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Branchen | Chile | Energiewende

Wasserstoffprojekte in Chiles Süden nehmen Gestalt an

Chile verfügt über exzellente Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff. Das gilt besonders für den Süden des Landes. Die Region zieht zunehmend Auslandsinvestoren an.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Im Andenstaat geben sich an Wasserstoff interessierte Firmen die Klinke in die Hand. Vor allem Punta Arenas im Süden des Landes sieht sich als die kommende Wasserstoff-Hauptstadt – dank hervorragender Bedingungen für die Windkraft.

Siemens Energy und Porsche in der Poleposition

Vorreiter vor Ort ist die 2020 initiierte Pilotanlage Haru Oni. Noch 2022 soll dort die Produktion von synthetischen Elektrokraftstoffen (eFuels) beginnen. Beteiligt sind Siemens Energy und Porsche. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Projekt im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie. Ausgelegt ist Haru Oni auf eine jährliche Produktion von zunächst 350 Tonnen eMethanol sowie 130.000 Liter eFuels, die bis 2026 auf 550.000 Liter ausgeweitet werden soll.

In der Sprache der indigenen Bevölkerung bedeutet "Haru Oni" starker Wind. Tatsächlich weht dieser in der Region Magallanes so konstant, dass eine Windkraftanlage rund 270 Tage im Jahr mit Volllast betrieben werden kann. Zum Vergleich: In Deutschland sind es nur rund 70 Tage. Entsprechend ist die installierte Leistung nur ein Indikator dafür, wieviel Strom eine Anlage produzieren kann. Entscheidend ist aber auch, wie lange sie auf Volllast gefahren werden kann – und da hat Chile im Vergleich zu Australien, den USA oder der Europäischen Union (EU) die Nase vorn.

Beispielsweise bläst der Wind in bestimmten Regionen Chiles an Land an 70 Prozent bis 75 Prozent der Tage im Jahr deutlich ausdauernder als an vergleichbaren Offshore-Standorten in der EU (50 Prozent bis 55 Prozent). Solarmodule liefern im Andenstaat an geeigneten Standorten 37 Prozent der jährlichen Stunden Strom. In Spanien liegt dieser Wert dagegen bei 20 Prozent bis 25 Prozent, erläutert Erwin Plett, Sekretär beim chilenischen Wasserstoffverband H2Chile auf Basis von Daten des chilenischen Energieministeriums und einer Studie von McKinsey.

Ein weiteres bedeutendes Projekt in der Region ist Faro del Sur, ein Vorhaben der staatlichen Entwicklungsagentur CORFO (Corporación de Fomento de la Producción de Chile) mit dem italienischen Enel-Konzern. Geplant ist der Aufbau einer Elektrolyseleistung von 240 Megawatt und die Produktion von 25.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr. Dieser soll an die lokale Projektgesellschaft HIF-Chile verkauft werden, um Ethanol und grünes Benzin für den Export nach Europa zu produzieren. Enel ist überdies auch Projektpartner von Haru Oni, neben dem lokalen Energieunternehmen AME und dem chilenischen Mineralölkonzern ENAP.

Total Eren will größtes Wasserstoffprojekt des Landes umsetzen

Ebenfalls im Süden angesiedelt ist das Projekt H2 Magallanes des französischen Energiekonzerns Total Eren. Total will ab 2025 mit dem Bau beginnen und zwei Jahre später die ersten Wasserstoffmoleküle produzieren. H2 Magallanes umfasst:

  • eine installierte Windkapazität von 10 Gigawatt,
  • eine Elektrolysekapazität von 8 Gigawatt,
  • eine Entsalzungsanlage,
  • eine Ammoniakanlage, um den grün produzierten Wasserstoff transportfähig zu machen sowie
  • einen Hafen für den Export des grünen Ammoniaks.

Allein mit diesem Megaprojekt würde Chile die in seiner Nationalen Wasserstoffstrategie festgelegten Ziele erreichen: Bis zum Jahr 2025 sollen demnach mindestens 5 Gigawatt Elektrolysekapazität in der Entwicklung beziehungsweise im Aufbau sein.

Auch RWE will in Chile grünen Wasserstoff produzieren

In den Vorbereitungen für eine Machbarkeitsstudie befindet sich das Projekt Vientos Magallánicos der deutschen RWE. Mit dem Vorhaben konnte RWE einen Wettbewerb um Fördermittel der Agencia Chilena de Cooperación Internacional para el Desarrollo (AGCID) für sich entscheiden. AGCID untersteht dem chilenischen Außenministerium.

RWE will für 1,85 Milliarden US-Dollar (US$) einen 750-Megawatt-Windpark (später 1 Gigawatt) errichten, um 63.000 Tonnen grünen Wasserstoff und 350.000 Tonnen grünen Ammoniak im Jahr zu produzieren. Geht alles nach Plan, soll die Produktion 2030 beginnen. Ferner gibt es kleinere Projekte der Firmen Austria Energy, Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) sowie einem lokalen Akteur.

Risiken und große Entwicklungschancen für Chiles Süden

Würden alle angekündigten Projekte realisiert, flössen in den nächsten Jahren nach Berechnungen von BNAmericas rund 15 Milliarden US$ in die Region. Zugleich eröffneten sich angesichts des Umfangs der Vorhaben vollkommen neue Möglichkeiten, komplett integrierte Projekte zu errichten – und damit die Industriebasis Chiles massiv zu erweitern.

Für die mit knapp 170.000 Einwohnern sehr dünn besiedelte Región de Magallanes y de la Antártica Chilena ist dies sozial und ökologisch eine große Herausforderung. Denn vor Ort gibt es weder die benötigten Fachkräfte, um die geplanten Fabriken zu errichten oder zu betreiben, noch die erforderliche Infrastruktur (etwa Straßen, Häfen, Wohnraum, Schulen, Kläranlagen, Müllentsorgung). Konflikte zwischen den Auswärtigen und Teilen der Bevölkerung, die sich "abgehängt" fühlen oder die Umwälzungen aus anderen Gründen skeptisch sehen, scheinen vorprogrammiert. 

Andererseits bedeuten diese neuen Industrien eine große Chance für Chile, das Land außerhalb der dominierenden Region um die Hauptstadt Santiago de Chile von den Rändern her zu entwickeln. Denn auch im Norden gibt es vielversprechende Projekte. Eine Bedingung für das Gelingen wäre beispielsweise, dass ein Teil der Gewinne in Vorhaben vor Ort fließt, die den Gemeinden nützen. Bislang ist aber das chilenische Steuersystem so angelegt, dass die abzuführenden Unternehmenssteuern dorthin fließen, wo die Firmen ihren Sitz haben. Das ist in der Regel die Hauptstadtregion. Daher bleibt es in der Regel den Unternehmen überlassen, wie und in welchem Umfang sie sich vor Ort engagieren.

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