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Textilmaschinenbau kreist um China und setzt auf Nachhaltigkeit

Nach guten Jahren bremsen Inflation und volle Kleiderschränke die Technikbranche. Größter Markt und wichtigster Konkurrent ist China. Und: Profis erzählen vom Vertrieb in Afrika.

Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Textilmaschinenbauer hoffen auf bessere Zeiten

    Bei Textilien drücken Inflation und volle Kleiderschränke die Stimmung. Nach guten Jahren merkt das auch der Maschinenbau. Die Messe ITMA in Mailand machte aber auch Hoffnung.

    Verhaltene Stimmung herrscht gleich am Anfang der textilen Wertschöpfungskette: Die Division Polymer Processing Solutions des Schweizer Unternehmens Oerlikon, Hersteller von Maschinen für die Produktion von Chemiefasern, will 800 Arbeitsplätze abbauen, die meisten davon bei der Tochter Barmag in Remscheid. Pandemie, Ukrainekrieg und Inflation bremsen seit zwei bis drei Jahren den Verkauf von Bekleidung, sagte Pressesprecher André Wissenberg bei der Branchenleitmesse ITMA im Juni 2023 in Mailand. Auf dem Rückzug sei wegen der schmaler gewordenen Geldbeutel auch Fast Fashion, das zur Mehrproduktion von Bekleidung und entsprechendem Maschinenbedarf geführt habe.

    Volle Kleiderschränke drücken Bedarf an Maschinen

    Die Kaufzurückhaltung bei Bekleidung drückt den Bedarf an Spinnanlagen für Filamentgarne sowie Texturieranlagen, die solche Filamente weiterverarbeiten. Bei den Filamentanlagen bildet Oerlikon zusammen mit dem japanischen Anbieter TMT (Muratec) faktisch ein Duopol. Rund die Hälfte der weltweit eingesetzten Anlagen stammt nach Firmenangaben aus Remscheid.

    Dabei hat der Textilmaschinenbau in dem zyklischen Geschäft einige sehr gute Jahre erlebt. Die globalen Exporte von Textil- und Bekleidungsmaschinen sind nach Angaben des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenanbau (VDMA) seit 2020 deutlich gestiegen.

    Seit etwa Mitte 2022 allerdings weisen, mit Blick auf die gesamte Branche, die Kennzahlen der International Textile Manufacturers Federation überwiegend nach unten. Die ITMF befragt periodisch Textilmaschinenbauer sowie Unternehmen aus der gesamten textilen Wertschöpfungskette, von den Faserherstellern und Spinnereien bis hin zu den Produzenten von Heimtextilien und Bekleidung. In der Erhebung vom Mai 2023 berichten die Firmen von gesunkenen Werten bei Kapazitätsauslastung und Auftragsbestand. Sie schätzen ihre aktuelle Lage und Erwartungen überwiegend deutlich negativer als vor Jahresfrist ein. Die Erwartungen immerhin haben sich seit Ende des letzten Jahres wieder positiver entwickelt.

    Kunden in China sind durch Umweltschutzgesetzgebung verunsichert

    Bei Oerlikon macht sich die Nachfrageschwäche beim Branchenschwergewicht China bemerkbar. Dort tätigt das Unternehmen nach eigenen Angaben üblicherweise um die 60 Prozent seiner Umsätze mit Textilmaschinen. Zusätzlich zur Absatzschwäche im Bekleidungsmarkt bremst die Unsicherheit über die Entwicklung der Gesetzgebung zum Umweltschutz chinesische Kunden in ihren Investitionen. Schon für 2026 wagt niemand eine Prognose, und dies bei einer Laufzeit von Spinnanlagen von üblicherweise knapp 20 Jahren.

    Nach Branchendaten der ITMF verzeichnete immerhin der Auftragseingang in den drei wichtigsten Textilregionen Ost-, Südost- und Südasien zuletzt eine leichte Erholung. Afrika schneidet bei der Geschäftslage und auch beim Auftragseingang in der Befragung relativ gut ab. Der Kontinent spielt in der globalen Textilindustrie aber nur eine marginale Rolle.

    Textile Fasern und Textilmaschinen

    Bei der Herstellung von textilen Fasern spielen natürliche Ausgangsstoffe inzwischen nur noch eine Nebenrolle, Tendenz weiter sinkend. Die globale Erzeugung von Baumwolle als wichtigster Naturfaser stagniert seit 20 Jahren mehr oder weniger, sagt Andreas Engelhardt. Der Gründer des Branchendienstes The Fiber Year kann sich auch keine nennenswerte Steigerung der Produktion von Baumwolle vorstellen. Ihr Anbau benötigt viel Wasser und Land und wird durch den Klimawandel erschwert. Zugleich kauft eine wachsende und insgesamt wohlhabendere Weltbevölkerung immer mehr Bekleidung. Der Zuwachs bei der Produktion basiert auf Synthetikgarnen und chemisch hergestellten Fasern wie Viskose.


    51 Prozent aller im Jahr 2021 produzierten Fasern bestanden laut Fiber Year aus künstlichen Filamenten. Die restlichen 49 Prozent sind Stapelfasern, die damit erstmals den kleineren Anteil bilden. Stapelfasern können aus Baumwolle und anderen Naturfasern bestehen oder ebenfalls aus Kunstfasern. Der Herstellprozess dabei ist anders als bei den Filamenten.


    Filamente entstehen als lange Fäden aus einer zähflüssigen Ölschmelze. Knapp die Hälfte davon, die vorverstreckten Filamente (POY), werden anschließend auf Texturiermaschinen gekräuselt und anderweitig umgeformt. Die anderen, teilverstreckten Filamente benötigen diesen Arbeitsschritt nicht und gehen direkt in die textile Weiterverarbeitung.


    Ungefähr aus 70 Prozent aller Textilfasern entsteht Bekleidung, der Rest wird für technische Textilien sowie Teppichgarne und Vliesstoffe verwendet. Umgekehrt besteht die heute produzierte Bekleidung Schätzungen zufolge – genaue Zahlen liegen nicht vor – zu 40 bis 45 Prozent aus Naturfasern, zu 10 Prozent aus chemisch aufbereiteter Zellulose und zu knapp 50 Prozent aus Synthetik. Unter den Naturfasern wiederum entfallen etwa 35 Prozentpunkte auf Baumwolle, knapp 10 Prozentpunkte auf Fasern wie Hanf und nur der kleine Rest auf Wolle und andere tierische Produkte.

    Den negativen Trend bestätigt ein führender deutscher Zulieferer, dessen Teile in Web-, Strick- und Wirkmaschinen sowie vielen anderen Anlagen der textilen Wertschöpfungskette arbeiten. Nach einem "sehr guten Jahr 2022" laufe das Neuausrüster-Geschäft mit Maschinenbauern deutlich schlechter. Auch die Textilhersteller als Endkunden hätten weniger Bedarf.

    Messe dürfte Geschäft anschieben

    Von einem schwachen Geschäft mit Spinnmaschinen spricht auch der Schweizer Hersteller Saurer. Der niedrige Auftragseingang seit August 2022 liege allerdings auch an den hohen Verkäufen im Vorjahr, als Kunden mit Auslaufen der Pandemie verstärkt investiert hätten. Nun sei der Bedarf vorerst gesättigt. Saurer-Marketingleiterin Pia Terasa verweist außerdem auf die typische Zurückhaltung der Kunden vor einer großen Branchenmesse. Bei der ITMA selbst registrierte Terasa ein überaus reges Interesse.

    Auch bei Textilmaschinen haben sich Lieferkettenprobleme zwischenzeitlich entspannt. Bei Saurer müssen Kunden laut Marketingleiterin Terasa nun deutlich weniger lang auf eine bestellte Anlage warten.

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Trend zur textilen Nachhaltigkeit hilft deutschen Maschinenbauern

    Die Textilindustrie will die Ressourcen besser schonen. Die Technik dafür kommt meist aus Europa. Recycling von Kleidung müsste jedoch die Politik besser unterstützen.

    "Von dieser Maschine hier könnten wir eigentlich viel mehr Exemplare verkaufen", ruft Pia Terasa gegen den Lärm an. Die Marketingleiterin des Schweizer Spinnereitechnikherstellers Saurer deutet im Trubel der Branchenleitmesse ITMA im Juni 2023 in Mailand auf eine große Anlage. Ihre Besonderheit: Sie kann auch sehr kurze Fasern zu Garn verspinnen. Je kürzer eine Faser, desto schwerer ist sie zu verarbeiten. Immer kürzer werden Fasern zum Beispiel bei alter Kleidung, wenn diese von Recyclingbetrieben geschreddert werden. "Von diesem Material gibt es inzwischen mehr im Markt", sagt Terasa.

    "Bei Hightech verlässt man sich auf europäische Maschinen"

    Kein Zufall ist, dass die recycelten Fasern die Maschine eines europäischen Herstellers durchlaufen. Dabei ist Saurer mittlerweile in chinesischer Hand und in der Schweiz arbeitet nur noch ein Bruchteil der Beschäftigten. "Bei Anlagen mit viel Hightech verlässt man sich in der Textilindustrie immer auf europäische Maschinen", sagt René Bethmann, Entwicklungsingenieur des Outdoor-Ausrüsters Vaude aus Tettnang am Bodensee. Das gelte auch mit Blick auf nachhaltige Produktion. Im asiatischen Maschinenbau sei dieses Konzept noch kaum angekommen und in den USA gebe es dabei viel Greenwashing.

    Vaude tüftelt intensiv daran, den ökologischen Fußabdruck seiner Produkte zu minimieren. "Um den zu ermitteln, brauchen wir letztlich eine einzige Zahl und dazu noch den Rechenweg", sagt Bethmann. Bei der ITMA sah der Ingenieur nun etliche Anlagen, die genau solche Werte erfassen und darstellen können. "Das waren lauter deutsche and andere europäische Maschinenbauer."

    Nutzer investieren dank Vorschriften und PR in Nachhaltigkeit

    Die Maschinen, die den ökologischen Fußabdruck ausweisen, zeigen beispielsweise, wieviel CO₂ für die Herstellung von einem Kilogramm verarbeitetem Textil entstanden ist oder welche Chemikalien zum Einsatz kamen. Stoffverarbeiter wie Vaude können dann nicht nur im Markt glaubwürdiger mit Nachhaltigkeit werben. Sie erfüllen damit auch besser die Vorschriften in Europa, die laut Bethmann absehbar immer schärfer werden.

    Bekleidungskonzerne fördern Recycling mit Wagniskapital

    Schwedische und finnische Unternehmen sind laut Vaude-Entwicklungsingenieur René Bethmann weit vorne bei der Wiederverwendung pflanzlicher Textilfasern auf chemischem Wege, einem Thema, das sich sehr dynamisch entwickelt. Geld für die Entwicklung solcher Verfahren kommt demnach unter anderem von großen Bekleidungsfirmen wie Inditex und H&M. Diese Händler investieren Wagniskapital in Firmen der Branche.


    Der chemische Prozess wandelt zunächst gebrauchte und geschredderte Textilien aus Baumwolle oder auch Jute und Viskose in einen Brei um. Er trennt dann Farben und andere Verunreinigungen ab, um aus der so gereinigten Masse neue Fasern für die Textilproduktion zu produzieren. Es ist ein ähnliches Prinzip wie bei der Gewinnung von Viskose aus Holz, das die Textilindustrie schon lange betreibt. Die Herausforderung beim Recycling liegt in den Verunreinigungen des Ausgangsmaterials.

    Neue Textilmaschinen – besonders von europäischen Herstellern – sind in den letzten Jahren leiser geworden und verbrauchen weniger Energie, hat Andreas Engelhardt vom Branchendienst The Fiber Year beobachtet. Die Maschinenbauer hätten auch die Ersatzteilversorgung und andere Prozesse optimiert. Die Textilindustrie vermindere damit den Ressourcenverbrauch und laufe effizienter. Auch der VDMA und seine Mitglieder unterstützen den Wandel zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, wie es auf der Website des deutschen Maschinenbauverbands heißt. Die Seite listet Mitgliedsfirmen und deren Angebot zu dem Thema.

    Nachhaltigkeit versus Greenwashing

    Dass die Textilindustrie tatsächlich viel nachhaltiger geworden ist, bezweifeln in der Branche jedoch auch viele Experten. Mode ist schnelllebig und Nachhaltigkeit kann teuer sein. "Man muss bedenken, dass nur wenige Industriezweige so preisempfindlich sind wie die Bekleidungsbranche", sagt dazu Andreas Engelhardt von The Fiber Year.

    "Da gibt es viel Greenwashing", sagt ein Branchenvertreter, der nicht genannt werden will, stellvertretend für viele andere. So liefere der ganze Weltmarkt weniger Öko-Baumwolle als ein einziger, bestimmter Modehändler seiner Etikettierung zufolge verarbeitet. Andere Beobachter verweisen auf den Boom der chinesischen Billig-Online-Marke Shein. Vermutungen zufolge landen hier die vielen Rücksendungen sehr oft im Schredder. "Unter meinen Freundinnen bestellt die Hälfte bei denen", berichtet ein Mittzwanziger auf der ITMA-Messe. "Nachhaltigkeit" sei da definitiv kein Thema. In den USA hält Shein Schätzungen zufolge fast 40 Prozent des Fast-Fashion-Marktes.

    Investitionen in Recycling benötigen politische Flankierung

    Für Vaude-Entwicklungsmanager Bethmann bedeutet Nachhaltigkeit vor allem Vermeidung, Langlebigkeit, Recycling – und zwar exakt in dieser Reihenfolge, mit der Wiederverwertung als letzter Option. Die Datenlage beim textilen Recycling ist nicht ganz klar. Die Website Textile Exchange beziffert den Anteil der textilen Fasern, die wiederverwendet werden, immerhin auf 12 Prozent. Andererseits würden zwar 8,5 Prozent aller neuen Textilfasern aus recyceltem Material hergestellt, bei leicht wachsendem Trend. Knapp 8 Prozentpunkte davon bestünden aber aus wiederverwerteten PET-Flaschen. Recycelte Fasern, darunter auch die gesamte wiederverwendete Bekleidung, stellen demnach nur die kümmerlichen restlichen 0,6 Prozentpunkte.

    Um das Recycling von gebrauchter Bekleidung auszuweiten, fehlt es nach Ansicht von André Wissenberg vom Schweizer Spinnereitechnikhersteller Oerlikon an der politischen Flankierung. Gefragt sei ein "Grüner Deal", wie ihn die EU-Kommission für andere Branchen initiiert habe. Textiles Recycling, also geschreddertes Mischgewebe chemisch zu zerlegen und daraus wieder brauchbare Fasern zu gewinnen, sei schwierig. Dagegen sei neues Material bislang einfach zu günstig.

    Textilmaschinenmesse ITMA

    Die International Textile Machinery Exhibition (ITMA) gilt als Leitmesse für Textilmaschinen. Sie findet alle vier Jahre in wechselnden europäischen Städten statt, zuletzt im Juni 2023 in Mailand. Nächster Termin der Messe ist vom 16. bis 22. September 2027 in Hannover. Mit gut 1.700 Unternehmen kamen ähnlich viele Aussteller nach Mailand wie 2019 nach Barcelona. Die Besucherzahl war mit 111.000 um 5 Prozent höher, und dies bei einem Eintrittspreis von über 100 Euro für ein Tagesticket. Die größte Besuchergruppe in Mailand kam aus Italien (29 Prozent Anteil), gefolgt von der Türkei, Indien und Deutschland (je 6 Prozent) sowie Frankreich (4 Prozent) und Brasilien (3 Prozent). Besucher aus dem Welttextilzentrum China gehen bevorzugt zur Schwestermesse ITMA Shanghai (19. bis 23. November 2023). Im Jahr 2025 soll zudem erstmals die ITMA Asia Singapore stattfinden. Der europäische Textilmaschinen-Dachverband Cematex erwartet dort als Messeveranstalter vor allem Besucher aus den muslimischen Ländern Asiens. Sie erhalten für Singapur leichter Visa als für China oder Europa.

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Im Weltmarkt für Textilmaschinen dreht sich fast alles um China

    Bei Textilmaschinen bleibt China das Maß der Dinge. Auch die Konkurrenz aus China nimmt zu. Westliche Maschinenbauer reagieren mit Hightech und gutem Service.

    Die Hersteller von Textilmaschinen erzielen je nach Sparte rund die Hälfte bis zwei Drittel ihres globalen Absatzes in China. Nach Daten der International Textile Manufacturers Federation (ITMF) lag der Anteil Chinas bei den Auslieferungen ("Shipments") bei Texturiermaschinen, die zur Herstellung von chemischen Fasern eingesetzt werden, in den letzten Jahren sogar bei über 85 Prozent. Viel Branchentechnik wird auch in Indien und anderen asiatischen Ländern installiert. Asien und Ozeanien stehen bei wichtigen Maschinensparten damit für insgesamt 90 Prozent des globalen Absatzes von Textilmaschinen.

    Für deutsche Exporteure von Textilmaschinen ist China ebenfalls der wichtigste Markt. Die Chinesen kauften in den letzten fünf Jahren so viel wie die gesamte restliche Europäische Union. Die Türkei, die USA und Indien folgen laut dem deutschen Maschinenbauverband VDMA mit großem Abstand. Die anderen Zielländer sind relativ unbedeutend. Exporte nach Afrika erreichen nur knapp ein Zehntel der Lieferungen nach China.

    Textilherstellung bleibt auf China konzentriert

    Inzwischen wandert die arbeitsintensive Produktion von Bekleidung aus China, wo die Löhne kräftig steigen, zunehmend ab. Jedoch stammen die Stoffe häufig weiterhin von dort, weil es in der kapitalintensiven Textilindustrie eher auf Größenvorteile ankommt. Mittlerweile wird aber der Druck größer, auch die Textilproduktion aus China weg zu verlagern. Maßgeblich die USA machen für Stoffe den Ursprung aus anderen Ländern zur Auflage.

    Ernesto Maurer, Präsident des europäischen Textilmaschinenverbands Cematex, sieht Tendenzen einer teilweisen Abwanderung der Chemiefaser-Produktion aus China. "Indiens Textilindustrie dürfte in den nächsten Jahren große Kapazitäten zur Verarbeitung von Zellulose und Polyester aufbauen", sagt auch Andreas Engelhardt. Der Gründer des Branchendienstes The Fiber Year verweist außerdem auf die Türkei. Dieses wichtige Textilland müsse die Hälfte seines Baumwollbedarfs importieren. Chemiefaser-Investitionen sind da eine wegweisende Alternative. 

    Als Alternative habe sich unter anderem Vietnam etabliert, wenn auch nur in sehr begrenztem Umfang. Firmen aus Taiwan und Südkorea hätten dort mit Gebrauchtmaschinen Kapazitäten in der Chemiefaserherstellung aufgebaut, um zu Hause mit neuen Anlagen andere Segmente des Weltmarkts bedienen zu können.

    Abwanderungstendenzen mit Fragezeichen

    Weitere Branchenexperten bezweifeln allerdings, dass es zu einer umfangreicheren Abwanderung der Textilindustrie aus China kommen könnte. Zu groß seien dort die Größen- und Kostenvorteile der Branche. "Das sind Milliardeninvestitionen", sagt einer. Schon bei einer Verlagerung von nur 5 oder 10 Prozent der Produktion aus China stoße man schnell an eine Grenze. So viel Kapazität lasse sich anderswo nicht leicht aufbauen, auch nicht in Indien. Zudem befänden sich in China noch einige Projekte zur Textilproduktion in der Pipeline, welche die Kapazitäten dort weiter steigerten.

    Aus China kommt ein Drittel aller Textilmaschinen-Exporte

    China ist bei Textil- und Bekleidungsmaschinen nicht nur der größte Absatzmarkt, sondern auch wichtigster Wettbewerber. Bei den Exporten führt das Land laut VDMA inzwischen deutlich. Lagen Deutschland und China vor fünf Jahren noch nahezu gleichauf bei dieser Technik (inklusive Trocknern, Wäschereimaschinen sowie Schuh- und Ledermaschinen), ist Chinas Marktanteil bei den globalen Branchenexporten mit einem Drittel inzwischen dreimal so hoch.

    Ein Teil dieser Exporte stammt allerdings von ausländischen Herstellern. Egal ob Karl Mayer, Saurer oder Oerlikon, die meisten großen westlichen Maschinenbauer produzieren auch in China. Der umgekehrte Fall ist seltener. Allerdings ist der Schweizer Spinnmaschinenhersteller Saurer inzwischen ebenso in chinesischer Hand wie der schwäbische Bekleidungsmaschinenbauer Bullmer.

    Die Konkurrenzlage unterscheidet sich je nach Maschinensegment. Der Schweizer Oerlikon-Konzern, der zusammen mit TMT (Muratec) aus Japan bei Spinnanlagen für chemische Filamentgarne eine Art Duopol bildet, sieht aktuell nur bei etwa einem Drittel seiner Produktlinien eine Gefahr durch billigere Konkurrenz. "Shanghai Pacific ist durchaus ein Wettbewerber bei Stapelfaseranlagen, die Füllungen für Kissen herstellen", sagt Oerlikon-Marketingchef André Wissenberg. Bei Anlagen für spezielle Füllungen – etwa für Goretex-Funktionstextilien – sei das nicht der Fall, hier seien die Anforderungen höher.

    Im Spinnereisegment wollten Kunden zudem nicht kurzfristig auf alternative Anbieter umschwenken. Dies zöge in der kapitalintensiven Branche aufwändige Änderungen in etlichen Prozessen nach sich. Einfacher sei ein Wechsel bei Nähmaschinen oder Zuschneidetechnik und auch bei vielen Textilmaschinen anderer Segmente, weil diese weniger kosten.

    "Chinesen bieten zu einem Drittel unserer Preise an"

    Westliche Anbieter versuchen sich unter anderem durch einen besseren Service von der Konkurrenz aus China oder Indien und anderen Ländern abzugrenzen. "Die Chinesen bieten ihre Maschinen teils zu einem Drittel unseres Preises an", sagt Adam Stevenson vom deutschen Wirkmaschinenhersteller Karl Mayer. "Sie konzentrieren sich im Normalfall aber nur auf den Verkauf. Der Kunde kann sich nach der Lieferung häufig an niemanden mehr wenden."

    China-Maschinenbauer: Service per Wechat

    Kein großes Thema ist der Kundendienst offenbar bei der Firma ZGL aus Lianyungang nördlich von Shanghai. Der Hersteller von Anlagen für die Veredelung von Sofabezügen mit einem Exportanteil von nach eigenen Angaben 20 Prozent, erledigt "das Allermeiste über Internet oder den Messengerdienst Wechat", sagte ein Manager im Juni 2023 bei der Branchenmesse ITMA in Mailand.

    Bei Fortever aus der chinesischen Provinz Zhejiang hieß es, die angebotenen Stickmaschinen seien nicht serviceintensiv. "Da muss man jährlich zwei- oder dreimal nachschauen." Erledigen würden das die Vertreter, die man in China geschult habe. Fortex wurde den Angaben zufolge erst vor 15 Jahren gegründet. Die private Firma habe 100 Mitarbeiter und exportiere 95 Prozent der Produktion, vor allem nach Nord- und Südamerika, Zentralasien, Südafrika und in die Maghrebstaaten.

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Chinas Textilmaschinenmarkt: "Wüsste auch gerne, wo es hingeht"

    China ist das absolute Zentrum der Textilproduktion und für den Textilmaschinenmarkt. Ein Risiko für Europas Maschinenbauer, sagt Verbandspräsident Ernesto Maurer im Interview.

    Ernesto Maurer, Präsident, Cematex, Textilmaschinen Dies ist ein eingebettetes Bild | © Cematex

    Über zwei Drittel aller weltweit neu verkauften Webmaschinen wurden in den letzten drei Jahren in China ausgeliefert. Bei Texturiermaschinen für die Chemiefaserherstellung waren es sogar um die 85 Prozent, so Daten der International Textile Manufacturers Federation. Der Verband der europäischen Textilmaschinenbauer Cematex, dem auch der deutsche VDMA angehört, sieht diese Abhängigkeit kritisch. Präsident Ernesto Maurer verweist aber auch auf Absetzbewegungen.

    Herr Maurer, wohin bewegt sich der chinesische Markt für Textilmaschinen?

    Das wüsste ich auch gerne. Klar ist, dass er sich während des Lockdowns der Pandemie stark verändert hat und zunehmend schwieriger wird. Im Jahr 2003 hatte ich dort für meinen damaligen Arbeitgeber, einen großen Schweizer Hersteller von Textilmaschinen, eine eigene Tochtergesellschaft gegründet. Das war zu jenem Zeitpunkt ein großer Erfolg, heute würde ich das aber nicht mehr machen. Auch vielen unserer europäischen Mitgliedsfirmen ist klar geworden, dass sie sich unabhängiger vom chinesischen Markt machen müssen.

    Warum?

    Es gibt in China immer mehr Konkurrenz durch einheimische Maschinenbauer. Die Regierung will im Textilsektor, ähnlich wie in anderen Branchen, unabhängiger vom Ausland werden. Dafür fördert sie massiv die lokalen Maschinenbauer, die inzwischen auch qualitativ stark aufgeholt haben. Die Coronapandemie hat die Erfolge der Lokalisierung dieses Maschinenbaus etwas abgebremst, sie nehmen jetzt aber wieder zu.

    Als Absatzmarkt bleibt China jedoch dominant?

    Natürlich. China produziert geschätzt drei Viertel aller weltweit verwendeten Chemiefasern für Bekleidung und andere Textilien. Das Land hat dafür riesige Kapazitäten installiert, die auch nicht eben so einfach anderswo aufgebaut werden könnten. Ein einzelnes Werk kostet Hunderte von Millionen Dollar. Zudem bestehen über die Hälfte der global verwendeten Textilien inzwischen aus Chemiefasern. Auf Chemiefasern entfiel das riesige Nachfragewachstum in den letzten 20 Jahren. Dagegen stagnierte praktisch die Erzeugung von Baumwolle als der wichtigsten Naturfaser. Inzwischen gibt es aber Tendenzen, die zeigen, dass ein Teil der Chemiefaser-Produktion aus China abwandert.

    Wohin denn?

    In der Türkei gibt es aktuell mit SASA eine große Investition in die Herstellung von Polyesterpolymeren. Auch im Baumwollland Pakistan zeigen sich Ansätze, in die Produktion von Chemiefasern einzusteigen. Potenzial sehe ich aber vor allem in Indien, dessen Textilindustrie ebenfalls traditionell auf Baumwolle konzentriert ist. Technologisch ist Taiwan führend. Neue Entwicklungen bei textilen Chemiefasern kommen sehr oft von dort.

    Zeigen sich solche Tendenzen auch in der Messelandschaft?

    Leitmesse dürfte schon die ITMA bleiben, die wir alle vier Jahre veranstalten, zuletzt im Juni 2023 in Mailand. Zentral für China bleibt die ITMA Shanghai, wo wir als Minderheitsgesellschafter dabei sind. Diese Schwesterveranstaltung, die das nächste Mal im November 2023 stattfinden wird, ist auch der Grund, warum relativ wenige chinesische Besucher nach Mailand kamen. Für den großen asiatischen Markt, den es jenseits von China ja auch gibt, planen wir aber in der Tat eine neue Veranstaltung: Die ITMA Asia Singapore soll erstmals 2025 stattfinden. Dort erwarten wir vor allem Besucher aus Indonesien, Bangladesch, Pakistan und anderen muslimischen Ländern. Sie bekommen für Singapur einfacher Visa als für China oder Europa.

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Interview: Nur für Fleißige - Der Vertrieb von Textilmaschinen in Afrika

    Ein Interview mit Adam Stevenson und Lutz Vogel, beide Vertriebsmanager bei Karl Mayer.

    Produktionsstätte einer Textilfabrik in Südafrika Dies ist ein eingebettetes Bild | © Karl Mayer

    Lutz Vogel verkauft in Afrika seit vielen Jahren Flachstrickmaschinen der Firma Stoll in Reutlingen, sein Kollege Adam Stevenson Wirkmaschinen von Karl Mayer.

    Die beiden Vertriebsprofis, die seit 2020 zur selben Firmengruppe gehören, berichten von einem ganz eigenen Modell mit Partnern vor Ort.

    Lesen Sie das Interview in unserem Africa Business Guide.


    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Interview: Komplexe Vertriebswege - Japanische Nähmaschinen für Westafrika

    Japanische Nähmaschinen über Deutschland nach Afrika verkaufen? Das hört sich bereits kompliziert an und ist in Wirklichkeit noch weitaus verwickelter.

    Johannesburg, South Africa - October 16, 2012: Cotton Thread Bobin on a copwinder weft assembly line loom Dies ist ein eingebettetes Bild | © Sunshine Seeds - stock.adobe.com

    Lesen Sie in unserem Africa Business Guide ein Gespräch mit Rami Hashem von der deutschen Niederlassung der japanischen Firma Brother über die Globalisierung von Wertschöpfungsketten in der Textilindustrie.

    Von Ulrich Binkert | Bonn

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