der politische Umsetzungswille scheint da zu sein. In der Vergangenheit hatte es bei Großprojekten in Algerien immer wieder Verzögerungen gegeben. Nicht so jetzt: Zwischen der Bauankündigung der fünf neuen Entsalzungsanlagen Ende 2021 bis zum Start der Bauarbeiten im Jahr 2023 ist nun vergleichsweise wenig Zeit vergangen.
Im Unterschied zu anderen Ländern der Region spielen die internationale Entwicklungszusammenarbeit und internationale Geberorganisationen im algerischen Wassersektor nur eine geringe Rolle.
Ausschreibungen Wassersektor
Interessierte Unternehmen finden Ausschreibungen im algerischen Wassersektor auf den Internetseiten der relevanten Unternehmen (siehe Kontaktadressen), in offiziellen Ausschreibungsbulletins wie BOMOP und BAOSEM sowie in Printausgaben von Tageszeitungen. Die AHK Algerien unterstützt ebenfalls beim Thema Ausschreibungen.
Institution | Anmerkungen |
---|---|
Deutsch-Algerische Industrie- und Handelskammer (AHK Algerien) | Unterstützung und Beratung bei Markterschließung und Messepräsenz |
Ministère de l´Hydraulique | Nationales Wasserministerium |
Algérienne des Eaux (ADE) | Staatlicher Wasserversorger in 1.010 der 1.541 Gemeinden Algeriens, in weiteren 123 Gemeinden in Form von Gemeinschaftsunternehmen (u.a. in den Städten Algier, Oran und Constantine) |
Office National de l'Assainissement (ONA) | Staatliches Abwasserunternehmen |
Algerian Energy Company (AEC) | Tochterunternehmen von Sonatrach, für Realisierung von Meerwasserentsalzungsanlagen verantwortlich |
Agence Nationale de Déssalement de l'Eau (ANDE) | 2023 gegründete Agentur zur Realisierung von Meerwasserentsalzungsanlagen |
Agence Nationale des Ressources Hydrauliques (ANRH) | Nationale Wasseragentur |
Agence Nationale des Barrages et des Transfers (ANBT) | Nationale Agentur für Staudämme |
Office National d'Irrigation et du Drainage (ONID) | Nationale Agentur für Bewässerung |