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Special | Brasilien | Klimawandel lokal

Dürre und Starkregen alarmieren

Brasilien wird hart von Extremwetterereignissen getroffen. Der Klimawandel bestimmt zunehmend die Agenda. Das eröffnet Chancen - auch wenn die Politik zu wünschen übrig lässt.

Von Gloria Rose | São Paulo

Extreme Wetterverhältnisse in Brasilien nehmen zu. Die Ursachen liegen in der globalen Erderwärmung und den Abholzungen im Amazonas. Sektoren wie die Landwirtschaft und den Bergbau trifft der Klimawandel besonders hart. Im Erntejahr 2021/22 verursachte eine Dürre in vier Bundesstaaten des Südwestens Verluste von rund 9 Milliarden US-Dollar. Dagegen brachte Starkregen der Milchwirtschaft in Minas Gerais im 1. Quartal 2022 hohe Einbußen.

Agrobusiness und Bergbau sehen Risiken und investieren

Überschwemmungen beeinträchtigten auch den Bergbau. In den Jahren 2015 und 2019 führten Dammbrüche an Absetzbecken von Eisenerzminen zu Schlammlawinen mit katastrophalen Ausmaßen. Gefragt sind deshalb Systeme, die die Gefahr von Erdrutschen und Schäden an Staudämmen überwachen. Auch die kapitalstarken Agrarkonzerne stellen sich auf klimabedingte Extremwetterereignisse ein und investieren in neue Technologien wie präzise Bewässerungssysteme. 

Doch geht es nicht nur darum, die negativen Folgen des Klimawandels einzudämmen, sondern auch Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz umzusetzen und nachzuweisen. Schließlich wollen immer mehr multinationale Unternehmen die Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten sicherstellen. Daher investieren brasilianische Agrarkonzerne wie internationale Trader zunehmend in Blockchain-Lösungen für Rückverfolgung und Transparenz.

Der hochproduktive Agrarsektor und der Bergbau spielen eine immer wichtigere Rolle für die Wirtschaft in Brasilien. Schließlich kann sich das Land gerade in Krisen auf den Export von Rohstoffen stützen. Das Agrobusiness erwirtschaftet mittlerweile mehr als ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes.

Stromsektor beschleunigt die Neuausrichtung

Da die Erzeugung elektrischer Energie in Brasilien hauptsächlich auf Wasserkraft basiert, wirkte sich die Jahrhundertdürre 2021 auf den Stromsektor aus. Die Tarife stiegen drastisch an und stimulieren Investitionen in die Energieeffizienz sowie in die Eigenerzeugung. Zur Versorgungssicherheit wurden verstärkt Erdgaskraftwerke unter Vertrag genommen. Doch abgesehen von einigen modernen Anlagen wie dem Kraftwerk Gás Natural do Açu (GNA-I) ist der Kraftwerkspark Brasiliens veraltet und ineffizient. Die Öffnung des Gasmarktes dürfte die Investitionen anschieben.

Zudem investiert der Großkonzern Eletrobras, der im Juni 2022 teilprivatisiert wurde, in die Effizienz seiner 22 Wasserkraftwerke. Fotovoltaik wächst weiterhin exponentiell. Auch für Windkraft sind die Aussichten positiv. Ab 2023 sollen erste Offshore-Anlagen entstehen. Dank seiner sauberen Stromerzeugung rückt Brasilien darüber hinaus ins Augenmerk der globalen Wirtschaft für grünen Wasserstoff.

Mageres Budget für den Schutz vor Klimakatastrophen 

In Anbetracht zunehmender Starkregenereignisse müsste der Staat eigentlich mehr für Katastrophenschutz und -hilfe ausgeben sowie in Stadtplanung und Wohnungsbau investieren. Dennoch schränkte das Ministerium für regionale Entwicklung die Finanzressourcen in den vergangenen Jahren immer weiter ein. Dabei treffen Überschwemmungen und Erdrutsche Jahr für Jahr Millionen von Menschen. Laut einer aktuellen Studie belaufen sich die Schäden auf etwa das Zehnfache der Mittel, die Städte und Gemeinden für Präventionsmaßnahmen aufwenden. Angesichts der knappen Staatskassen ist jedoch keine Trendwende zu erwarten.

Staatliche Maßnahmen konzentrieren sich auf Handel mit Emissionsrechten

Bei den politischen Akteuren steht Klimaschutz nicht an erster Stelle. Die Präsidentschaftskandidaten äußern sich im aktuellen Wahlkampf eher am Rande zu dem Thema. Aus der Opposition häuft sich die Kritik an der Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro, konkrete Verbesserungsvorschläge sind jedoch rar. Ausgefeilte Klimaschutzstrategien finden sich keine.

Immerhin kann Brasilien konkrete Fortschritte im Handel mit Emissionsrechten vorweisen. Ende 2017 wurde das Programm RenovaBio ins Leben gerufen, welches den Einsatz von Biokraftstoffen fördert. Ende März 2022 beschloss die Regierung die Förderung von Biomethan, unter anderem über einen Handel mit Emissionsrechten. Mitte Mai folgte ein Dekret, das den internationalen und branchenübergreifenden Handel mit CO2-Zertifikaten ermöglichen soll. Neun Wirtschaftssektoren sollen innerhalb von sechs bis maximal zwölf Monaten Vorschläge für Emissionsobergrenzen einbringen.

Erste Player strukturieren bereits Projekte für das internationale Wald- und Klimaschutzprogramm REDD+ und den freiwilligen Emissionshandelsmarkt. Die Zahl dieser Projekte dürfte sich vervielfachen. Schließlich gehen mehr als die Hälfte der brasilianischen Treibhausgasemissionen auf Veränderungen in der Landnutzung zurück.

Geschärftes Bewusstsein verändert die Nachfrage

Klimawandel und -schutz rücken in die öffentliche Wahrnehmung. Neun von zehn Menschen in Brasilien wissen, dass sich das Image ihres Landes aufgrund der Rodungen im Amazonas verschlechtert hat. Fast ebenso viele erwarten negative Auswirkungen auf internationale Handelsbeziehungen. Laut einer Erhebung der Vereinten Nationen wollen 60 Prozent der Bevölkerung Wald und Naturflächen schützen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das ist ein größerer Anteil als in Argentinien, Indonesien, Ecuador und Indien. Von den Ländern, die die meisten Treibhausgase durch veränderte Landnutzung freisetzen, weist nur Kanada eine höhere Unterstützung in der Bevölkerung auf.

Der Online-Händler Mercado Livre beobachtet in Brasilien eine besonders rege Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Die Zahl entsprechender Käufe hat sich 2021 mehr als verdoppelt. Das Land erreicht damit ein Marktvolumen wie Mexiko, Kolumbien, Argentinien, Chile und Uruguay zusammen.

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