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Branchen | China | E-Commerce

Chinas Onlinehandel wächst langsamer

Die Kosten zur Erschließung neuer Kundengruppen werden immer höher. Die Alterung der Gesellschaft zwingt Anbieter, stärker auf die Bedürfnisse von Senioren einzugehen.

Von Roland Rohde | Hongkong

Der chinesische E-Commerce-Sektor war 2020 der große Krisengewinner. Doch 2021 wendete sich das Blatt. Völlig unerwartet war die Entwicklung allerdings nicht. Das Marktforschungsunternehmen eMarketer und auch der China Internet Report der South China Morning Post hatten einen Rückgang des Wachstums prognostiziert. Die Anbieter hätten zunehmend Probleme, neue Nutzergruppen zu erschließen und die entsprechenden Kosten stiegen in die Höhe.

Laut dem nationalen Statistikamt NBS (National Bureau of Statistics of China) legte der Güterumsatz des E-Commerce 2020 noch um 15 Prozent zum Vorjahr zu, während der gesamte Einzelhandel um 4 Prozent schrumpfte. Doch im 1. Halbjahr 2021 wuchs der stationäre Einzelhandel - erstmals seitdem es entsprechende statistische Aufzeichnungen gibt - stärker als die Online-Konkurrenz. Ab dem Herbst schloss sich die Lücke aber wieder. Erste lokale Lockdowns und Reisebeschränkungen machten sich bemerkbar.


Das Blatt dürfte sich 2022 weiter zugunsten des Internethandels wenden. Seit dem Jahreswechsel nehmen Lockdowns sowie die Streichung von Flug- und Eisenbahnverbindungen infolge von Coronaausbrüchen immer größere Ausmaße an. Es ist davon auszugehen, dass es im Verlaufe des Jahres 2022 zu einer Verschärfung der Situation kommt.

Onlinesparte profitiert 2022 von Lockdowns

Omikron breitet sich in China aus. Die Bevölkerung ist lediglich mit einheimischen Vakzinen geimpft, die relativ wenig gegen die neue Variante ausrichten. Beijing wird daher weiterhin auf eine strikte Durchsetzung der Null-Covid-Politik pochen müssen. Für die Konsumlaune ist das Gift. Doch der E-Commerce dürfte profitieren, wenn die Verbraucher nicht mehr shoppen gehen wollen oder dürfen.

Chinas E-Commerce im Überblick (Umsatz in Milliarden US$, Veränderung zum Vorjahr und Anteil in Prozent) 1)

2021

Veränderung

Einzelhandel gesamt

6.939,5

12,5

Onlinehandel

2.060,4

14,1

Onlinehandel, nur physische Waren

1.700,8

12,0

Anteil Onlinesparte am Gesamthandel2)

24,5

-0,43)

1) Umrechnung zum Wechselkurs 1 US$ = 6,352 RMB; 2) Total Retail Sales of Social Consumer Goods; 3) ProzentpunkteQuelle: National Bureau of Statistics of China (NBS)


Die einzelnen Sparten des E-Commerce bieten ein recht unterschiedliches Wachstumspotenzial. Besonders dynamisch entwickelt sich das Geschäft mit Nahrungsmitteln. Vor der Krise kauften Konsumenten noch überwiegend auf den traditionellen Tagesmärkten ein, mit ihren fragwürdigen hygienischen Bedingungen. Nun hat es sich etabliert, auch frische Waren online zu bestellen. Der Onlineabsatz an Nahrungsmitteln stieg 2020 laut NBS um 31 Prozent. Für 2021 ergab sich immerhin noch ein Plus von 18 Prozent.

Wenig Potenzial bei Bekleidung und Elektronik

Wesentlich geringer waren die Zuwachsraten bei Bekleidung. Sie lagen 2020 bei 6 Prozent und 2021 bei 8 Prozent. Laut dem China Internet Report hat man in dieser Sparte bereits eine hohe Kundenerreichung erzielt. Ähnlich sieht die Situation bei Konsumelektronik aus. Insgesamt erwarten die Analysten für die Sparten zwischen 2019 und 2025 nur noch jährliche Zuwachsraten von 8 Prozent beziehungsweise 7 Prozent.


Chancen bei Gütern des täglichen Bedarfs

Das stärkste Wachstum mit 22 Prozent pro Jahr sieht der Report bei Waren des täglichen Bedarfs, den sogenannten Fast Moving Consumer Goods (FMCG). Hier wiederum bieten frische Nahrungsmittel das größte Potenzial. Alleine zwischen 2019 und 2023 soll sich der entsprechende Umsatz vervierfachen und ein Volumen von umgerechnet rund 190 Milliarden US-Dollar (US$) erreichen.

Anbieter, die ganz China abdecken wollen, müssen riesige Investitionen in die Logistikinfrastruktur stemmen.

Diese Entwicklung wiederum dürfte die ohnehin schon hohe Marktkonzentrierung bei den Anbietern weiter forcieren, denn der Ausbau einer landesweiten Kühlkette für frische Lebensmittel erfordert enorme Investitionen, die sich praktisch nur die größeren Konzerne oder Spezialanbieter leisten können.

Markt für Plattformanbieter bleibt umkämpft

Trotzdem dürfte der Markt insgesamt umkämpft bleiben. Kleinere Firmen haben den Vorteil, sich mit ihrem Warenangebot auf die großen Metropolen und die dortige kaufkräftige Mittelschicht konzentrieren zu können. Entsprechend geringer fallen die Investitionen in ihre Logistikinfrastruktur aus. Im Gegensatz dazu müssen Universalanbieter, die das ganze Land abdecken, auch in den wirtschaftlich weniger entwickelten und dünner besiedelten Regionen präsent sein. Das erfordert enorme Investitionen und drückt auf die Margen.


Platzhirsch im Geschäft mit dem Endkunden (B2C) ist traditionell Alibaba mit seiner Plattform Tmall. Mit gehörigem Abstand folgt JD.com. Zusammen brachen es die beiden Anbieter im 1. Quartal 2021 auf einen Marktanteil von 90 Prozent. Der Rest entfiel weitgehend auf die mittelgroßen Anbieter Suning, Vipshop und GOME. Nicht eingerechnet in dieser Statistik war Pinduoduo. Die Firma hat sich auf Gruppeneinkäufe spezialisiert.

Rahmenbedingungen verschlechtern sich 

Der Onlinehandel muss in den kommenden Jahren in einem schwierigeren gesamtwirtschaftlichen Umfeld agieren. Die Konjunktur dürfte sich deutlich abkühlen. Im Jahr 2021 war Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut NBS-Angaben noch um real 8,1 Prozent gewachsen. Für 2022 sagt Goldman Sachs nur noch ein Plus von 4,3 Prozent voraus. Auch danach wird man sich vermutlich mit einer Vier oder gar Drei vor dem Komma abfinden müssen.

Das Wachstum geht langfristig zurück, die Bevölkerung wird immer älter. In diesem Umfeld muss sich die Branche bewähren.

Verschuldung und Alterung der Gesellschaft drücken auf Konsumlaune

Langfristige Trends machen sich zunehmend negativ bemerkbar. Dazu gehört die Verschuldung, die inzwischen ein nicht mehr tragfähiges Niveau erreicht hat. Hinzu kommen die Auswirkungen der Krise des Immobilienkonzerns Evergrande. Die Wohnungspreise bröckeln. Die Wohneigentümer werden damit auf dem Papier ärmer. Dieser sogenannte Vermögenseffekt wirkt sich wiederum auf die Konsumlaune aus.

Schließlich altert die Gesellschaft rasant. Zwischen 2016 und 2021 ist die Geburtenrate stark gefallen. Sie liegt seit 2020 sogar unter dem deutschen Niveau.  Der E-Commerce wiederum will sich verstärkt auf die Bedienung der Bedürfnisse von Senioren - die "silberne Wirtschaft" -  konzentrieren.


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