Bis 2030 will China die CO2-Spitze erreichen. Vor allem für energieintensive Sektoren formuliert Beijing strengere Vorgaben. Firmen setzen erste Projekte zur Dekarbonisierung um. (Stand: 05.04.2023)
China ist global der größte Emittent von Kohlenstoffdioxid (CO2). Die Emissionen gehen im Wesentlichen auf den Energiesektor und die verarbeitende Industrie zurück. Daneben spielt die Baubranche eine bedeutende Rolle. Nach dem Elektrizitätssektor mit einem Anteil von 45 Prozent entfielen 2019 rund 29 Prozent der CO2-Emissionen auf die Industrie, so das China Energy Statistical Yearbook 2020. In den letzten Jahren ist daher der Druck zur Reduzierung von CO2-Emissionen auf den Energiesektor und vor allem auf energieintensive Branchen wie etwa die (petro-)chemische Industrie sowie die Herstellung von Papier und von Baustoffen wie Zement, Stahl oder Glas gestiegen. China ist mit deutlichem Abstand der größte Baumaterialproduzent weltweit.
CO2-Einsparung und Dekarbonisierung nach Plan
Bis zum Jahr 2030 will die Regierung die Spitze der CO2-Emissionen sowie bis 2060 Klimaneutralität erreichen. Seither nimmt die Zahl einschlägiger Industriestandards zu. Laut dem 14. Fünfjahresprogramm sollen bereits 2025 die CO2-Emissionen pro Wirtschaftseinheit um 18 Prozent und eng damit verbunden die Energieintensität um 13,5 Prozent im Vergleich zu 2021 reduziert werden. Aufgrund des "Dual Control System" zur gleichzeitigen Verringerung des Energieverbrauchs und der Energieintensität werden immer weniger energieintensive Industrieprojekte im Osten und Südosten des Landes genehmigt.
Um die genannten CO2-Reduktionsziele zu erreichen, erließen mehrere Ministerien am 11. Februar 2022 gemeinsam die neue Richtlinie "Implementation of Energy-saving and Carbon Reduction Transformation and Upgrading in Key Areas of High Energy Consumption Industries" für 17 energieintensive Industriebereiche. Die Richtlinie benennt konkrete Ziele bis zum Jahr 2025. Umgesetzt werden die Maßnahmen in industriespezifischen Vorgaben zur Energieeffizienz sowie allgemeinen Standards für einzusetzende sowie zu vermeidende Technologien.
Leitlinien für Energieeinsparung und Kohlenstoffreduzierung in Schlüsselbereichen der energieintensiven Industrie in China 2022Bereich | Standard für Energieeffizienz * | Stand Ende 2020 | Ziel bis 2025 |
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Ethylen | Benchmark: 590 Kilograms of Oil Equivalent pro Tonne (kgoe/t) Referenz: 640 kgoe/t | Steamcracken zu Ethylen: 20% des Bereichs übertreffen Benchmark; 30% liegen unter Referenz | 30% des Bereichs übertreffen Benchmark; Upgrades für Unternehmen mit Energieeffizienz unter Referenz |
Paraxylen | Benchmark: 380 kgoe/t Referenz: 550 kgoe/t | 23% des Bereichs übertreffen Benchmark; 18% liegen unter Referenz | 50% des Bereichs übertreffen Benchmark; 0% liegen unter Referenz |
Zement | Benchmark: 100 Kilograms of Coal Equivalent pro Tonne (kgce/t) Referenz: 117 kgce/t | Zementklinker: 5% des Bereichs übertreffen Benchmark; 24% liegen unter Referenz | Zementklinker: 30% des Bereichs übertreffen Benchmark; 0% liegen unter Referenz |
Flachglas | Produktionskapazität bei >800 t/Tag: Benchmark: 8 kgce/weight case; Referenz: 12 kgce/weight case Produktionskapazität bei 500 bis 800 t/Tag: Benchmark: 9,5 kgce/weight case; Referenz: 13,5 kgce/weight case | 5% des Bereichs übertreffen Benchmark; 8% liegen unter Referenz | 20% des Bereichs übertreffen Benchmark; 0% liegen unter Referenz |
Stahl | Hochofenprozess: Benchmark: 361 kgce/t Referenz: 435 kgce/t Konverterprozess: Benchmark: -30 kgce/t Referenz: -10 kgce/t Schmelzen im Elektrolichtbogenofen (Nennkapazität 30 t bis 50 t): Benchmark: 67 kgce/t Referenz: 86 kgce/t Schmelzen im Elektrolichtbogenofen (Nennkapazität ≥ 50 t): Benchmark: 61 kgce/t Referenz: 72 kgce/t | Hochofenprozess: 4% des Bereichs übertreffen Benchmark; 30% liegen unter Referenz; Konverterprozess: 6% des Bereichs übertreffen Benchmark; 30% liegen unter Referenz | 30% des Bereichs übertreffen Benchmark; 0% liegen unter Referenz |
* Benchmark ist besser als Referenz; niedriger Wert bedeutet höhere Energieeffizienz.Quelle: National Development and Reform Commission (NDRC) People's Republic of China 2022
Laut Angaben der Internationalen Energieagentur ist der globale Rückgang der CO2-Emissionen in der Industrie 2022 vor allem auf China zurückzuführen, wo der Sektor gegenüber 2021 rund 161 Megatonnen CO2-Äquivalent weniger ausstieß. Ein Großteil lässt sich durch geringere Emissionen durch Industrieprozesse erklären. Bei China verzerren die Coronamaßnahmen aber das Bild, denn die Regierung verhängte 2022 mehrere regionale Lockdowns und beschränkte damit zeitweise die Industrieproduktion.
Erweiterung des Emissionshandels stockt
Das im Juli 2021 gestartete landesweite Emissionshandelssystem (ETS) umfasst bislang nur die Wärme- und Stromerzeugung, soll aber bis 2025 um sieben Sektoren erweitert werden: Eisen- und Stahlerzeugung, Nichteisenmetallindustrie, Baumaterialien, Petrochemie, Chemie, Papier- und Zelluloseherstellung sowie zivile Luftfahrt. Die bereits für 2022 vorgesehene Integration der Zement-, Aluminium- und Stahlherstellung soll nun 2023 erfolgen. Jedoch fehlt bislang ein konkretes Datum.
Unternehmenseigene Kraftwerke etwa in der Chemiebranche, der Zellstoff- und Papierherstellung sowie im Bereich sonstiger Bergbau und Metalle (häufig zur Herstellung von Aluminium, Eisen und Stahl) werden jedoch bereits einbezogen. Am weitesten ist das ETS in Shanghai fortgeschritten, entwickelt sich insgesamt aber dennoch nicht besonders dynamisch.
Hoher Investitionsbedarf in Stahlbranche
Mit rund 1 Milliarde Tonnen produzierte China 2021 gemäß der World Steel Association mehr als die Hälfte des weltweit erzeugten Stahls. Einer Richtlinie aus dem Jahr 2021 zufolge soll die Branche bis 2030 den CO2-Höhepunkt erreichen, ursprünglich war schon 2025 anvisiert.
Dabei verfolgt die Branchenspitze eigene ambitionierte Klimaziele. So wollen China Baowu Steel Group sowie Inner Mongolia Baotou Steel Union ihre CO2-Emissionen bereits ab 2024 senken, Ansteel Group ab 2025. Die gewaltigen Investitionen sind nur von den Branchengrößen zu stemmen. Dennoch sieht die Richtlinie keine Konzentrationsziele für die Branche vor. Für kleinere Stahlerzeuger wird es mittelfristig eng.
Erste Stahlprojekte im Bau
Als erster Stahlerzeuger Chinas hat Zhanjiang Iron and Steel, eine Tochter der Baosteel-Gruppe, im Februar 2022 mit dem Bau der größten wasserstoffbasierten Direktreduktionsanlage (Direct Reduced Iron; DRI) mit einer Produktionskapazität von 1 Million Tonnen Stahl jährlich begonnen. Dadurch können jedes Jahr 500.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Die Anlage kann neben Wasserstoff auch Kokereigas einsetzen und verwendet die gemeinsam von den italienischen Maschinenbauern Danieli und Tenova entwickelte DRI-Technologie ENERGIRON. Die Umsetzung findet in Kooperation mit Sinosteel Engineering & Technology statt. Derartige Kooperationen sind häufig notwendig, sollten aber sorgfältig begleitet werden, um ungewollten Know-how-Transfer zu vermeiden.
Chemiebranche muss umrüsten
Die energieintensive petrochemische und chemische Industrie muss bereits seit Jahren strenge Anforderungen zur Energieeffizienz einhalten. Die Richtlinie vom 11. Februar 2022 gilt in der Chemiebranche für Raffinerien, Kohlechemie und Nichteisenmetallurgie.
Mit 26 von 49 Unternehmen war die Chemiebranche auf einer im Januar 2022 vom Ministerium für Industrie und Informationstechnologie veröffentlichten Liste führender Unternehmen im Bereich Energieeffizienz prominent vertreten. Aufgeführt wurden etwa die Bereiche Rohölverarbeitung, Kokerei sowie die Herstellung von Ethylen, synthetischem Ammoniak, Methanol, Ätznatron und Soda. Derart herausgestellte Werte für die Energieeffizienz könnten Brancheninsidern zufolge zumindest bei Neuvorhaben zu Richtlinien werden.
Des Weiteren wurden im Mai 2022 erste Benchmark-Kriterien für eine saubere und effiziente Kohlenutzung als Ausgangsmaterial für die Synthese von Ammoniak sowie zur Herstellung von Koks, Methanol, Olefinen und Ethylenglykol erlassen. Manche Branchenvertreter sehen im hohen Energieverbrauch ein Haupthindernis für die weitere Entwicklung von Kohle-Chemieprojekten zur Herstellung von Ethylenglykol.
Ausgewählte Projekte zur Dekarbonisierung der chinesischen IndustrieProjekt | Projektstand | Weitere Informationen |
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Vorhaben für wasserstoffbasierte Direktreduktionsanlage (DRI) zur Eisen- und Stahlherstellung von Baosteel Zhanjiang Iron Steel in Zhanjiang (Provinz Guangdong); mit ENERGIRON-Technologie | Baubeginn: Februar 2022 | Nach Fertigstellung laut firmeneigenen Angaben größte DRI-Kapazität in China und weltweit; Jahreskapazität: 1 Million Tonnen direktreduziertes Eisen; Einsparung von 500.000 metrischen Tonnen CO2 pro Jahr |
Open-Source-Projekt für "Carbon Capture, Utilisation and Storage (CCUS)" von Shell, Sinopec, Baowu und BASF (Yangtse-Delta) | Nicht bindendes Memorandum of Understanding zur Durchführung einer gemeinsamen Studie zu Technologielösungen und Geschäftsmodell im November 2022 unterzeichnet | Ziel ist, Unternehmen im Yangtse-Delta CCUS anbieten zu können |
Projekt zur Versorgung umliegender Petrochemiebetriebe mit Dampf, erzeugt durch Kernkraftwerk Tianwan (Provinz Jiangsu) | Im Bau; Fertigstellung Ende 2023 geplant | Jahreskapazität: 4,8 Millionen metrische Tonnen Dampf |
Demonstrationsanlage für "Carbon Capture and Storage (CCS)" von Anhui Conch Cement in Baimashan, Wuhu (Provinz Anhui) | Im Bau mit Fläche von 40.000 qm | In Zeiten geringen Energieverbrauchs wird CO2 verdichtet und unter Druck verflüssigt; dadurch erzeugte Wärmeenergie wird gespeichert und zur Vergasung des flüssigen CO2 genutzt |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023, basierend auf lokalen und internationalen Pressemeldungen
Von Corinne Abele
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Shanghai