Viele Projekte konzentrieren sich auf den Export von Wasserstoff. Doch auch die lokale Industrie will den Energieträger nutzen. Sechs Großprojekte könnten 2025 starten.
In den vergangenen Jahren kündigten zahlreiche Unternehmen große Wasserstoffprojekte in Brasilien an. Der Industrieverband CNI listet 66 Projekte mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 31 Milliarden US-Dollar (US$) auf. Fast zwei Drittel davon entfallen auf Initiativen des Stromsektors, die sich hauptsächlich auf den Export grüner Energie aus dem Nordosten Brasiliens ausrichten. Aber auch Industriekonzerne bringen sich ein, darunter besonders die chemische Industrie und der Bereich Industriegase (je fünf Projekte) sowie die Stahlindustrie und der Öl- und Gassektor (je drei Projekte). Unternehmen aus dem Bergbau, der Zementindustrie und anderen Branchen treiben eigene Wasserstoffinitiativen voran.
Die Regulierung von kohlenstoffarmem Wasserstoff ebnet den Weg für kommerzielle Anlagen. Jetzt fehlen "nur" noch langfristige Abnahmeverträge und Investoren. In diesem Jahr trüben jedoch die zunehmende geopolitische Unsicherheit und die hohen Zinsen das Investitionsklima. Dennoch ist der Wasserstoffverband ABIHV positiv gestimmt, dass sechs Projekte gute Chancen haben, 2025 in die Ausführungsphase zu treten.
Bei sechs Wasserstoffprojekten in Brasilien könnte 2025 der Startschuss fallenProjektbezeichnung | Projektspezifika | Investitions volumen (Mrd. US-Dollar) *) | Unternehmen | Status | |
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Produktionsanlage für grünen Ammoniak in Pecém (Ceará) | Projekt in 3 Phasen, Phase 1: Anlage mit einer Elektrolysekapazität von 1,2 GW erzeugt 500 Tonnen grünen Wasserstoff pro Tag | 3,7 (bis zu 5,0) | Fortescue Future Industries (Australien) | Vorvertrag unterzeichnet im Juni 2022; Umweltlizenz 2023 erteilt; early investment decision (EID) fiel im Juli 2024 | |
Produktionsanlage für grünen Ammoniak in Pecém (Ceará) | Kapazität von 2,4 GW Elektrolyse, Produktion von 1.030 Tonnen Wasserstoff pro Tag und 2 Millionen Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr | 2,2 | Konsortium von Casa dos Ventos (Brasilien) und TotalEnergies (Frankreich) | Vorvertrag unterzeichnet im Dezember 2022; Inbetriebnahme für 2029 geplant | |
Wasserstoffelektrolyse in Suape (Pernambuco) | Produktion und Export von 100.000 Tonnen E-Methanol pro Jahr | 0,4 | European Energy (Dänemark) | Vertrag mit Bundesstaat Pernambuco im September 2024, Baubeginn ist im Oktober 2025 und Inbetriebnahme im 2. Hj 2028 geplant | |
Produktion von grünem Ammoniak für Stickstoffdünger in Uberaba (Minas Gerais) | Produktion von bis zu 530.000 Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr | 0,9 | Atlas Agro (Schweiz) | Partnerschaft mit Casa dos Ventos im Oktober 2024; geplante Inbetriebnahme 2028 | |
Wasserstoffelektrolyse in Pecém (Ceará) | Produktion von 900.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr | 1,7 | Voltalia (Frankreich) | Vorvertrag mit der Hafengesellschaft CIPP im April 2024 | |
Produktion von grünem Ammoniak in Parnaíba (Piauí) | Phase 1: Elektrolysekapazität von 3 GW; zum Abschluss der insgesamt 6 Phasen soll die 11,4-GW-Anlage pro Jahr 2,2 Mio. Tonnen grünen Ammoniak erzeugen | 1,9 | Solátio (Brasilien) | MoU mit dem Staat Piauí für 4 GW Solaranlage im Juni 2024; Phase 1 soll 2025 in Bau und 2028 in Betrieb gehen | |
* Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2024: 1 US$ = 5,38 R$.Quelle: ABIHV 2025; Recherchen von Germany Trade & Invest
Deutschland ist ein wichtiger Partner
Wie dynamisch Brasiliens Ökosystem die neuen Chancen aufgreift, zeigt die Beteiligung an dem BMWK-Programm H2Uppp, das in über zehn Ländern Wasserstoffprojekte in der Frühphase fördert. Eine große Anzahl der Vorschläge für öffentlich-private Partnerschaften stammen aus Brasilien, berichtet das Brasilien-H2Uppp-Team. Lateinamerika sei derzeit eine impulsgebende Region für PPPs im Projekt.
Förderprogramme der deutschen Bundesregierung
- H2Uppp: Wasserstoffprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)
- develoPPP: Förderprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Entwicklungs- und Schwellenländern.
In beiden Bereichen laufen bereits erste Projekte in Brasilien, darunter von Projektentwickler Mele Biogas aus Mecklenburg-Vorpommern, der aus Abfällen von Schweinefarmen Vorprodukte (SynCrude) für E-Fuels produziert. Geo bio gas&carbon baut in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die erste Anlage zur Produktion von SAF (Sustainable Aviation Fuel) aus Biogas, das durch Reststoffe gewonnen wird. Auftraggeber ist Copersucar, Brasiliens größter Bioenergiekonzern.
Aktuell läuft ein PPP-Ideenwettbewerb von H2Uppp. Bis zum 14. März 2025 können Unternehmen mit Sitz in Deutschland und EU ihre Wasserstoffprojekte einreichen. Der Förderbetrag beläuft sich auf 50.000 bis 2 Millionen Euro.
Für den PPP-Ideenwettbewerb können sich Unternehmen hier bewerben.
Brasilien hat gute Chancen, zu einem wichtigen Wasserstofflieferland für Deutschland werden. Über den PtX-Entwicklungsfonds haben kapitalintensive Vorhaben Zugang zu den Förder- und Finanzierungsinstrumenten der deutschen Bundesregierung. Mitte November 2024 schloss das Berliner Energieunternehmen SEFE (Securing Energy for Europe) ein Abkommen mit Eletrobras, dem größten Stromkonzern Lateinamerikas, und dem Entwickler EnerTech aus Kuwait. Bis 2030 soll das gemeinsame Projekt Europa mit bis zu 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff versorgen.
In der EU setzen verschiedene Mitgliedsstaaten beim Thema Energiesicherheit auf eine Partnerschaft mit Brasilien. Daher fördert die EU-Kommission den Export grüner Energie aus dem Nordosten Brasiliens nach Europa als Global-Gateway-Leuchtturmprojekt.
Öl- und Gas-Sektor investiert
Dank seiner breit aufgestellten Industrie verfügt Brasilien bereits über eine etablierte Wertschöpfungskette im Bereich Wasserstoff. Das Element kommt im Öl- und Gassektor und bei Industrieprozessen zum Einsatz, hauptsächlich in Verfahren der Stahl- und Glasproduktion sowie in der Nahrungsmittelindustrie und in Heizkraftwerken.
Brasiliens größter Produzent von grauem Wasserstoff ist Petrobras. Der halbstaatliche Erdölkonzern produziert fast ausschließlich für den Eigenbedarf. Laut dem Plan für die Jahre 2025 bis 2029 will Petrobras 16,3 Milliarden US$ für Projekte der Energiewende aufbringen. Das sind 42 Prozent mehr als im vorherigen Fünfjahresplan. Der Konzern investiert in die Dekarbonisierung seiner Produktion und in erneuerbare Energien. Außerdem verstärkt sich Petrobras im Bereich Biokraftstoffe.
Der britische Konzern BP erwarb 2024 den Anteil von Bunge an BP Bunge Bioenergia und investiert. Auf Biokraftstoffe setzt auch Acelen. Das Energieunternehmen des Investmentfonds Mubadala Capital (Vereinigte Arabische Emirate) betreibt die Raffinerie Mataripe in Bahia. Acelen will die heimische Macaúba-Palme zur Produktion von erneuerbarem Diesel und SAF nutzen und plant, über 2 Milliarden US$ zu investieren.
Viele ausländische Ölkonzerne konzentrieren ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) sowie im Bereich Dekarbonisierung auf Brasilien. Dazu gehören TotalEnergies, Repsol Sinopec und ExxonMobil. Das liegt auch an einer neuen Richtlinie der brasilianischen Regulierungsbehörde für den Öl- und Gassektor ANP. Seit 2022 werden Projekte für die Energiewende als F&E-Ausgabe anerkannt. Zum Hintergrund: In Brasilien müssen die Konzerne 1 Prozent ihres Umsatzes in F&E investieren.
Ähnliche Anreize ergeben sich nun vielleicht auch im Stromsektor. Die Regulierungsbehörde für den Stromsektor ANEEL prüft derzeit, ob zwölf Wasserstoff-Pilotprojekte mit einer Elektrolysekapazität von insgesamt 73,5 Megawatt Finanzmittel von rund 200 Millionen US$ aus dem Innovationsfonds des Sektors beziehen können.
Zusätzliche Wertschöpfung für Brasiliens Bioenergiekonzerne
Ob E-Methanol, E-Diesel oder E-Kerosin: Brasiliens Bioenergiekonzerne sehen gute Chancen, neue Geschäftsbereiche zu entwickeln. Seit Jahrzehnten reduzieren Biokraftstoffe die Emissionen im Straßenverkehr. Brasilien nahm 2020 den Handel mit den sogenannten "Créditos de Descarbonização por Biocombustíveis" (CBIOs) auf. Neben den CO2-Zertifikaten für den Kraftstoffmarkt fördern nun auch die Quoten des Programms "Kraftstoffe der Zukunft" die Produktion von Biokraftstoffen.
Große Bioenergiekonzerne wie Copersucar, Raízen, Inpasa, FS Agrisolutions, BP Bioenergy, São Martinho, Atvos, Adecoagro, Usina Coruripe und andere intensivieren die Verwertung von Reststoffen zur Produktion von Ethanol der zweiten Generation (E2G) und von Biomethan.
Auch andere Branchen sehen Chancen für Power-to-X
Im beschleunigten globalen Wandel zur Klimaneutralität kann Brasilien als Industriestandort für energieintensive Branchen wie Stahl, Aluminium und Chemie an Bedeutung gewinnen. Die Stahl-, Keramik- und Zementindustrie investieren bereits in Energieeffizienz und in Bioenergieträger wie Holzkohle aus schnell wachsenden Eukalyptusbäumen sowie Biomethan. Brasilianische Konzerne wie Vale, Braskem und Votorantim sowie multinationale Hersteller, die bis 2050 klimaneutral werden wollen, treiben die Entwicklung und Nutzung von Power-to-X-Anwendungen voran.
Brasiliens Chemieindustrie klagt seit Jahrzehnten über zu hohe Produktionskosten und verliert im internationalen Wettbewerb zunehmend an Bedeutung. Infolge der relativ hohen Erdgaspreise auf dem Binnenmarkt importiert das Land mehr als drei Viertel der Stickstoffverbindungen für Düngemittel, essenzielle Vorprodukte für den wichtigen Agrarsektor. Das Förderprogramm Plano Nacional de Fertilizantes (PNF) soll dazu beitragen, die hohe Importabhängigkeit zu mindern. Darin sind auch Investitionsanreize für grünen Ammoniak vorgesehen.
Den brasilianischen Markt für Industriegase teilen sich die vier Industriegasproduzenten White Martins der Linde Group (mittlerweile mit Sitz in Irland), der US-Konzern Air Products, die französische Gruppe Air Liquide und die deutsche Messer Group. Marktführer mit einem Anteil von 40 Prozent ist Air Products. Die vier Hersteller beteiligen sich aktiv an der Marktentwicklung und treiben verschiedene Projekte und Kooperationen voran.
Deutsche Zulieferer sind vor Ort
Fast alle Mitgliedsunternehmen der Lobbyorganisation Global Hydrogen Council und der Großteil der deutschen Unternehmen mit Aktivitäten im Bereich grüner Wasserstoff sind in Brasilien mit Tochterfirmen vertreten. Besonders aktiv sind große Technologieanbieter wie Siemens Energy und thyssenkrupp.
Neuman & Esser (NEA) weihte im November 2024 eine Produktionsanlage am Standort Belo Horizonte (Minas Gerais) ein. Hier kann der mittelständische Maschinenbauer aus dem Rheinland Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von bis zu 70 Megawatt pro Jahr herstellen.
Von Gloria Rose
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São Paulo