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Special | China | Klimawandel lokal

China treibt Wasserstoffwirtschaft strategisch voran

China entwickelt zahlreiche Wasserstoffprojekte und ist zunehmend weniger auf ausländische Technik angewiesen. Droht eine weitere chinesische Dominanz? 

Von Corinne Abele | Shanghai

Chinas Dynamik im Wasserstoffbereich kommt nicht von ungefähr. Seit Jahren ist das Land der weltweit größte Hersteller von Wasserstoff, den es weitgehend selbst verbraucht. Dabei handelt es sich vorwiegend um "dreckigen" Wasserstoff. Nur etwa 1,5 Prozent werden nach Einschätzung des Center for Strategic & International Studies (CSIS) derzeit mit Solar oder Wind produziert. Das könnte sich schnell ändern. Einer aktuellen Studie des China Hydrogen Alliance Research Institute vom Juni 2022 zufolge, soll grüner Wasserstoff bis 2030 bereits 10 Prozent des Endenergieverbrauchs stellen. Auch zur industriellen Dekarbonisierung soll er verstärkt beitragen. Den Rahmen bildet der im März 2022 erlassene mittelfristige Entwicklungsplan für die Wasserstoffwirtschaft 2021 bis 2035

Regionale Wasserstoffcluster entstehen

Die meisten grünen Wasserstoffprojekte finden derzeit in Provinzen mit einigen der größten Wind- und Solarparks statt, die sich häufig in der Hand von Chinas staatlich kontrollierten Energieriesen befinden. Es verwundert daher nicht, dass einige der größten Projekte derzeit in der Inneren Mongolei geplant sind. 

Ausgewählte "grüne" Wasserstoffprojekte in China ab 2023

Projekt/Betreiber

Ort

Projektanfang

Beschreibung

Sinopec Green Hydrogen Pilot Project

Kuqa (Xinjiang)

2023

Mit einer Gesamtinvestition von 470,77 Mio. US$ wird das Projekt nach seiner Inbetriebnahme eine Jahresproduktion von 20.000 Tonnen grünem Wasserstoff erzeugen und damit das weltweit größte Projekt zur Herstellung von grünem Photovoltaik-Wasserstoff sein.

Huadian-Kohodo PV Hydrogen Production Project

Weifang (Shandong)

2023

Am 30. Juni 2020 unterzeichneten Huadian Weifang Power Generation und die Kohodo Group ein Projekt zur Herstellung von Photovoltaik-Wasserstoff mit einer Leistung von 100 MW.

Inner Mongolia’s Energy Administration's Integrated Solar, Wind and Hydrogen Project

Baotou & Ordos (Innere Mongolei)

2023

Der Anlagenkomplex in den Städten Ordos und Baotou wird 1,85 GW Solarenergie und 370 MW Windkraft nutzen, um 66.900 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren.

Sungrow Wind-to-Hydrogen Project

Yushu (Jilin)

2023

Das Projekt sieht die Installation von 400-MW-Turbinen vor, von denen 10 GW für die Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse verwendet werden sollen.

Zheneng Group Hydrogen Liquid Demonstration Facility 

Jiaxing (Zhejiang)

2023

Im Jahr 2019 kündigte der staatliche Energiekonzern Zheneng Group an, in Jiaxing eine Demonstrationsanlage für flüssigen Wasserstoff zu errichten. Die State Power Investment Co. schloss außerdem eine Vereinbarung mit SinoScience FullCryo, um dessen Forschung und Entwicklung von Flüssigprodukten zu unterstützen.

Panda Green Energy 1GW Solar-Storage-Hydrogen Facility

Manasi (Xinjiang)

2025

Panda Green hat nach eigenen Angaben die Exklusivrechte für die Entwicklung eines 1-GW-Projekts für erneuerbare Energien im Wert von 1,41 Mrd. US$ ausgehandelt, die PV- und photothermische Erzeugung, Wasserstoffproduktion und Energiespeicherung umfassen.

Quelle: Pillsbury, The Hydrogen Map, 2022; Recherchen von Germany Trade & Invest

Wie viel Strom in die Stromübertragungsnetze maximal eingespeist werden kann, ist regional genau geregelt. Wer mehr produziert, kann seinen grünen Strom in einigen Provinzen inzwischen auf Strom-Handelsplätzen verkaufen. Eine Möglichkeit ist auch die Erzeugung "grünen" Wasserstoffs. Die Nachfrage nach CO2-neutralem Strom dürfte in den nächsten Jahren rapide steigen, will China sein Doppelziel (2030: CO2-Höchstand; 2060: Karbonneutralität) erreichen. Inzwischen haben viele Provinzen eigene Dekarbonisierungsziele aufgestellt; auch soll das im Juli 2021 eingeführte landesweite Emissionshandelssystem (ETS) neben dem Energiesektor bis 2025 auf weitere sieben energieintensive Industriebranchen wie Stahl, Petrochemie, Chemie und Baumaterialien ausgeweitet werden.

Multinationale Konzerne setzen ihre C02-Ziele in China um

Darüber hinaus sind multinationale Konzerne an eigene, globale Dekarbonisierungsziele gebunden. "Auch in China müssen bei jeder Fabrik der CO2-Fußabdruck und eventuell zu erwerbende CO2-Emissionsausgleichszertifikate berücksichtigt werden, um international konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der European Chamber of Commerce in China (EUCCC) im Gespräch mit Germany Trade & Invest.

Die Basis bilden nationale Subventionsmittel: 2020 waren umgerechnet rund 215 Millionen Euro (1,5 Milliarden Renminbi Yuan) für die Wasserstoffproduktion plus weitere rund 30 Millionen Euro (200 Millionen RMB) für die Wasserstoffinfrastruktur vorgesehen. Darauf aufbauend setzen regionale Regierungen spezifische Förderprogramme auf. Beispielsweise konzentriert sich die Südostprovinz Guangdong (vor allem um Foshan) auf die Produktion von Brennstoffzellen und Brennstoffzellenfahrzeuge (Fuel Cell Electric Vehicles – FCEV). Die Lingang Special Area fördert technologische Durchbrüche bei wichtigen Kernkomponenten (wie beispielsweise Wasserstoffdruckventile) und die Produktion von FCEV.

Beispiele regionaler Fördermaßnahmen im Bereich Wasserstoffwirtschaft

Region

Lokale Fördermaßnahmen

Qingpu
(Shanghai)

Im Rahmen des 2022 Hydrogen Energy Subsidy Support Fund Project können Neugründungen mit ausländischer Beteiligung mit bis zu 3 Mio. RMB gefördert werden. Bei Kapitalerhöhung und -erweiterung, Übernahmen oder Fusionen kann die Summe auf 5 Mio. RMB erhöht werden.

Lingang
(Shanghai)

Hälftiger Zuschuss für technologische Durchbrüche im Bereich der wichtigsten Kernkomponenten von Brennstoffzellenfahrzeugen und High-End-Wasserstoffenergieanlagen, maximal 20 Mio. RMB. Für Produktion von FCEV und hochwertigen Wasserstoff-Energieanlagen können bis zu 20 % der Anlageinvestitionen an Zuschuss gewährt werden, maximal 100 Mio. RMB. 

Wuhan
(Provinz Hubei)

Hersteller von Brennstoffzellen-Kernkomponenten mit einem Jahresumsatz über 10 Mio. RMB können Subventionen in Höhe von 2 bis 5 % des Jahresumsatzes beantragen, maximal 10 Mio. RMB.

Puyang
(Provinz Henan)

Subventionen von 15 RMB pro Kilogramm grünen Wasserstoff, maximal 5 Mio. RMB. Wasserstoff-Speicherprojekte können mit bis zu 10 % der tatsächlichen Ausrüstungsinvestitionen, maximal 6 Mio. RMB pro Projekt, bezuschusst werden. Für Wasserstofftransportprojekte wird ein jährlicher Betriebszuschuss von bis zu 2 Mio. RMB gewährt.

Zhangjiakou
(Provinz Hebei)

Investitionen bekannter ausländischer Firmen im Bereich Wasserstoff werden unterstützt. Für neue marktreife Produkte können im ersten Jahr Subventionen bis zu 10 % des Umsatzes, maximal 10 Mio. RMB gewährt werden. Weiter gibt es einen Vorzugstarif für Strom basierend auf "grünem" Wasserstoff sowie 7 % der realisierten Anlageinvestitionen, maximal 10 Mio. RMB, für wasserstoffbasierte Energieanlagen. In den ersten drei Jahren nach Inbetriebnahme sind abhängig von der Steuerlast weitere finanzielle Anreize möglich. 

Quelle: Germany Trade & Invest; offizielle Webseite der lokalen Behörden 2022

China nutzt die Aufbauphase seiner Wasserstoffwirtschaft auch dazu, eine solide Wertschöpfungskette im Land zu etablieren. In wichtigen Bereichen wie Batterien und der Erzeugung von Wasserstoff durch alkalische Elektrolyse - einem technisch ausgereiften und weltweit zur Herstellung von Wasserstoff eingesetzten Verfahren - ist dies bereits gelungen. So stammen weltweit bereits drei Viertel aller Lithium-Ionen-Akkus aus China und rund ein Drittel aller alkalischen Elektrolyseure. Die Grundlage ist häufig ein nahezu unschlagbares Preisleistungsverhältnis. Während in China alkalische Elektrolysesysteme etwa 300 US-Dollar pro Kilowatt kosten, belaufen sich die Kosten laut dem Fachmagazin Recharge in Europa auf etwa das Vierfache.

China dominiert alkalische Elektrolyseure weltweit

An der Branchenspitze stehen Firmen wie PERIC Hydrogen Technologies, das vom Staatskonzern China State Shipping Corporation kontrolliert wird. Führend sind weiter das Joint Venture Cockerill Jingli Hydrogen und die staatliche Beijing SinoHy Energy, die als Pionier auf dem Gebiet der Brennstoffzellentechnologie gilt. Nach Angaben der firmeneigenen Website hat Beijing SinoHy Energy an zahlreichen staatlichen Forschungsprojekten für Brennstoffzellen in China teilgenommen und bis Ende 2021 Brennstoffzellen für 1.800 Fahrzeuge in China geliefert. Mehrheitseigner und Technologieexperte Wang Dejun gilt als einflussreiche Person in der Branche.

Mit staatlicher Förderung im Rücken setzen Chinas führende Unternehmen auf schnelle Skalierung sowie Schließung vorhandener Technologielücken durch Beteiligungen und Aufkäufe im Ausland. So hat sich der staatliche Mischkonzern Weichai die exklusive Herstellung von Ballards LCS-Brennstoffzellen-Stacks in China gesichert. Dies gelang ihm im Rahmen des Technologietransfers an das Joint Venture mit Ballard Power Systems, an dem er Mehrheitsanteile besitzt. Die von dem Nürnberger Unternehmen Hydrogenious entwickelte Speicherung von Wasserstoff mit flüssigen organischen Wasserstoffträgern (Liquid Organic Hydrogen Carrier, LOHC) kommt nach dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 10 Prozent durch Broad-Ocean Motor China zum Einsatz.

Droht neue Dominanz?

Bei wichtigen Komponenten entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette könnte eine globale Dominanz Chinas drohen. So sprach Bloomberg NEF-Energiespezialist Xiaoting Wang gegenüber dem Fachmagazin Recharge im Juni 2022 von einer „großen Möglichkeit“, dass es in der Wasserstoffindustrie zu einer ähnlichen Entwicklung wie zuvor in der Solarbranche kommen könnte. „China möchte die Technologieführerschaft erarbeiten und entwickeln“, warnt Carsten Hasbach, Senior Director Government Affairs bei Siemens Energy. Bereits jetzt seien Chinas Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Bereich Wasserstoff größer als die der USA und der Europäischen Union gemeinsam. Chinesische Unternehmen werden nicht an der Landesgrenze Halt machen.

Hier mehr zu Chinas Klimapolitik.

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