Interview | Asien | Beratende Ingenieure
"Wir beraten immer system- und produktoffen"
Die DB E.C.O. Group bietet weltweit Ingenieursleistungen im Bahnbereich an, auch in China. Dieter Michell-Auli beschreibt, wie Erfolg trotz schwierigen Umfelds möglich ist. (Stand: 22.01.2024)
Von Corinne Abele | Shanghai
Bahnveteran Dieter Michell-Auli kennt das Geschäft von allen Seiten. Bevor er 2009 zur Deutschen Bahn AG und im Anschluss zur neuen DB E.C.O. Group kam, war er für Siemens an zahlreichen Hochgeschwindigkeitsprojekten beteiligt, auch in China. Seit August 2022 ist er Vice Präsident Global Sales im Gesamtvorstand der Deutsche Bahn E.C.O Group.
Dieter Michell-Auli; Member of the Executive Board V.P. Global Sales; DB E.C.O Group; Ingenieursdienstleistungen im Ausland | © Dieter Michell-AuliHerr Michell-Auli, welches Projekt der DB E.C.O zählt aktuell für Sie zu den spannendsten?
Ich würde sagen die Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen Malaysias Hauptstadt, Kuala Lumpur, und Singapur. Hier stricken wir gemäß Kundenvorgaben ein optimales Betriebskonzept. Dabei geht es zum Beispiel darum, minimale Fahrzeiten zu generieren, die Depots für die Züge optimal zu platzieren, möglichst wenig Leerzeiten zu haben und das Personal optimal zu rotieren. Ziel ist es, mit einer möglichst geringen Infrastruktur einen möglichst intensiven Betrieb zu garantieren, so dass sich ein solches Projekt über die nächsten 20 bis 30 Jahre auch rechnet.
Dazu muss das Projekt ganzheitlich betrachtet und betreut werden. Das fängt mit Planungsleistungen an und geht bis zur Bauüberwachung und Kommissionierung. Bei derartigen Großprojekten muss aus betrieblicher Sicht geplant werden. Die meisten unserer Wettbewerber haben dieses Spezial-Know-how nicht.
Welche weiteren Länder sind derzeit für Ingenieursdienstleistungen im Bahnsektor interessante Märkte?
Derzeit baut Australien sein Hochgeschwindigkeitsnetz auf und seine Güterverkehrsstrecken aus. Der Markt ist für uns nicht zuletzt aufgrund der geringen Zugangsbeschränkungen interessant. Auch Thailand baut seine Hochgeschwindigkeitsstrecken aus, Indien investiert stark in den Schienennahverkehr.
Sind alle Länder gleich leicht zu bearbeiten oder gibt es länderspezifische Unterschiede?
Ja, die gibt es schon. In China ist die Zusammenarbeit mit dem Kunden beispielsweise partnerschaftlich und zielorientiert. Man muss liefern und wird dafür auch ordentlich bezahlt. In Indien ist die Beziehung zum Kunden häufig schwieriger. Hier ist ein hartes Vertragsmanagement gefragt mit bis zum Komma ausgearbeiteten Verträgen. Forderungen müssen deutlich häufiger eingeklagt werden, erst dann läuft die Bezahlung.
Andererseits kann man sich in Indien auf alle Projekte bewerben und sich mit einem vernünftigen Angebot im Wettbewerb durchsetzen. Im staatlich dominierten Bahnsektor Chinas werden hingegen viele Projekte intern vergeben. Dort herrscht die Meinung vor, dass internationales Know-how nicht benötigt werde – was wir übrigens nicht teilen.
Bei privaten Unternehmen in China, die unser Spezial-Know-how schätzen, läuft es deutlich besser. China ist ein Markt, in dem Spitzentechnologien im Bahnbereich eine wichtige Rolle spielen; daher bleiben wir trotz weniger Projekte im Land aktiv.
Welches sind die Kernbereiche der Deutsche Bahn E.C.O. Group?
Wir bieten unseren Kunden weltweit alles von Machbarkeitsstudien und Bahnverkehrskonzepten bis hin zur Bauüberwachung und Implementierung von neuen Bahntrassen oder Bahnbrücken, aber auch die Begleitung von Umbau und Modernisierungsmaßnahmen. Im Gegensatz zu den meisten internationalen Konkurrenten sind wir mit einem komplexen Bahnsystem in Deutschland groß geworden und können daher alles abdecken.
Hinter E.C.O. verbergen sich unsere Kernbereiche Engineering, Consulting und Operations. Zunehmend wichtig ist uns, neue Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu adressieren. Derzeit arbeiten bei DB E.C.O. rund 7.000 Beschäftigte. Bis Ende 2025 sollen es insgesamt 10.000 sein, davon rund die Hälfte im Ausland.
Was sind generell Stärken deutscher Ingenieursleistung im Ausland?
Wir beraten immer system- und produktoffen, sind technologieagnostisch unterwegs und kennen daher alle Produkte und Technologien sowie die Vor- und Nachteile. Ich halte dies generell für einen Riesenvorteil deutscher Ingenieursdienstleistungen. Daraus erwächst auch der Ansporn an die Industrie, tatsächlich immer besser zu sein als unsere Wettbewerber. Wenn wir im Wettbewerb doch verlieren, müssen wir uns eben etwas mehr anstrengen, um aufzuholen.
Und wo liegen die Schwachstellen?
Dass wir keinen One-Stop-Shop mehr anbieten, wie es zum Beispiel in China der Fall ist. Chinesische Firmen bringen Kapital mit, planen selbst und betreiben teilweise auch. Gut ist, dass sich inzwischen auch wieder stärkere Ingenieursunternehmensgruppen in Deutschland formiert haben. Aber es fehlen deutsche Baufirmen. Eigentlich bräuchten wir eine Deutschland- oder Europa-AG, die gemeinsam auftritt. Aber dazu sind wir derzeit zu zersplittert aufgestellt. Da sollte die europäische Konnektivitätssinitiative Global Gateway ansetzen.
Wie kommen Sie dennoch an Aufträge?
Am besten ist es, über intensive Kundenbeziehungen möglichst frühzeitig mit dabei zu sein. Natürlich werden auch immer Referenzen gefordert. Aber diese sind für deutsche Ingenieursdienstleister in der Regel kein Stolperstein.
Wohin bewegt sich der künftige Bedarf an Ingenieursleistungen?
Die Digitalisierung wird massiv vorangetrieben. Dabei geht es um bedarfsorientierten Betrieb und Instandhaltung. Beispielsweise können wir über das System DIANA für die Deutsche Bahn und Luxemburg alle Weichen überwachen und prognostizieren, wann eine Weiche auszufallen droht und sie rechtzeitig warten. Für die Fahrzeugwartung gibt es bereits KI-gestützte Systeme.
Können deutsche Ingenieurbüros Digitalisierung?
Deutsche Ingenieurbüros sind gut gewappnet und anpassungsfähig. Aufgrund des großen Wettbewerbs allein in Deutschland mit mehreren hundert Ingenieursbetrieben, muss immer die neueste Technik eingesetzt werden. Um immer auf der Höhe der Zeit zu sein, erneuern wir ständig Soft- und Hardware. Wir sind da sicherlich teilweise auch anderen internationalen Wettbewerbern voraus.