Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Interview | Bhutan | Wasserkraft

"Das Wachstumspotenzial ist noch nicht ausgeschöpft"

Bhutan ist wohl nicht das erste Ziel für westliche Unternehmen, die sich globalisieren wollen. Doch in einigen Branchen lohnt sich ein zweiter Blick. So auch für die Firma ANDRITZ.

Von Mareen Haring | Berlin

In Verbindung mit Bhutan denkt man eher an das "Bruttonationalglück" als an profitable Unternehmenserfolge. Doch wenn sich ausländische Firmen in die umwelt-priorisierende Wirtschaftsstrategie des Königreichs einfügen können, entstehen neue Perspektiven.

So kam die Erfolgsgeschichte der österreichischen ANDRITZ Hydro in Bhutan zustande. Das Unternehmen unterstützte Bhutan schon vor über 25 Jahren bei Wasserkraftexporten und verhalf dem "Land des Drachendonners" zum Erfolg. Der kleine Binnenstaat hat laut den Experten von ANDRITZ Hydro ein beachtliches Potenzial von 118.260 Gigawattstunden Wasserkraft pro Jahr. Dr. Josef M. Ullmer, President Director und Gebietsleiter Asien der ANDRITZ Hydro mit Sitz in Indonesien, ist für die Aktivitäten in Bhutan verantwortlich.

Dr. Josef M. Ullmer

 

Herr Dr. Ullmer, wann und warum hat sich ANDRITZ Hydro entschlossen, ein Joint Venture im Königreich Bhutan einzugehen?

ANDRITZ ist schon seit über 25 Jahren in Bhutan aktiv und hat einige kleinere Kraftwerksanlagen nach Bhutan geliefert. Anfang des Jahres 2017 wurden wir dann von der damaligen Regierung eingeladen, ein Automatisierungsunternehmen zu etablieren. So begannen wir Sondierungsgespräche mit Druk Green Power Cooperation (DGPC), der bhutanischen Elektrizitätsgesellschaft. Von Anfang an waren ANDRITZ und DGPC gleichwertige Partner. Das ist wahrscheinlich der Grund, weshalb wir in weniger als zehn Monaten unsere gemeinsame Firma gründen konnten und alle Investitionsgenehmigungen vom Königreich Bhutan und von ANDRITZ erhalten haben. Der richtige Durchbruch kam schließlich mit unserem gemeinsamen Joint Venture Bhutan Automation and Engineering.

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Gibt es ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte in Bhutan?

Wir haben festgestellt, dass der Großteil der bhutanischen Bevölkerung sehr gut ausgebildet ist und äußerst fokussiert sowie lösungsorientiert arbeitet. Das sind natürlich ideale Voraussetzungen für unsere Aufgabenstellung im Bereich der Automatisierung. Trotzdem hat ANDRITZ parallel zu den Verhandlungen begonnen, Experten von DGPC auf unsere Hard- und Software einzuschulen. Das geschah in unseren Ingenieurs- und Fabrikationszentren in Delhi und Bhopal in Indien und hat sicherlich auch dazu beigetragen, der Bhutan Automation and Engineering einen guten Start zu bereiten.

Wird vonseiten der Regierung Unterstützung für ausländische Investoren angeboten?

Die Regierung Bhutans sieht sich eher als Brückenbauer. Viele Investitionsanreize gibt es nicht.

Stärkt die Präsenz auf dem bhutanischen Markt Ihre Wettbewerbsfähigkeit?

Die Fähigkeiten und die Qualität der bhutanischen Experten haben wir auch für Projekte in Indien, Nepal und den Philippinen genutzt. Ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass Bhutan Automation and Engineering ein vollwertiges Mitglied in der Wertschöpfungskette von ANDRITZ Automation ist und wir auf Augenhöhe mit den Experten kooperieren.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie im bhutanischen Markt ganz allgemein?

Bhutan ist zwar ein sehr kleiner, aber dafür interessanter Markt mit einem noch nicht ausgeschöpften Wachstumspotenzial. Das Land liegt zwischen den zwei konkurrierenden Nachbarländern Indien und China – viele der bhutanischen Wachstumsszenarien hängen von der regionalen und geopolitischen Stabilität ab.

Gibt es Unterschiede zur westlichen Geschäftsmentalität?

Geduld, Zuhören und absolute Transparenz in der Kommunikation sind sehr wichtig. Gute Geschäfte macht man nur dann nachhaltig, wenn eine Win-win-Situation entsteht. Langfristige Profitoptimierung ist in Bhutan den kurzfristigen Gewinnen vorzuziehen. Wobei es natürlich auch wichtig ist, von Anfang an zumindest alle operativen Kosten decken zu können.

Was kann Deutschland von Bhutan lernen und umgekehrt? 

Von Bhutan können wir das "Bruttonationalglück" lernen! Nicht alles kann man in Geld messen. Bhutan könnte dafür von der deutschen Mentalität lernen, dass alles möglich ist, solange man es ordentlich macht und nicht aufgibt.

Bruttonationalglück

Das Bruttonationalglück (BNG; englisch: Gross National Happiness) wurde Anfang der 70er-Jahre vom damaligen König von Bhutan ins Leben gerufen. Konzipiert wurde der BNG-Index erst im Jahr 2008. Das BNG ist sowohl Ergänzung als auch Gegenpol zum westlichen monetären Bruttoinlandsprodukt. Der Grundgedanke hinter dem BNG ist eine nachhaltige Entwicklung. Diese kann es demnach nur geben, wenn materielle, kulturelle und spirituelle Elemente harmonieren, sich ergänzen und bestärken.

Glauben Sie, Bhutan ist ein Zukunftsmarkt für deutsche Exporteure und Investoren? Für welche Branchen sehen Sie Chancen? 

Möglichkeiten gibt es immer, vor allem, wenn sie in den Bereich der Nachhaltigkeit fallen. Ich sehe beispielsweise Chancen im ökologischen Landbau, im nachhaltigen Tourismus, im Bereich des Hydro-, Solar- und Wasserstoffstroms sowie für das Ingenieurwesen. Vor allem deutsches Know-how dürfte gefragt sein.

Ganz herzlichen Dank für diese Einblicke und viel Erfolg weiterhin!

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