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Marktchancen
Portugal muss investieren, um die selbst gesteckten Ziele im Abfallsektor zu erreichen. Dazu gehören die bessere Verarbeitung biologischer Abfälle und mehr Kunststoffrecycling.
14.03.2022
Von Oliver Idem | Madrid
Gesetzliche Erfordernisse sorgen für Handlungsbedarf
Portugal setzt auf die Kreislaufwirtschaft und hat in die Investitionsplanung 2021 bis 2030 entsprechende Elemente aufgenommen. Im europäischen Vergleich schneidet das Land bislang jedoch unterdurchschnittlich ab.
Zahlen der Umweltagentur APA besagen für 2020, dass zwei wesentliche Zielmarken deutlich verfehlt wurden. Statt der anvisierten 50 Prozent für das Recycling vorbereiteten Haushaltsabfälle wurde nur ein Anteil von 38 Prozent erreicht. Nachteilig wirkte sich hier auch die Coronapandemie aus. Zum Gesundheitsschutz für die Beschäftigten wurden zeitweise Müllsäcke nicht zum Sortieren geöffnet. Das erschwerte das Erreichen der Zielmarke zusätzlich.
Die Deponierungsquote bei Siedlungsabfällen lag 2020 bei 53 Prozent. Ursprünglich hätte sie bis auf 35 Prozent Anteil reduziert werden sollen. Da Deponien immer noch die Endstation für viele Abfälle sind, bleibt in diesem Bereich einiges zu tun. Hier ist besonders die getrennte Erfassung und Verarbeitung biologischer Abfälle zu nennen.
Zudem muss die Recyclingquote bei Kunststoffen zügig gesteigert werden. Portugal hat unter anderem Nachholbedarf bei der Rücknahme von Einwegflaschen gegen Pfand.
Die Umsetzung der Zielvorgaben sowie Optimierungen bestehender Anlagen dürften die Nachfrage nach Entsorgungstechnik steigern. Um die Vorgaben der Europäischen Union (EU) zu erfüllen, sind verstärkte Anstrengungen notwendig.
Integrierte Systeme für Siedlungs- und Verpackungsabfälle
Für Siedlungsabfälle wurde das Sistema de Gestão de Resíduos Urbanos geschaffen. Es besteht auf dem Festland Portugals aus 23 Einheiten. Von diesen befinden sich zwölf in der Hand des Unternehmens Environment Global Facilities.
Menge | 2019 | 2020 |
insgesamt | 5.007 | 5.014 |
unsortiert | 3.955 | 3.950 |
sortiert | 949 | 989 |
übrige | 102 | 75 |
Produktgruppe | Anteil |
Bioabfälle | 39 |
Kunststoffe | 11 |
Papier und Pappe | 10 |
Sanitärtextilien | 9 |
Glas | 7 |
Textilien | 4 |
übrige Stoffe | 22 |
Das Sistema Integrado de Gestão de Resíduos de Embalagens ist für das Management von Verpackungsabfällen im ganzen Land verantwortlich. Die Verantwortlichkeiten umfassen die Rücknahme, die Verwertung und das Recycling von Einwegverpackungen. Industrielle und landwirtschaftliche Verpackungen sind allerdings nicht einbezogen.
Portugal verfügte nach Angaben der Umweltagentur APA über 32 Deponien im Jahr 2020. Hinzu kamen zwei Anlagen zur energetischen Verwertung sowie fünf mechanische Abfallbehandlungsanlagen. Weitere 18 Anlagen dienen zur organischen Verwertung.
Verbleib | 2018 | 2019 | 2020 |
Deponie | 58,3 | 57,7 | 64,2 |
energetische Verwertung | 16,0 | 17,4 | 17,4 |
Recycling | 12,9 | 13,1 | 8,9 |
Kompostierung | 8,4 | 8,4 | 7,2 |
übrige | 4,3 | 3,3 | 2,2 |
Die meisten räumlichen Betrachtungen und einige Statistiken beziehen sich auf das portugiesische Festland. Dort herrschen andere Rahmenbedingungen vor als in den Inselregionen Azoren und Madeira. Mit Blick auf das Recycling befindet sich die Hauptstadt Lissabon in einer Vorreiterrolle.
Nachholbedarf bedeutet Geschäftschancen für die Abfallwirtschaft
Die Aussichten für die derzeitigen und neue Marktakteure sind günstig. Trotz der Fortschritte der vergangenen Jahre herrscht weiter Nachholbedarf im Abfallmanagement. Ohne die notwendigen Investitionen wird Portugal seine eigenen und die europäischen Vorgaben nicht erfüllen können.
Laut dem Statistikamt INE flossen 2020 knapp 25,3 Millionen Euro seitens der Gemeinden in das Abfallmanagement. Der Schwerpunkt lag mit 58 Prozent auf der grundlegenden Ausrüstung für das Einsammeln von Abfällen. Auf Transportmaterial entfielen 32 Prozent der Investitionen. In die Infrastruktur zur Behandlung von Feststoffabfällen flossen 10 Prozent des Geldes.
Der Bedarf an Entsorgungstechnik in Portugal ist hoch. Dies bietet auch deutschen Unternehmen Geschäftschancen. Zu den benötigten Technologien gehören getrennte multilaterale Sammelsysteme, Sortiertechnik, die Vorbereitung und Behandlung von Siedlungsabfällen, Kompostieranlagen sowie neue Einheiten zur mechanischen und biologischen Behandlung (MBA), die Restabfälle in unterschiedliche Fraktionen aufteilen und sie für die weitere Verwertung aufbereitet. Außerdem zeichnet sich ab, dass zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben neue Anlagen in verschiedenen Regionen des Landes erforderlich sein werden.
Verzahnte Strategien für weniger Abfall und Deponierung
Portugal verfolgt langfristige Pläne zum Ausbau und zur Modernisierung des Abfallsektors. Die Regierung hat ihre Investitionspläne für alle Sektoren im Programa Nacional de Investimentos 2030 (PNI 2030) festgeschrieben. Darin finden sich auch die drei in der Projekttabelle enthaltenen Umwelt- und Recyclingprogramme für 2021 bis 2030. Ihr Gesamtvolumen beträgt 350 Millionen Euro. Im Plano Nacional Energía e Clima 2030 (PNEC 2030) sind die Ziele festgeschrieben, die Abfallmenge und die Deponierung zu reduzieren sowie die Abfälle verstärkt zu verwerten.
Das Programa Operacional Sustentabilidade e Eficiência no Uso de Recursos für Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz ist ein wichtiges Instrument zur Kofinanzierung von Investitionen. Das Programm speist sich aus den EU-Fonds für Kohäsion und für regionale Entwicklung. Für die Förderperiode bis 2027 war im März 2022 noch keine detaillierte Verteilung der EU-Mittel verfügbar.
Im März 2022 befanden sich außerdem zwei Strategien in der Erarbeitung. Zur Unterstützung von Kommunen beim Ausbau der Infrastruktur soll der Plano Nacional de Gestão de Resíduos 2030 dienen. Hinzu kommt der Plano Estratégico para os Resíduos Urbanos (PERSU) 2030. Letzterer löst den bis 2020 laufenden und später teilweise angepassten PERSU 2020 ab.
Um Portugal als Importland für Abfälle unattraktiver zu machen, verdoppelte die Regierung zum 1. Juli 2021 die Abfallsteuer auf 22 Euro pro Tonne. Diese Abgabe wird auf undifferenzierte Abfälle erhoben. Aufgrund niedriger Kosten hatte sich Portugal zu einem Importland für Abfälle zum Beispiel aus dem Vereinigten Königreich und Italien entwickelt. Diese Praxis sorgte zwar für Einnahmen, aber aufgrund des Nachholbedarfs bei der Behandlung und dem Verbleib der Abfälle ebenfalls für Umweltprobleme.
Projekt | Investition (in Mio. Euro) | Stand | Projektträger |
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Innovative Lösungen zum getrennten Sammeln von organischen, biologisch abbaubaren und weiteren Stoffen | 170 | Umsetzung 2021 bis 2030 geplant | Projektträger: lokale Verwaltungen und private Unternehmen |
Effizientere Nutzung von Ressourcen beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (zum Beispiel durch Abfälle als Rohstoffe für die Industrie) | 100 | Umsetzung 2021 bis 2030 geplant | Projektträger: lokale Verwaltungen und private Unternehmen |
Implementierung von Lösungen zur Nutzung von Abfällen als Brennstoff/Integration von Abfällen in den Wirtschaftskreislauf | 80 | Umsetzung 2021 bis 2030 geplant | Projektträger: lokale Verwaltungen und private Unternehmen |