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In Chiles Wasserstoffsektor herrscht Goldgräberstimmung

Der Andenstaat hat ein enormes Potenzial und große Ziele für die Produktion und den Export von grünem Wasserstoff. Die Projektpipeline ist voll.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Grüner Wasserstoff gilt als Kraftstoff der Zukunft. Doch seine Herstellung aus erneuerbaren Energien ist noch sehr teuer. Kaum ein Land auf der Welt verfügt indes über ähnlich günstige Produktionsbedingungen wie Chile. Das gilt auch für Derivate wie grünen Ammoniak.

Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) besitzt Chile ein Potenzial für erneuerbare Energieträger von 1.800 bis 2.000 Gigawatt. Das entspricht dem knapp 70-Fachen der aktuell installierten Stromleistung. Die möglichen Stromgestehungskosten liegen bei Solar bei unter 20 US-Dollar (US$) pro Megawattstunde; bei Wind betragen sie weniger als 30 US$. Somit ist in Chile beides möglich: die angestrebte Energiewende im Land und der Export von grünem Wasserstoff in die Welt.

Über 60 Projekte angekündigt

Mehr als 60 Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff wurden landesweit bislang bekannt gegeben. Ein Großteil der Vorhaben entfällt auf den Süden Chiles, der über hervorragende Bedingungen für Windkraft verfügt. Zwar dürfte allenfalls die Hälfte über das Planungsstadium hinauskommen – doch selbst dann wäre das Ergebnis eine wirtschaftliche Revolution. 

„Die größten Erfolgsaussichten haben Projekte mit gesicherter Abnahme“, urteilt Frank Dinter, Geschäftsführer von Fraunhofer Chile.

Dinter bezieht sich darauf, dass es für einige der für die Projekte benötigten Produkte in Chile noch nicht genug Nachfrage und Kunden gibt. Oft fehlt auch die Infrastruktur.

Schon heute benötigen beispielsweise Raffinerien Wasserstoff. Doch wird dieser bislang mit fossilen Energieträgern hergestellt. Die Umstellung ist technisch einfach. In diese Richtung zielt etwa das Gemeinschaftsprojekt HyPro Aconcagua der Linde AG mit der chilenischen Empresa Nacional de Petróleos (ENAP). Mit einer Elektrolysekapazität von 24 Megawatt sollen dort jährlich 3.000 Tonnen grüner H2 produziert werden, um den grauen Wasserstoff in der zu ENAP gehörenden Aconcagua-Ölraffinerie teilweise zu substituieren.

HyPro Aconcagua war mit fünf weiteren Vorhaben 2021 als Sieger aus einer Ausschreibung der staatlichen Entwicklungsagentur CORFO (Corporación de Formento de la Producción de Chile) hervorgegangen. CORFO hatte in Chile bereits den Weg für den Aufbau der Solarindustrie geebnet. Ähnliches erhoffen sich viele Protagonisten für Wasserstoff. Doch ist die Rolle des unter CORFO im Aufbau begriffenen "Wasserstoff-Komitees" noch offen.

"Genaueres kann man vielleicht nicht einmal im September 2022 sagen, wenn das Referendum über Chiles neue Verfassung stattgefunden hat", so Erwin Plett, Sekretär beim chilenischen Wasserstoffverband H2Chile. Doch selbst ein Ja oder Nein zum Verfassungsentwurf dürfte kurzfristig keine Klarheit bringen. Neue Ausschreibungen zu staatlich geförderten Vorhaben sind bislang nicht bekannt.

Chile will bis 2030 die geringsten Herstellungskosten weltweit ermöglichen

Immerhin lässt die aktuelle Regierung keinen Zweifel daran, an der ehrgeizigen Strategie ihrer Vorgängerin festzuhalten:

Chiles Strategie für Grünen Wasserstoff

Chiles "Estrategia Nacional de Hidrógeno Verde" wurde im November 2020 veröffentlicht. Wichtige Ziele sind:

  • mindestens 5 Gigawatt Elektrolysekapazität in der Entwicklung oder im Aufbau bis 2025;
  • Anstieg der Elektrolysekapazität auf 25 Gigawatt bis 2030;
  • Chile soll mit Investitionen in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar bis 2025 Hauptzielland für H2-Investitionen in Lateinamerika sein;
  • Ausbau der jährlichen Produktion auf mindestens 200.000 Tonnen des Energieträgers bis 2025;
  • Chile soll 2030 das Land mit den geringsten Herstellungskosten weltweit sein; angestrebter Preis: 1,3 US-Dollar pro Kilogramm;
  • Erlöse in Höhe von jährlich mindestens 2,5 Milliarden US$ aus dem Export von grünem Wasserstoff und -derivaten ab 2030;
  • Chile soll bis 2040 einer der drei weltgrößten Exporteure werden.

Auch das chilenische Energieministerium verfolgt ambitionierte Pläne für den Einsatz des grünen Kraftstoffs. Demnach soll der vor Ort produzierte Energieträger kurz- bis mittelfristig Importe von Ammoniak als Grundstoff für Dünger und Sprengstoff ersetzen und grauen Wasserstoff in den Raffinerien substituieren. Angestrebt ist auch ein Einsatz von grünem Wasserstoff im Personen- und Güterverkehr.

Große Hoffnungen setzt das Ministerium zudem auf den Export von grünem Wasserstoff und -derivaten: Dieser soll ab 2028 beginnen und bis 2050 ein Volumen von rund 30 Milliarden US$ erreichen. Zum Vergleich: Kupfer, Chiles wichtigstes Exportgut, kam 2021 auf einen Exportwert von 53 Milliarden US$.

Pilotanlage unter deutscher Beteiligung

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn de facto wird grüner Wasserstoff in Chile bislang, abgesehen von wenigen Forschungsvorhaben, weder produziert noch verbraucht. Vorreiter ist die 2020 initiierte Pilotanlage Haru Oni. Noch 2022 soll hier die Produktion von synthetischen Elektrokraftstoffen (eFuels) beginnen. Beteiligt sind Siemens Energy und Porsche. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Projekt im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie. Ausgelegt ist Haru Oni auf eine jährliche Produktion von zunächst 350 Tonnen eMethanol sowie 130.000 Litern eFuels für die Porsche-Flotte.

Vor allem der Bergbau wird grünen H2 nachfragen. Der wichtigste Industriezweig Chiles sieht sich in der Pflicht, seine Umweltbilanz zu verbessern und will deshalb seinen Fahrzeugpark von Diesel auf Wasserstoff umstellen. Außerdem gibt es Bestrebungen, grünen Ammoniak für die Sprengstoffindustrie zu produzieren. Kleinere Nachfragemengen sind aus der Holzindustrie (Lkw), bei Fernbussen, der Lachsproduktion und der Logistikwirtschaft (Gabelstapler und Lkw) zu erwarten, schätzt Christoph Meyer, Experte für erneuerbare Energieträger in der AHK Chile.

Geschäftschancen für Investoren, Lieferanten und Berater

Abgesehen davon, dass deutsche Firmen wie Siemens, Porsche, Linde, aber auch RWE in Chile bereits heute mit einem Fuß in der Tür zur Produktion von grünem Wasserstoff stehen, zeichnen sich über die gesamte Herstellungskette hinweg Lieferchancen für deutsche Firmen und ihre Produkte ab, Beispiele sind:

  • Ausstattung von Windparks
  • Elektrolyseure und
  • Speichertechniken
  • Brennstoffzellen
  • Beratung im Maschinen- und Anlagenbau
  • Aufbau der erforderlichen Infrastruktur
  • Stadtplanung
  • Serviceleistungen für Betrieb und Wartung,
  • Logistik der Häfen.
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