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Chinas Textilmaschinenmarkt: "Wüsste auch gerne, wo es hingeht"
China ist das absolute Zentrum der Textilproduktion und für den Textilmaschinenmarkt. Ein Risiko für Europas Maschinenbauer, sagt Verbandspräsident Ernesto Maurer im Interview.
06.07.2023
Von Ulrich Binkert | Bonn
Über zwei Drittel aller weltweit neu verkauften Webmaschinen wurden in den letzten drei Jahren in China ausgeliefert. Bei Texturiermaschinen für die Chemiefaserherstellung waren es sogar um die 85 Prozent, so Daten der International Textile Manufacturers Federation. Der Verband der europäischen Textilmaschinenbauer Cematex, dem auch der deutsche VDMA angehört, sieht diese Abhängigkeit kritisch. Präsident Ernesto Maurer verweist aber auch auf Absetzbewegungen.
Herr Maurer, wohin bewegt sich der chinesische Markt für Textilmaschinen?
Das wüsste ich auch gerne. Klar ist, dass er sich während des Lockdowns der Pandemie stark verändert hat und zunehmend schwieriger wird. Im Jahr 2003 hatte ich dort für meinen damaligen Arbeitgeber, einen großen Schweizer Hersteller von Textilmaschinen, eine eigene Tochtergesellschaft gegründet. Das war zu jenem Zeitpunkt ein großer Erfolg, heute würde ich das aber nicht mehr machen. Auch vielen unserer europäischen Mitgliedsfirmen ist klar geworden, dass sie sich unabhängiger vom chinesischen Markt machen müssen.
Warum?
Es gibt in China immer mehr Konkurrenz durch einheimische Maschinenbauer. Die Regierung will im Textilsektor, ähnlich wie in anderen Branchen, unabhängiger vom Ausland werden. Dafür fördert sie massiv die lokalen Maschinenbauer, die inzwischen auch qualitativ stark aufgeholt haben. Die Coronapandemie hat die Erfolge der Lokalisierung dieses Maschinenbaus etwas abgebremst, sie nehmen jetzt aber wieder zu.
Als Absatzmarkt bleibt China jedoch dominant?
Natürlich. China produziert geschätzt drei Viertel aller weltweit verwendeten Chemiefasern für Bekleidung und andere Textilien. Das Land hat dafür riesige Kapazitäten installiert, die auch nicht eben so einfach anderswo aufgebaut werden könnten. Ein einzelnes Werk kostet Hunderte von Millionen Dollar. Zudem bestehen über die Hälfte der global verwendeten Textilien inzwischen aus Chemiefasern. Auf Chemiefasern entfiel das riesige Nachfragewachstum in den letzten 20 Jahren. Dagegen stagnierte praktisch die Erzeugung von Baumwolle als der wichtigsten Naturfaser. Inzwischen gibt es aber Tendenzen, die zeigen, dass ein Teil der Chemiefaser-Produktion aus China abwandert.
Wohin denn?
In der Türkei gibt es aktuell mit SASA eine große Investition in die Herstellung von Polyesterpolymeren. Auch im Baumwollland Pakistan zeigen sich Ansätze, in die Produktion von Chemiefasern einzusteigen. Potenzial sehe ich aber vor allem in Indien, dessen Textilindustrie ebenfalls traditionell auf Baumwolle konzentriert ist. Technologisch ist Taiwan führend. Neue Entwicklungen bei textilen Chemiefasern kommen sehr oft von dort.
Zeigen sich solche Tendenzen auch in der Messelandschaft?
Leitmesse dürfte schon die ITMA bleiben, die wir alle vier Jahre veranstalten, zuletzt im Juni 2023 in Mailand. Zentral für China bleibt die ITMA Shanghai, wo wir als Minderheitsgesellschafter dabei sind. Diese Schwesterveranstaltung, die das nächste Mal im November 2023 stattfinden wird, ist auch der Grund, warum relativ wenige chinesische Besucher nach Mailand kamen. Für den großen asiatischen Markt, den es jenseits von China ja auch gibt, planen wir aber in der Tat eine neue Veranstaltung: Die ITMA Asia Singapore soll erstmals 2025 stattfinden. Dort erwarten wir vor allem Besucher aus Indonesien, Bangladesch, Pakistan und anderen muslimischen Ländern. Sie bekommen für Singapur einfacher Visa als für China oder Europa.