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Chinas Chipindustrie leidet unter Sanktionen
Ohne Halbleiterausrüstung aus dem Ausland kann China seine Chipindustrie nicht erneuern: Der Druck auf die Verantwortlichen wächst, wie die Verhaftung hochrangiger Manager zeigt.
08.09.2022
Von Roland Rohde | Bonn
China ist zwar in der Halbleiterbranche ein wichtiger globaler Mitspieler, doch die Industrie hat zahlreiche wunde Punkte. Technologisch hängt sie in Sachen Chipdesign den USA und bei der Auftragsfertigung (auch als Foundry bezeichnet) Taiwan hinterher. Die Regierung versucht daher seit geraumer Zeit, die Industrie mit staatlicher Hilfe hochzupäppeln. Laut der US-amerikanischen Semiconductor Industry Association (SIA) summieren sich die entsprechenden Unterstützungsleistungen auf jährlich rund 17 Milliarden US-Dollar (US$).
Doch für die extrem kapitalintensive Branche ist das vergleichsweise wenig. Zudem ziehen die Gelder schwarze Schafe an und werden häufig ineffizient eingesetzt. Zahlreiche Provinzen und Städte konkurrieren untereinander und wollen ihr eigenes Halbleiterzentrum aufbauen. Nicht umsonst ist daher in den letzten Jahren laut Medienberichten ein halbes Dutzend Chipfirmen Pleite gegangen.
Ausländische Investoren kehren China den Rücken
Tatsächlich scheint China sogar technologisch weiter zurückzufallen, denn das Land setzt auf Abschottung und weniger internationale Zusammenarbeit. Ausländische Fachkräfte haben wegen der strikten Null-Covid-Politik in Scharen das Land verlassen. Zugleich investieren taiwanische und südkoreanische Chiphersteller - bislang sehr wichtige Kapital- und Technologiegeber - verstärkt in der eigenen Heimat oder den USA.
Der Druck auf die Regierung in Beijing scheint zu steigen. Wie zahlreiche Medien im August 2022 berichteten, erfolgte innerhalb der Branche (einschließlich der sie finanzierenden Institutionen) Verhaftungen von mehreren hochrangigen Persönlichkeiten. Betroffen war unter anderem der frühere Chef des staatlichen Halbleiteraufbaufonds. Damit will Beijing mutmaßlich vor allem seine Unzufriedenheit mit den geringen Erfolgen ausdrücken.
Der technologische Rückstand Chinas dürfte sich im Halbleiterbereich weiter vergrößern. Die Verhaftungen wirken kontraproduktiv.
Ändern wird das an den eigentlichen Problemen wenig. Der Ausbau der Industrie könnte sogar weiter ins Stocken geraten, denn gefragt sind mehr Innovationen und nicht Angst vor Repressionen. Das Reich der Mitte ist zudem in hohem Maße auf den Import von Ausrüstungen zur Halbleiterproduktion angewiesen. Die USA üben zunehmenden Druck auf europäische oder japanische Maschinenbauer aus, ihre neueste Technologie nicht mehr an die Volksrepublik zu liefern.
USA planen strengere Sanktionen
Nach Angaben des Branchenmaschinenhersteller KLA planen die Vereinigten Staaten strengere Exportbeschränkungen für Anlagen zur Herstellung von besonders kleinen integrierten Schaltungen von weniger als 14 Nanometer. Zwar verkündete der chinesische Branchenprimus Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC), dass er inzwischen 7 Nanometer-Chips ohne die eigentlich dafür notwendigen Lithografiemaschinen fertigen könne, was für erhebliche Aufregung in den USA sorgte. Doch inwieweit eine entsprechende Massenproduktion auch zu wettbewerbsfähigen Kosten möglich ist, bleibt fraglich.
China hat in jüngster Zeit seine Importe von Halbleiterausrüstungen stark erhöht. Alleine zwischen 2016 und 2021 sind die entsprechenden Einfuhren laut chinesischer Zollstatistik nahezu um den Faktor Vier auf 38 Milliarden US$ angestiegen. Für 2022 zeichnet sich allerdings ein Rückgang ab. Zwischen Januar und Juli sanken die Importe um 5 Prozent, wobei sich der Abwärtstrend von Monat zu Monat verstärkte.
Taiwan überholt China bei den Ausrüstungsinvestitionen
Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Semi wird Taiwan 2022 China als größten Investor in Halbleiterausrüstungen überholen. Südkorea soll auf Rang 3 liegen. Laut dem International Trade Centre (ITC) waren die drei genannten Volkswirtschaften 2021 für gut zwei Drittel der weltweiten Importe von Maschinen zur Halbleiterfertigung verantwortlich. Insofern konkurrieren sie um die knappe Ressource Fertigungstechnologie.
Sie treffen auf einen Markt, der von sehr großen Anlagenbauern sowie kleineren, aber hoch spezialisierten Anbietern dominiert wird. Auch geografisch besteht eine hohe Konzentrierung von entsprechendem Knowhow auf wenige Länder. Japan, die USA und die Niederlande waren 2021 für über 60 Prozent der weltweiten Ausfuhren von Halbleitermaschinen verantwortlich.
Fünf Konzerne dominieren die Branche: Applied Materials, Lam Research und KLA aus den USA, ASML aus den Niederlanden und Tokyo Electron aus Japan. Sie können trotz berstender Auftragsbücher ihre Produktion nur bedingt steigern. Auch sie leiden unter Lieferengpässen und Facharbeitermangel. Zudem dürften einige vor zu großen Erweiterungsinvestitionen zurückschrecken. In der Chipindustrie ist der "Schweinezyklus" gefürchtet. Auf die derzeitige Knappheit wird eines Tages mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Überangebot folgen.
Land | Wert |
---|---|
Japan | 27,9 |
USA | 26,2 |
Niederlande | 20,1 |
Singapur | 17,7 |
Südkorea | 7,5 |
Taiwan | 4,2 |
China | 3,5 |
Deutschland | 2,8 |
Risiken für deutsche Lieferanten steigen
Deutsche Anbieter von Ausrüstungen für die Halbleiterindustrie können einerseits von der Marktentwicklung profitieren. Gemäß dem ITC steigerten sie ihre Lieferungen in das Reich der Mitte 2021 um rund 45 Prozent auf 1 Milliarde US$. Andererseits wird das Geschäft merklich schwieriger und risikoreicher. Es erfolgen nicht nur Sanktionen von US-Seite, auch China dürfte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagieren. Dadurch drohen Firmen, zwischen die Fronten zu geraten.
Wegen der stark gestiegenen Risiken macht es also durchaus Sinn, dass die China-Strategie innerhalb eines Unternehmens Chefsache ist. In der Halbleitersparte gingen 2021 immerhin 35 Prozent ihrer Exporte in die Volksrepublik. Die Firmen werden sich künftig stärker dafür rechtfertigen müssen, dass sie sich im Reich der Mitte engagieren. Zudem kann das Geschäft schlagartig wegbrechen, wenn etwa die Taiwan-Krise eskaliert. Die Erschließung alternativer Absatz- und Beschaffungsmärkte ist daher eine logische Konsequenz.
Land | 2020 | 2021 |
---|---|---|
Japan | 6,6 | 10,2 |
USA | 5,4 | 6,9 |
Südkorea | 3,3 | 4,1 |
Singapur | 2,8 | 4,9 |
Niederlande | 2,8 | 3,4 |
Taiwan | 1,3 | 1,8 |
Deutschland | 0,7 | 1,0 |
Malaysia | 0,4 | 0,8 |