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Deutscher Handel mit Asien-Pazifik zeigt sich krisenresistent
Die Länder der Region sind nicht nur wichtige Absatzmärkte, sondern rücken auch als Beschaffungsquellen in den Fokus. Der Warenaustausch hat weiterhin noch viel Potenzial.
17.08.2022
Von Katharina Viklenko | Bonn
Der Warenhandel mit der Region Asien-Pazifik hat für Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Durch die Coronapandemie hat sich der Trend sogar noch verstärkt. So übertrafen die deutschen Exporte in die Region 2021 mit einem Wachstum auf Euro-Basis von 9,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erstmals die Schwelle von 200 Milliarden Euro. Besonders stark legten aber deutsche Einfuhren aus Asien-Pazifik zu. Die 2021 importierten Waren im Wert von fast 260 Milliarden Euro kamen einer Steigerung von mehr als 17 Prozent gleich.
Handel mit Asien-Pazifik überwindet Herausforderungen
Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes lieferte Deutschland im 1. Halbjahr 2022 Waren im Wert von fast 112 Milliarden Euro in die Region. Damit entfiel rund ein Siebtel der deutschen Exporte auf Asien-Pazifik. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht dies einer Steigerung von 8,5 Prozent. Auf US-Dollar-Basis gingen die Lieferungen aber um 1,6 Prozent zurück, da der Euro gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn stark an Wert verloren hat.
Zwar liegt die Zunahme auf Euro-Basis unterhalb der Steigerungsrate des deutschen Gesamtexports. Auch bei der Betrachtung der deutschen Ausfuhrstruktur scheinen von Januar bis Juni 2022 andere Zielregionen stärker gewachsen zu sein. Das ist jedoch auf die kräftigen Rückgänge der deutschen Exporte in nahezu alle Weltregionen in den beiden Coronajahren zurückzuführen. Deutsche Ausfuhren nach Asien-Pazifik erwiesen sich 2020 und 2021 hingegen als Stabilitätsanker. Dadurch fallen die Basiswerte entsprechend höher aus.
Region1 | 2021 | Veränderung | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung | Anteil2 |
---|---|---|---|---|---|
Weltweit | 1.375,7 | 14,0 | 764,0 | 13,5 | 100,0 |
Westeuropa | 673,5 | 13,9 | 377,3 | 14,2 | 49,4 |
Mittel- und Osteuropa | 244,3 | 16,9 | 136,1 | 13,5 | 17,8 |
Asien-Pazifik | 207,9 | 9,7 | 111,7 | 8,5 | 14,6 |
Nordamerika | 145,3 | 17,1 | 88,2 | 25,9 | 11,5 |
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) | 31,3 | 13,2 | 12,8 | 4,8 | 1,7 |
Naher und Mittlerer Osten | 25,3 | 0,8 | 11,1 | -25,8 | 1,4 |
Südamerika | 19,3 | 26,9 | 10,9 | 18,0 | 1,4 |
Subsahara-Afrika | 12,8 | 17,2 | 7,3 | 16,9 | 1,0 |
Nordafrika | 10,2 | 10,9 | 5,1 | 5,7 | 0,7 |
Exporte aus Deutschland in die Region wachsen
Rund die Hälfte der deutschen Ausfuhren nach Asien-Pazifik geht traditionell nach China. Südkorea war 2020 zum zweitgrößten Abnehmer deutscher Waren in der Region aufgestiegen und hielt auch im 1. Halbjahr 2022 den Rang. Bei den größeren Zielmärkten fielen die Exportzuwächse besonders kräftig in Indonesien, Hongkong, Indien, Australien sowie Malaysia aus. Nur marginal wuchsen mit einem Plus von 2,9 Prozent deutsche Ausfuhren nach China.
Der Verband Südostasiatischer Nationen ASEAN blieb in den ersten sechs Monaten 2022 mit 7,5 Prozent leicht unter dem Wachstum der gesamten deutschen Ausfuhren in die Region. Verantwortlich dürften die stark gesunkenen Lieferungen nach Vietnam sein (-16,9 Prozent). Zwar nahm die Bedeutung der ASEAN-Staaten für deutsche Exporteure in den letzten Jahren zu, 2021 betrug der Anteil mehr als 12 Prozent. Doch bislang bleiben südostasiatische Volkswirtschaften weiterhin Nischenmärkte mit Potenzial. Nach wie vor gehen rund drei Viertel aller aus Deutschland in die Region ausgeführten Waren nach Ostasien.
Deutsche Arzneimittel und Elektronik gefragt
Überproportional kräftig entwickelten sich im 1. Halbjahr 2022 Lieferungen "Made in Germany" von chemischen Erzeugnissen und Elektronik. Ein signifikanter Teil des Zuwachses entfällt auf Arzneimittel, insbesondere Corona-Impfstoffe dürften vielfach nach Asien exportiert worden sein. Am schlechtesten entwickelten sich Ausfuhren von Maschinen, eine der wichtigsten Exportkategorien in die Region.
Warenkategorie (SITC-Position) | 2021 | Veränderung | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung |
---|---|---|---|---|
Gesamt (0 bis 9) | 207,9 | 9,7 | 111,7 | 8,5 |
Kfz und -Teile (78) | 43,9 | 8,4 | 25,1 | 8,7 |
Maschinen (71 bis 74) | 41,9 | 4,9 | 21,0 | 1,5 |
Chemische Erzeugnisse (5) | 34,3 | 19,1 | 19,7 | 21,5 |
Arzneimittel (54) | 13,3 | 24,3 | 8,4 | 42,2 |
Elektrotechnik (77 minus 776) | 20,7 | 8,5 | 10,6 | 4,5 |
Mess- und Regeltechnik (87) | 14,3 | 8,7 | 7,3 | 5,6 |
Elektronik (75, 76, 776) | 12,5 | 10,5 | 7,3 | 21,5 |
Nahrungs- und Genussmittel (0, 1) | 3,9 | -22,8 | 2,0 | 1,5 |
Alternative Beschaffungsmärkte im Fokus
Für Deutschland sind die asiatischen Staaten nicht nur wichtige Absatzländer, sondern auch bedeutende Beschaffungsmärkte. Dabei stand lange Zeit China im Vordergrund. Aus keinem anderen Land bezieht die Bundesrepublik mehr Waren als aus dem Reich der Mitte, teils bestehen kritische einseitige Abhängigkeiten. Doch die Suche nach Alternativen zur Volksrepublik hat Fahrt aufgenommen. Nicht nur Corona und Verzerrungen in den globalen Lieferketten, sondern auch geopolitische Verwerfungen haben den Ruf nach Diversifizierung verstärkt. Im Rahmen der sogenannten "China+1"-Strategie wollen Unternehmen bei der Beschaffung zunehmend alternative Märkte in den Blick nehmen, allen voran bei kritischen Komponenten.
Alternativen zur Volksrepublik sind nicht immer einfach zu finden, sodass Firmen beim Verlagerungsprozess schnell an Grenzen stoßen. Die Rückverlagerung von Produktion nach Europa (sogenanntes Nearshoring) gestaltet sich aufgrund von mangelnden Fachkräften schwierig. Vietnam wird oft in Erwägung gezogen, kann aber die notwendigen Mengen nicht alleine stemmen. Andere Bezugsmärkte wie Indonesien oder Malaysia müssten sich noch stärker um industrielle Ansiedlungen bemühen. Chancen könnten strategische Partnerschaften und Freihandelsabkommen bieten.
Trotz Bemühungen zur Diversifizierung von Bezugsmärkten hat China als Beschaffungsmarkt für Deutschland anteilsmäßig an Bedeutung hinzugewonnen. Während 2020 noch 53 Prozent der deutschen Importe aus Asien-Pazifik auf die Volksrepublik entfielen, waren es 2021 nahezu 55 Prozent. Von Januar bis Juni 2022 summierte sich der Anteil sogar auf fast 57 Prozent. Einen leichten Rückgang von 2,6 Prozent gab es hingegen bei deutschen Einfuhren aus Südkorea.
Asien-Pazifik zeigt großes Potenzial
Das fortgesetzte wirtschaftliche Wachstum in der Region spricht dafür, dass Asien eine der dynamischsten Regionen für die Weltwirtschaft bleiben wird. Für viele Volkswirtschaften wird ein höheres reales Wachstum des Bruttoninlandsprodukts erwartet als die vom Internationalen Währungsfonds prognostizierten 3,2 Prozent weltweit. Bei weiterhin anhaltendem Wachstum könnte der deutsche Warenaustausch mit der Region im Gesamtjahr 2022 erstmals 550 Milliarden Euro übertreffen – eine Steigerung um mehr als 100 Milliarden Euro im Vergleich zu 2021. Auf US-Dollar-Basis dürfte die Wachstumsrate mit 11,4 Prozent zwar etwa halb so kräftig ausfallen, aber dennoch solide sein.
Wachstums- und Ausbaupotenzial bietet außerdem der Dienstleistungshandel. Die traditionelle Vorstellung von grenzüberschreitendem Handel mit ausschließlich physischen Gütern wird der Realität nicht länger gerecht. Die meisten Services erbringen deutsche Firmen zwar im europäischen Ausland. Daneben haben sich deutsche Dienstleistungsexporte nach Asien-Pazifik in den letzten Jahren aber besonders dynamisch entwickelt.
Die Artikelreihe "Deutsche Wettbewerbsposition in ..." ist Bestandteil des unternehmensweiten GTAI-Schwerpunkts "Globaler Handel und Lieferketten". Auf Basis von Außenhandelsdaten wird die Enwicklung der deutschen Exporte von 2000 bis 2020 in ausgewählte Zielmärkte untersucht.
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