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Digital Health

Elektronische Patientenakten und Rezepte gehören bereits zum Alltag. Ein großes Marktpotenzial bietet sich für Telemedizin.

Von Heiko Stumpf | Sydney

Patientendokumentation und Verschreibungen erfolgen elektronisch

Die Digitalisierung des australischen Gesundheitssektors ist bereits weit fortgeschritten. Nach Angaben des Marktforschungsinstitutes Statista dürfte der australische Markt für digitale Gesundheitsdienstleistungen im Jahr 2022 ein Volumen von 1,8 Milliarden US$ erreichen. Bis 2026 wird ein Anstieg auf 2,3 Milliarden US$ erwartet. 

Mit dem My Health Record verfügt Australien bereits seit dem Jahr 2019 über eine elektronische Patientenakte. Mit Stand Mai 2022 beinhaltete das System die Daten von etwa 23,3 Millionen Patienten. Dies entspricht einer Partizipationsrate von etwa 96 Prozent. Auch seitens der Leistungserbringer besteht eine sehr hohe Akzeptanz. So sind bereits 99 Prozent der Hausärzte und Apotheken bei My Health Record registriert. Bei den öffentlichen Krankenhäusern sind es 97 Prozent. Nachholbedarf besteht hingegen bei den Fachärzten. In dieser Kategorie nutzen nur 23 Prozent die elektronische Patientenakte.

Seit Mai 2022 wird auch der gesetzliche Rahmen für elektronische Verschreibungen implementiert. Derzeit erfolgen diese E-Prescriptions mittels eines Token in Form eines Barcodes oder QR-Codes. Diese Codes können in verschiedenen Formen beispielsweise per SMS, E-Mail oder App übertragen werden.

Im Jahresverlauf 2022 soll auch die großflächige Einführung von sogenannten Active Script Lists (ASL) erfolgen. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Register, welches alle gültigen Verschreibungen eines Patienten enthält und die Verwendung eines Token überflüssig macht. Die dafür notwendige Software wird derzeit in zahlreichen Arztpraxen und Apotheken installiert. Zu den bereits aktiven Anbietern gehören eRx Script Exchange oder Shexie Platinum.

Seit Mai 2020 wurden in Australien mehr als 63 Millionen elektronische Verschreibungen ausgestellt. Daran waren rund 43.000 Rezeptaussteller beteiligt. Für die Implementierung sowohl des My Health Record als auch der E-Prescriptions ist die Australian Digital Health Agency zuständig, welche die zugehörigen Spezifikationen festsetzt.

Telemedizin fest im Gesundheitssystem verankert

Um die Covid-19-Pandemie zu bewältigen, setzt Australien auch auf die Stärkung von Telemedizin. Dazu wurden bereits im März 2020 bestimmte telemedizinische Leistungen vorübergehend in das Medicare Benefits Schedule (MBS) aufgenommen. Dieses legt die Erstattungsbeträge für über 5.700 medizinische Maßnahmen im Rahmen des staatlichen Medicare-Systems fest. Seit Anfang 2022 gelten diese Regelungen dauerhaft.

Die Erweiterung des MBS stellt sicher, dass bestimmte telemedizinische Konsultationen und persönliche Praxisbesuche erstattungsrechtlich im Wesentlichen gleichbehandelt werden. Welche telemedizinischen Leistungen möglich sind, ist dabei in hunderten von neuen MBS-Leistungspunkten geregelt. Diese umfassen Konsultationen von Hausärzten, Fachärzten und anderen Erbringern von Gesundheitsdienstleistungen wie Psychologen.

Die Nachfrage nach den neuen Angeboten ist groß. Von März 2020 bis Februar 2022 wurden über die neuen Regelungen rund 96 Millionen telemedizinische Konsultationen durchgeführt. Dabei gelten bislang keine technischen Vorgaben, um bestimmte  Plattformen zu nutzen. Auch Konsultationen über WhatsApp oder Zoom sind möglich. Es sind jedoch Richtlinien in Bezug auf die Vertraulichkeit von Patientendaten zu beachten. In Australien gibt es bereits eine Reihe von Anbietern für spezielle Telehealth-Plattformen, dazu zählen Halaxy, Coviu oder Swiftdoc.

Viele Anwendungsgebiete für virtuelle Lösungen

Auch im ländlichen Raum sind telemedizinsche Anwendungen bereits weit verbreitet. Fernab der dichtbesiedelten Küstenregionen müssen die Menschen meist sehr weite Entfernungen zurücklegen, um größere Krankenhäuser oder Spezialisten zu erreichen. Die Bundesstaaten betreiben deshalb eine Reihe von Initiativen, um die Versorgungslage mit Hilfe von Telemedizin zu verbessern.

Dazu zählt beispielsweise der Telestroke Service in New South Wales. Zur Diagnose und Behandlung von Schlaganfallpatienten werden regionale Krankenhäuser über telemedizinische Ausstattung mit Spezialisten im Prince of Wales Hospital in Sydney verbunden. Im Juni 2022 waren 23 regionale Kliniken mit entsprechender Technik ausgestattet. Victoria startete im April 2022 mit einem virtuellen Triage-System für die überlasteten Notaufnahmen in den öffentlichen Krankenhäusern.

Auch private Anbieter wie das australische Startup Telecare setzen mit ihren Lösungen auf einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in abgelegenen Regionen. Insbesondere der ländliche Raum ist von einem zunehmenden Ärztemangel betroffen. Die Wartezeit für einen Termin bei einem Facharzt kann über zwölf Monate dauern. Über die digitale Plattform von Telecare sind Termine mit Spezialisten hingegen innerhalb von drei Wochen möglich.

Der wichtige Rohstoffsektor interessiert sich ebenfalls für digitale Gesundheitsanwendungen. Im Outback sind die Abbaustätten für Mineralien wie Eisenerz, Gold oder Kupfer meist völlig abgeschnitten von jeglicher Zivilisation. Das gleiche gilt für die Offshore-Plattformen in der Öl- und Gasindustrie. Für die Behandlung von Arbeitsunfällen und Erkrankungen setzen die Betreiber bereits stark auf digitale Anwendungen. Exxon Mobil kooperiert beispielsweise mit dem australischen Unternehmen Visionflex und nutzt Systeme für die telemedizinische Wundversorgung.

Zudem verfügt Australien auch über eine vielfältige und lebendige Unternehmenslandschaft für die Entwicklung von digitalen Gesundheits-Apps, welche Patienten nutzen. Einmal im Jahr trifft sich die digitale Gesundheitsbranche auf dem Digital Health Institute Summit, welcher vom Australian Institute of Digital Health veranstaltet wird.


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