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Deutsche Ingenieure im Ausland: Klein, unabhängig und erfolgreich

Die meist kleinen Ingenieurbüros engagieren sich vor allem in wachsenden und risikoreicheren Ländern. Dass sie dort oft schon lange aktiv sind, hilft ihnen an Aufträge zu kommen. (Stand: 20.12.2023)

Von Lisa Flatten | Bonn

Deutsche Ingenieurbüros sind in Infrastrukturprojekten im Ausland gut vertreten. Und das, obwohl sie im internationalen Vergleich relativ klein sind. Ihre Tätigkeiten reichen von Vorstudien, über alle Planungsphasen bis hin zur Bauüberwachung. Ebenfalls agieren sie als Vertreter für die Bauträger bei Vergabeverfahren. Bei großen Infrastrukturprojekten kann auch die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden dazu kommen. Eine Besonderheit der deutschen Branche ist, dass sie vor allem aus kleinen unabhängigen Büros besteht, die nicht wie in vielen anderen Ländern zu einer größeren Baugruppe gehören.

Im internationalen Vergleich sind deutsche Ingenieurbüros recht klein

Die Größe der Unternehmen variiert zwischen kleinen Spezialistenbüros mit ein paar wenigen Mitarbeitenden, über Firmen mit ein paar Hundert Arbeitnehmern bis hin zu einigen wenigen Büros mit mehreren Tausend Beschäftigten. Diese mittelständischen und familiengeführten Strukturen sind typisch deutsch. "Selbst mit 8.500 Mitarbeitenden ist man international noch recht klein", sagt Thomas Eckart von GRE (German Rail Engineering). Die GRE gehört seit 2020 zur Dorsch Gruppe, einer der größten Beratungsfirmen in Deutschland. Deutlich größer sind jedoch beispielsweise die Jacobs Engineering Group (USA) mit circa 60.000 Mitarbeitenden oder Ramboll aus Dänemark mit mehr als 18.000 Beschäftigten. Da kann auch der mitarbeiterstärkste chinesische Ingenieursdienstleister China Railway Eryuan Engineering Group mit 6.300 Arbeitskräften nicht mithalten.

Durch die geringe Größe sind deutsche Ingenieurbüros flexibler und schneller in ihren Entscheidungen, was sie zu beliebten Partnern macht. Auf diese Weise arbeiten auch sie erfolgreich bei Milliardeninvestitionen mit. Dennoch: Die Kapazitäten deutscher Büros sind mit großen Infrastrukturprojekten teilweise über fünf bis zehn Jahre ausgelastet. "Also können wir nicht gleichzeitig große Stromleitungsprojekte in Asien, in Lateinamerika, in Europa und im Mittleren Osten umsetzen, sondern müssen uns dann auf ein Projekt konzentrieren", so Jens Kottsieper von ILF Beratende Ingenieure.

Die Branche konsolidiert sich

Die Branche durchläuft zurzeit aber auch einen starken Konsolidierungskurs. Die Dorsch Gruppe hat beispielsweise unheimlich eingekauft in den letzten Jahren – darunter auch GRE. Die Ingenieurbüros erwarten weitere Zusammenschlüsse.

Deutsche Büros sind besonders in aufstrebenden Märkten aktiv

Von den 1.600 Mitgliedsunternehmen des VBI sind etwa 40 bis 50 Firmen stärker im Ausland engagiert. Insgesamt also nur ein kleiner Teil der Branche. Aktiv sind die Firmen vor allem im Nahen Osten, in Nord- und Subsahara-Afrika, in Mittel- und Lateinamerika sowie in Osteuropa - tatsächlich stark in wachsenden und risikoreicheren Ländern. "Das hat viel mit der Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu tun", so Catharina Stahr vom Verband Beratender Ingenieure (VBI). Stärker entwickelte Märkte wie Westeuropa und Nordamerika spielen dagegen für deutsche Firmen weniger eine Rolle. Das dürfte mit daran liegen, dass hier die Konkurrenz zu den heimischen Firmen stark ist. Zudem beauftragen US-Unternehmen auch gerne US-Büros. Schon alleine weil sich diese besser mit den lokalen Gegebenheiten auskennen, beispielsweise mit den relativ hohen bürokratischen Hürden in den USA.

In Asien, insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum, gibt es gute Wachstumsaussichten. "In den nächsten Jahren könnten aber auch besonders Afrika, Indien, und der Nahen Osten noch einmal interessanter werden", sagt die VBI-Vertreterin. "Ein Thema, wo es hoffentlich große Aktivitäten geben wird, ist der Wiederaufbau der Ukraine."

Für die VBI-Unternehmen sind Themen wie Wasserwirtschaft, Umweltschutz, Stadtplanung, ländliche Entwicklung und Energiewirtschaft bei Auslandsprojekten von Bedeutung. Auch das Recycling und die Abfallentsorgung sind laut Catharina Stahr wichtige Bereiche.

Lokale Kontakte spielen eine große Rolle bei der Auftragsvergabe

Relativ wenige Firmen haben im Vorfeld ihres ersten Projekts Strukturen im Land. Große Firmen verfügen jedoch in vielen Ländern über Büros oder arbeiten mit Agenten zusammen. Die Dorsch Gruppe beschäftigt beispielsweise mehr als die Hälfte ihrer Belegschaft im Nahen Osten, vor allem auf der Arabischen Halbinsel. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern sind persönliche Beziehungen sehr wichtig für die Geschäftsanbahnung. So verfügen einige Ingenieurfirmen über lokale Büros mit heimischen Mitarbeitenden, die die Beziehungspflege übernehmen und entsprechende kulturelle Kompetenzen besitzen, die in den Märkten unabdingbar sind. "Das ist ein großer Pluspunkt für Firmen, die schon lange in den Ländern präsent sind und viel Erfahrung gesammelt haben. Diese und ihre guten Netzwerke helfen ihnen sehr bei Bewerbungen auf Infrastrukturprojekte," so die Verbandsvertreterin.

Jens Kottsieper ist sich sicher, dass der Großteil der Konnektivitätsprojekte nicht über Plattformen, sondern über Networking, also die Vernetzung in den jeweiligen Ländern, gewonnen wird. "ILF hat 55 Länderbüros und arbeitet mit Agenten und Partnern vor Ort zusammen, die Kontakte herstellen." Auch Fachveranstaltungen spielen in den Ländern für den Kontaktaufbau und die -pflege eine große Rolle. "Das ist aber bei weitem nicht der ausschlaggebende Faktor, sondern der Besuch vor Ort, die Vorstellung. Also dass man wahrgenommen wird als Ingenieurberatung, dass man Planungs-, Projektmanagement- und Beratungsleistungen anbieten kann." Deutsche Ingenieurdienstleister sind sich einig: Diese Wahrnehmung ist die größte Hürde, die man nehmen muss.

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